08.05.2014 12:27 Uhr

Vor 40 Jahren: Triumph im Bademantel

Die Magdeburger Spieler jubeln nach dem Triumph in Bademänteln
Die Magdeburger Spieler jubeln nach dem Triumph in Bademänteln

Als einzige Mannschaft aus der DDR gewann der 1. FC Magdeburg einen Europapokal: Vor 40 Jahren besiegte die Elf des legendären Trainers Heinz Krügel den haushohen Favoriten AC Mailand im Finale des Pokalsiegerwettbewerbs mit 2:0.

Es war eine gespenstische Atmosphäre, als der niederländische Schiedsrichter Arie van Gemert nach 92 Minuten die Partie abpfiff und damit den größten Erfolg des DDR-Vereinsfußballs besiegelte. Nur 4.641 Zuschauer hatten sich im Rotterdamer De Kuip eingefunden, um dem Endspiel zwischen dem Titelverteidiger und klaren Favoriten AC Mailand und dem Underdog aus Magdeburg beizuwohnen. Die Anhänger der Magdeburger durften nicht in den Westen reisen, für die Italiener war das Finale nicht mehr als eine Pflichtaufgabe, der Sieg gegen die weitgehend unbekannten DDR-Kicker eine Selbstverständlichkeit.

Und so trat die mit Stars gespickte Mannschaft von Jungtrainer Giovanni Trapattoni auch auf. "Der AC Mailand hat uns unterschätzt. Und wie es im Leben so ist, wenn man unterschätzt wird, dann ist man stark", erzählt FCM-Kapitän Manfred Zapf später. Die junge Bezirksauswahl aus Magdeburg – alle Spieler kamen aus dem direkten Umkreis der Stadt – setzte der individuellen Klasse der Italiener ihren Teamgeist und einen temporeichen Offensivstil entgegen.

Wolfgang Seguin trifft aus spitzem Winkel

Kurz vor der Halbzeitpause grätschte Milan-Verteidiger Enrico Lanzi in eine scharfe Flanke von Detlef Raugust und lenkte das Leder unglücklich zum 1:0 in die eigenen Maschen. Mit der Führung im Rücken stieg das Selbstvertrauen der Underdogs, so dass Milan nach der Pause kaum noch zu Torgelegenheiten kam. In der 74. Minute stellte Wolfgang Seguin aus spitzem Winkel den Endstand her.

Direkt nach dem Schlusspfiff verteilten Ordner der Gastgeber Bademäntel an alle Magdeburger Spieler, denn es regnete an diesem kalten Mai-Abend in Rotterdam. So entstanden die ungewöhnlichen Siegerfotos der Magdeburger Helden in weißem Frottee. Später mussten die Spieler, die die Bademäntel schon als Sieger-Souveniers in ihre Reisetaschen verstaut hatten, wieder herausrücken.

DDR-Verband kassiert die Siegprämie ein

Auch sonst holte die Realität des sozialistschen Sportsystems die Helden nur Minuten nach dem sensationellen Erfolg über die Italiener ein. Während die Spieler in der Kabine feierten, lieferte sich Magdeburgs Trainer Heinz Krügel eine heftige Auseinandersetzung mit Günter Schneider, dem Generalsekretär des DDR-Fußballverbandes. Der hatte nämlich die Siegprämie in Höhe von 225.000 Schweizer Franken für den Verband einkassiert. "Schämst du dich nicht?" schleuderte der nur selten Linientreue Krügel dem ungeliebten Funktionär entgegen, als dieser nicht einmal 100 Franken für jeden Spieler rausrücken wollte. Später bekamen Spieler wie Paul Seguin 5.000 Ostmark und ein vorrangiges Bezugsrecht für ein Auto.

Sparwasser gefeiert, Krügel geschasst

Vier Spieler aus dem Magdeburger Kader verpassten die Feierlichkeiten in Magdeburg am Tag darauf. Wolfgang Seguin, Jürgen Pommerenke, Jürgen Sparwasser und Martin Hoffmann flogen von Rotterdam aus direkt ins Trainingslager der DDR-Nationalmannschaft nach Schweden. Sechs Wochen später gelang ihnen beim deutsch-deutschen WM-Duell die nächste Sensation – mit FCM-Stürmer Sparwasser als Schützen des berühmten Siegtores.

Dem Vater des Erfolges, Trainer Heinz Krügel, brachte der Triumph von Rotterdam kein Glück. Auf die Vorgaben der DDR-Sportfunktionäre zu den Trainingskonzepten gab der Nonkonformist Krügel nichts und eckte trotz des Europapokalerfolges und dreier Meisterschaften mit dem 1. FC Magdeburg immer wieder mit den Verbandsbossen an. Als der FCM in der Saison 1975/76 nur auf dem dritten Platz landete, wurde Krügel geschasst und wegen "ungenügender Leistungsentwicklung der Olympiakader" mit einem Berufsverbot belegt. Demnächst soll eine Bronzestatue vor dem Stadion des heutigen Regionalligisten aus Magdeburg an den legendären Fußballlehrer erinnern.

Ralf Amshove