29.07.2014 12:43 Uhr

Bochumer Umbruch im großen Stil

Peter Neururer hatte beim VfL Bochum zuletzt viel zu kritisieren
Peter Neururer hatte beim VfL Bochum zuletzt viel zu kritisieren

Drei Jahre zwischen Niemandsland und Abstiegsangst liegen hinter dem VfL Bochum. Vor der Saison 2014/15 wurde die Mannschaft runderneuert und ein radikaler Schnitt vollzogen. Jetzt wartet eine Reise ins Ungewisse.

Am Ende der letzten Saison brannte es an der Castroper Straße lichterloh. Die Stimmung verschlechterte sich im Wochentakt, der GAU in Form des Abstiegs in die 3. Liga wurde nur mit Hängen und Würgen verhindert. Kritik am Trainer, Schelte für die Mannschaft und Pfiffe von den Rängen waren die Quittung für eine Saison, die auf Platz 15 endete.

Zur kommenden Spielzeit stellte der Traditionsverein die Uhren auf Null. 16 Spieler verließen den Klub, zwölf Neuzugänge kamen. Ein radikaler Schnitt, der bitter nötig war. Was lief in der Vorsaison falsch, was hat sich im Sommer rund um den VfL getan und wie sieht die Prognose für die nächste Saison aus? Ein Überblick:

1. Die Vorsaison...

...lief katastrophal. Nach dem Abgang der talentiertesten Doppelsechs der Liga (Christoph Kramer, Leon Goretzka) war das defensive Mittelfeld nur eine von vielen Baustellen. Personelle und qualitative Probleme zogen sich von den Außenverteidigern über das Kreativzentrum bis in die Sturmspitze. Mit nur zwölf Toren stellte Bochum in der Rückrunde einen Negativrekord auf. Lediglich zwei Mal erzielte der VfL in der zweiten Halbserie mehr als einen Treffer.

Auch die eklatante Heimschwäche (nur fünf Siege in 17 Spielen) zog sich wie ein roter Faden durch die Saison. Die Folgen waren für den chronisch klammen Klub spürbar. War nicht gerade ein Verein aus der direkten Nachbarschaft zu Gast, verirrten sich im Schnitt nur noch rund 11.000 Zuschauer ins Ruhrstadion. Der Klassenerhalt war letztlich eher dem Unvermögen der Konkurrenz geschuldet, als der eigenen Stärke.

2. Der Kader...

...hat sich grundlegend verändert. Mit Marcel Maltritz und Paul Freier (beide Karriereende) verließen zwei Urgesteine den Verein. Felix Bastians kehrte nach Berlin zurück, Sukuta-Pasu zog es nach Belgien, Jonas Aquistapace nach Zypern, Mirkan Aydin in die Türkei. Der Vertrag von Christian Tiffert wurde aufgelöst.

Den personellen Aderlass will man mit der Verpflichtung von erstligaerfahrenen Akteuren wie Marco Terrazzino, Stefano Celozzi, Jan Šimůnek, Timo Perthel und Rückkehrer Stanislav Šesták kompensieren. Anthony Losilla, Simon Terodde und Michael Gregortisch kamen von der Zweitligakonkurrenz aus Dresden, Berlin und St. Pauli. Sechs Eigengewächse vervollständigen den Kader. Bemerkenswert: Für keinen seiner Neuzugänge zahlte der VfL eine Ablöse.

3. Der Trainer...

...ist immer noch derselbe. Nicht wenige sehen in Peter Neururer einen der Hauptschuldigen für die Misere. Die vergebliche Suche nach einer Stammformation, das Festhalten an Spielern, die nur in Höchstform Zweitliganiveau erreichten, und eine Taktik, die von vielen Gegnern leicht zu durchschauen war, wurden dem Trainer zur Last gelegt.

Jetzt hat der 59-Jährige einen Kader mit deutlich mehr Qualität zur Verfügung. Er selbst spricht von „einem Umbruch in ganz großem Stil“, und sagt: „Mittelfristig ist die Bundesliga unser Ziel.“ Ob er dabei mitwirken kann, steht in den Sternen. Stolpert man erneut durch die Hinrunde, ist ein vorzeitiges Ende der Ära Neururer denkbar.

4. Die Vorbereitung...

...war besser als erwartet. Neben fünf obligatorischen Kantersiegen gegen unterklassige Gegner (Torverhältnis 45:0) setzte das Team gegen den VfL Wolfsburg ein Ausrufezeichen. Mit 3:1 bezwang man den Bundesligisten, ehe die angedachte Stammelf im letzten Test die einzige Niederlage gegen den russischen Erstligisten aus Grozny kassierte (1:2).

Zum großen Gewinner der Vorbereitung mauserte sich der Deutsch-Türke Selim Gündüz, über den Neururer sagte: „Er ist ganz nahe an der ersten Elf, damit hätte ich nie gerechnet.“ Einziger Wermutstropfen: Kapitän und Stammkeeper Luthe verletzte sich und wird den Saisonauftakt gegen Fürth wohl verpassen.

5. Die Prognose...

...ist unmöglich. Neururer hat auf dem Papier einen qualitativ guten, für die 2. Liga allemal ausreichenden Kader zur Verfügung. Jetzt muss er aus 27 Individualisten eine Einheit formen. Das ist ihm im letzten Jahr nicht gelungen. Besonders in den eigenen vier Wänden müsse das Team „dominanter auftreten“, fordert der Trainer.

Auf den ersten Blick wirkt der Kader wie eine etwas wahllose, kostengünstige Zusammenstellung von andernorts Gescheiterten und Talentierten aus den eigenen Reihen. Gleichzeitig wurde das Durchschnittsalter gesenkt und die Weichen für eine erfolgreichere Zukunft gestellt. Gelingt es Neururer, dem Team ein Wir-Gefühl zu vermitteln und seine Taktik dem vorhandenen Personal anzupassen, sollten die Fans an der Castroper endlich wieder eine Saison ohne Abstiegsangst erleben. Alles was darüber hinaus geht, wäre ein willkommener Bonus.

Christian Schenzel

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