09.03.2014 09:42 Uhr

Russlands Erkenntnis: Geld schießt keine Tore

Zenit St. Petersburg weiß mit Hulk auf internationalem Parkett bislang nur zu enttäuschen
Zenit St. Petersburg weiß mit Hulk auf internationalem Parkett bislang nur zu enttäuschen

Anfang März – die Tage werden länger, ehemals mit langen Unterhosen bedeckte Fußballerbeine zeigen sich wieder der Sonne. Auch im kalten Russland verabschieden sich die Minusgrade allmählich, sodass im WM-Jahr endlich wieder der Ball rollt. Am Samstag erwacht Russlands Premier Liga aus dem viermonatigen Winterschlaf und setzt die Saison mit dem 20. von 30 Spieltagen fort. weltfussball wirft einen Blick auf die oft belächelte Millionenliga des WM-Teilnehmers.

Fußball ist ein Millionengeschäft. Das wissen auch externe Investoren, die in jeder der großen europäischen Ligen investieren und damit den sportlichen Wettkampf entscheidend beeinflussen: Chelsea und Manchester City in England oder PSG und Monaco in Frankreich sind die wohl prominentesten Beispiele gekauften Erfolgs. Dass Geld jedoch nicht zwangsläufig in die europäische Spitze führt, ist derzeit am russischen Vereinsfußball zu beobachten.

Seit Jahren wird der russischen Liga eine große Zukunft prophezeit. Kauflustige Oligarchen aus unterschiedlichsten Branchen stehen nahezu hinter jeder der Spitzenmannschaften aus der Premier Liga. Ein unmoralisch hohes Angebot lockte einst Kevin Kuranyi zu Dinamo Moskva, Zenit St. Petersburg sicherte sich für 95 Millionen Euro die in ganz Europa begehrten Hulk und Axel Witsel und Anzhi Makhachkala gab als Aufsteiger von 2010 innerhalb von nur drei Jahren fast 250 Millionen Euro für allerlei Stars aus und installierte Persönlichkeiten wie Roberto Carlos und Guus Hiddink in den Trainerstab.

Viel Geld, aber magere Resultate

Doch welche Ergebnisse stehen seither zu Buche? Der letzte internationale Triumph einer russischen Mannschaft datiert von 2008, als Zenit die vorletzte Ausgabe des UEFA-Cups gewann – zu einer Zeit also, als die ganz großen Investitionen noch ausblieben und man mit einheimischen Stars wie Arshavin oder Pavlyuchenko auftrumpfte.

Dieses Jahr hingegen gibt der russische Fußball auf europäischer Ebene ein bemitleidenswertes Bild ab. Meister Zenit kam trotz seiner Millionentruppe nur mit Müh und Not in seiner Champions League-Gruppe als schlechtester aller Gruppenzweiten weiter und hatte im Achtelfinal-Heimspiel gegen eine angeschlagene Borussia aus Dortmund keine Chance. Der vergleichsweise seriös wirtschaftende Armeeklub von CSKA Moskva schied in der Bayern-Gruppe sang- und klanglos als Letzter aus – noch hinter einer Truppe wie Viktoria Pilsen.

Anzhi: Ohne Stars im Europa-League-Achtelfinale

Erwies sich die Champions League als zu groß, war in der Vergangenheit meist der kleine europäische Wettbewerb, die Europa League, das erfolgreiche Pflaster für aufstrebende Vereine aus dem ehemaligen Ostblock. Doch auch dort kommen die russischen Vereine auf keinen grünen Zweig: Kuban Krasnodar scheiterte in der Gruppenphase und Ex-Meister Rubin Kazan ließ sich durch eine 0:2-Heimniederlage gegen den spanischen Tabellenletzten Real Betis aus dem Wettbewerb kegeln.

Ironie der Geschichte: Rechnet man Zenit St.Petersburg im Rückspiel gegen Dortmund keine allzu großen Chancen aus, ist ausgerechnet Anzhi Makhachkala der letzte international vertretene Klub der Premier Liga.

Dabei hatte der Verein aus der Teilrepublik Dagestan im August letzten Jahres durch eine drastische Etatsenkung des Milliardärs Kerimov in einem beispiellosen Ausverkauf alle seine Stars verhökert. So war man zumindest vom Spielermaterial her wieder auf altes Zweitliganiveau zurückgekehrt, steht folglich in der Liga auf dem letzten Tabellenplatz und hat im Abstiegskampf inzwischen andere Sorgen als ein Weiterkommen in der Europa League.

Macht's die Lokomotive besser?

Nicht nur der Tabellenletzte überrascht derzeit in Russland – auch den Tabellenführer hätte man vor der Saison nicht ganz oben auf dem Favoritenzettel stehen gehabt. Ausgerechnet Lokomotive Moskva, das seit zwei Jahren nicht mehr international vertreten war und zuletzt 2004 in der Champions League spielte, grüßt noch vor Zenit vom Platz an der Sonne. Leistungsträger sind neben den im Sommer für 27 Millionen von Anzhi geholten Lass Diarra und Mark Boussoufa insbesondere der Ex-Leverkusener Vedran Corluka und Torjäger Dame N’Doye.

Bezeichnend und vielleicht gar richtungsweisend könnte es sein, dass letzterer mit zehn Treffern in der ligainternen Torjägerliste hinter Artem Dzyuba steht. Mit zwölf Toren steht der Stürmer vom kleinen FC Rostov symbolisch dafür, dass der Erfolg in Russland ohne die große Geldschleuder womöglich größer wäre.

Schließlich hat es der designierte Meister Lok Anfang des Jahrtausends selbst bewiesen, als mit einheimischen Spielern wie Loskov, Izmailov oder Khokhlov Real Madrid (2:0 2001/2002) oder Inter (3:0 2003/2004) in der Königsklasse geschlagen wurden. Stattdessen befindet sich das Land im Zwiespalt zwischen Investitionsflut in St. Petersburg und finanziellem Rückzug in Makhachkala. Ob dieser Zwiespalt irgendwann zu einem gesunden Mittelweg ausgebaut werden und das Land endlich sein fußballerisches Potenzial ausschöpfen kann, steht derzeit nur in den Sternen.

Johann Mai