06.07.2014 17:37 Uhr

James will sich mit Torjägerkanone trösten

Der Kolumbianer James Rodríguez wird als der Shootingstar dieser WM in Gedächtnis bleiben, daran ändern auch das Viertelfinal-Aus und die schwächere Leistung gegen Brasilien nichts.

James Rodríguez hat viele Heldentaten bei dieser WM vollbracht, doch die Szene unmittelbar nach dem Viertelfinal-K.o. mit Kolumbien wird den Fans wohl stärker in Erinnerung bleiben als die meisten seiner sechs Tore. Von seinen Gefühlen übermannt, heulte "King James" Rotz und Wasser, der Brasilianer David Luiz nahm den 22-Jährigen wie einen großen Bruder tröstend in den Arm und forderte das Publikum auf, dem völlig niedergeschlagenen Shootingstar Applaus zu spenden.

"Ich bin unendlich traurig. Wir haben alles versucht, stehen aber mit leeren Händen da", sagte Rodríguez. Sein Anschlusstreffer zum 1:2 per verwandeltem Elfmeter (80.) war zu wenig gegen den WM-Gastgeber. Für die WM-Torjägerkanone könnte sein sechster Turniertreffer jedoch entscheidend gewesen sein.

Stolz größer als Trauer

Vielleicht wich beim Offensivstar auch deswegen irgendwann die Trauer dem Stolz über das Erreichte: "Im Namen von 45 Millionen Kolumbianern möchte ich danke sagen für diese großartige WM." Das fand auch Staatspräsident Juan Manuel Santos, der im Estadio Castelao mitgefiebert und anschließend getwittert hatte: "Alle Kolumbianer sind sehr stolz auf das Team. Ihr habt Geschichte geschrieben, danke für so viel Freude!"

Bei der Rückkehr in Bogotá wurde die Mannschaft von mehreren Tausend Fans empfangen. Aus dem Flugzeug heraus wurden die Helden über einen roten Teppich in einen Cabriobus geleitet. Von dort startete ein Triumphzug durch die Straßen der Hauptstadt.

Diese bisher nicht gekannte Fußball-Euphorie in Kolumbien liegt vor allem an Überflieger Rodríguez. Seiner Tränen schämte er sich nicht: "Auch Männer weinen, gerade, wenn man so etwas wie heute erleben muss." Die Chance auf den ersten Halbfinal-Einzug einer kolumbianischen Mannschaft in der WM-Geschichte war zum Greifen nah, doch ausgerechnet an diesem Freitagabend in Fortaleza erwischten die "Cafeteros" ihren schlechtesten WM-Tag - auch Rodríguez. Kaum etwas war zu sehen von der Dynamik und der Eleganz, mit der der Profi des AS Monaco sich in die Notizblöcke der ganz großen europäischen Klubs gespielt hat.

Brasilien geht hart zur Sache

Das lag aber auch an der harten Gangart, die die Brasilianer insbesondere gegenüber dem Senkrechtstarter angeschlagen hatten. Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo (Spanien) ließ sehr viel durchgehen, was die brasilianischen "Kettenhunde" Fernandinho und Paulinho gnadenlos ausnutzten. Die ständigen Attacken gegen seinen Körper zogen Rodríguez den Zahn.

Dass er nach seinem ersten gröberen Foul selbst die gelbe Karte sah und das 0:2 durch David Luiz einleitete, machte den gebrauchten Tag perfekt. Ganz mit leeren Händen stand Rodríguez aber nicht da. Kolumbiens Nummer zehn ist der erste Spieler seit 36 Jahren, dem in seinen ersten fünf WM-Spielen jeweils mindestens ein Tor gelungen war. Zudem winkt ihm die Torjägerkrone, da Verfolger Neymar nach seiner Lendenwirbelverletzung aus dem Rennen ist.

Mit Neymar fühlte auch Rodríguez mit, obwohl er das mit Spannung erwartete Privat-Duell gegen den Barca-Profi verloren hatte. "Ich hoffe, er wird sich schnell erholen", sagte der Kolumbianer und bedankte sich bei Neymars Teamkollegen für die aufmunternden Gesten direkt nach dem Spiel: "David Luiz und Dani Alves haben mich getröstet. Das ist schon toll, wenn zwei so große Spieler mir sagen, dass ich eine großartige WM gespielt habe."

sid