16.06.2014 13:22 Uhr

1966: Weltmeister Pelé wird in England gejagt

Pelé am Boden: Bei der WM 1966 wurde der Superstar Opfer zahlreicher Attacken
Pelé am Boden: Bei der WM 1966 wurde der Superstar Opfer zahlreicher Attacken

Alle vier Jahre wird bei WM-Endrunden Geschichte geschrieben. Während der Weltmeisterschaft in Russland erinnert weltfussball an kuriose Ereignisse und unvergessene Momente. Heute: Als Pelé in England gejagt wurde.

Die WM 1966 ist vor allem wegen des Wembley-Tores in Erinnerung geblieben. Ebenso bemerkenswert war aber auch das frühzeitige Aus des damaligen Weltmeisters Brasilien, der ausgerechnet von den früheren Kolonialherren getreten und besiegt wurde.

Es lief rund für Brasilien, richtig rund. 1958 holte die Selecao den Weltmeistertitel, vier Jahre später verteidigte sie ihn. Was erwartete man also von dieser Mannschaft, die mit den Stars Pelé und Garrincha im Sommer 1966 nach England reiste?

Sicherlich nicht, dass sie bereits in der Vorrunde ausscheidet – und das auch noch gegen den WM-Neuling und die ehemalige Kolonialmacht Portugal. Genauso aber kam es. Und bei näherer Betrachtung ist das schlechte Abschneiden der brasilianischen Mannschaft keineswegs verwunderlich.

Probleme schon in der Vorbereitung

Bereits die Vorbereitung auf das Turnier verlief mehr als unglücklich. Nachdem der brasilianische Verbandspräsident Trainer Paulo Machado entlassen hatte, übernahm Vicente Feola die Mannschaft. Der Coach, der das Team bereits bei der Endrunde 1958 betreute, musste sich in der Folge mit allerlei Eitelkeiten und Machtkämpfen auseinandersetzen.

Jeder einigermaßen bedeutsame Klub in Brasilien wollte Spieler für die zuletzt so erfolgreiche Nationalmannschaft stellen und sich im Ruhm der Selecao sonnen. Also berief Feola zunächst 46 Spieler in den Kader – mehr als doppelt so viele wie benötigt. Er teilte seine Nationalspieler in vier verschiedene Gruppen ein und musste vor der Reise nach England schließlich 24 Männer wegschicken.

Klar, dass diese Konstellation innerhalb des Teams für Unruhe und Missmut sorgte. Neben den beiden Stars, Pelé und dem gealterten Garrincha, nahm der Trainer vor allem Routiniers wie Djalma Santos oder Zito mit, die ihren Zenit bereits überschritten hatten. Hinzu kamen Nachwuchsspieler, die wie Tostão oder Jairzinho zwar sehr talentiert, jedoch noch nicht reif für eine WM-Endrunde waren. Schnell sollte sich herausstellen, dass dies keine optimale Mischung war.

Peinliche Pleite der Anfang vom Ende

Zwar gewannen die Brasilianer ihr Auftaktspiel gegen die chancenlosen Bulgaren, die ihre Gruppe als Letzte beenden sollten. Allerdings war der Preis dafür hoch: Pelé zog sich eine Verletzung zu und musste im folgenden Spiel gegen Ungarn passen. Bitter für Brasilien, auch wenn sich die Niederlage im zweiten Gruppenspiel nur bedingt mit dem Ausfall des Superstars erklären lässt.

Die Konsequenz des schwachen Auftritts gegen die Ungarn war indes klar: Die Selecao würde im letzten Gruppenspiel einen Sieg gegen Portugal benötigen, wenn sie nicht vorzeitig abreisen wollte. Und das war keine leichte Aufgabe, denn die Portugiesen um Eusébio spielten ein starkes Turnier und zeigten dabei durchaus mutigen Angriffsfußball.

Gewalttätiges Spiel: Alle auf Pelé

Den "Angriff" nahmen sie dann im entscheidenden Spiel gegen die ehemalige Kolonie aus Brasilien durchaus wörtlich. Das Opfer: Pelé, der nach seiner nicht komplett auskurierten Verletzung in die Mannschaft zurückkehrte. Sobald er an den Ball kam, war auch schon ein Portugiese da, um ihn zu treten. Einige Attacken konnte der Brasilianer im oft zitierten "gewalttätigsten Spiel der Welt" abwehren. Letztlich aber musste er nach einem Doppelfoul an der Strafraumgrenze verletzt vom Platz getragen werden.

Zu diesem Zeitpunkt lag der scheidende Weltmeister bereits mit 0:2 zurück. Dass eine indisponierte, vom panischen Trainer Feola stark durcheinandergewürfelte Mannschaft sich in der Folge nicht mehr zu wehren wusste, überraschte nicht. Mit 1:3 unterlag Brasilien den Portugiesen, die das Turnier als Dritter beenden sollten.

Während Portugal damit einen großen Erfolg feierte, gilt die Weltmeisterschaft 1966 auch heute noch als schlechtester Endrunden-Auftritt einer brasilianischen Nationalmannschaft überhaupt.

Maike Falkenberg