10.10.2014 10:50 Uhr

Randale in der Regionalliga

Die Abwanderung von Ultras in die Regionalliga macht dort einen verstärkten Polizeieinsatz nötig
Die Abwanderung von Ultras in die Regionalliga macht dort einen verstärkten Polizeieinsatz nötig

Randale im Zug, Fan-Attacken und teils beängstigendes Auftreten: Nicht nur die Ultras von Hannover 96 sind in jüngster Zeit in den unteren Fußball-Klassen auffällig geworden. Niedersachsens Polizei musste mitunter in der vierten Liga besondere Sicherheitsvorkehrungen treffen.

Nach dem Derby zwischen Eintracht Braunschweig II und Hannover 96 II gab es rekordverdächtige 121 Anzeigen. Dennoch sind die Ausschreitungen im Amateurfußball laut Fanforscher Gunter A. Pilz nicht zur Regel geworden. "Es sind Ausnahmebegegnungen, bei denen tradierte Feindschaften gepflegt werden", sagte der 67-Jährige.

Dass sich Ultras vom eigenen Verein abwenden, Bundesligaspiele boykottieren und stattdessen die zweite Mannschaft in einer Amateurliga unterstützen, ist nicht allein ein hannoversches Phänomen. "Beim Hamburger SV hat mit den "Chosen Few" die größte Supportergruppe mit der Vereinsführung gebrochen. Die gehen jetzt teilweise auch zur zweiten Mannschaft", schilderte Pilz.

Ultras wenden sich von Profiabteilung ab

Die Hamburger Ultra-Gruppierung hatte nach der Ausgliederung der Profiabteilung ihren Rückzug angekündigt. Die Fans lehnen diesen Schritt strikt ab. Im Gegensatz zu einigen Teilen der 96-Fans sind die HSV-Anhänger seitdem aber nicht gewalttätig geworden.

Für die Ultras aus Hannover ist das Tischtuch mit der 96-Führung und Vereinschef Martin Kind spätestens seit dem Bundesliga-Derby im April in Braunschweig zerschnitten. Die Fans durften aus Sicherheitsgründen nur in Bussen des Vereins und nicht individuell anreisen. Die umstrittene Maßnahme beschäftigte Gerichte und veranlasste bis zu 1000 Fans, die Spiele des Profiteams in dieser Saison zu boykottieren.

Unterbrechung nach Ausschreitungen

Vor rund drei Wochen musste das extra auf einen Dienstagabend verlegte Regionalliga-Derby bei Braunschweigs Zweiter wegen Ausschreitungen unterbrochen werden. Drei Tage zuvor hatten 130 Hannover-Ultras auf der Rückfahrt vom Auswärtsmatch beim FC St. Pauli II einen Zugwagen demoliert. "Das ist eine krankhafte Form von Gewaltlust. Wenn man die zu Fans erklärt, diskreditiert man die echten Fußballfans", betonte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. "Unsere Aufgabe ist es, dagegen vorzugehen. Das ist ein Riesenstrauß an Aufgaben."

Vor Herausforderungen stellt die Behörden auch ein anderes Problem. Die Chaoten randalieren teilweise bei Begegnungen, an denen die eigene Mannschaft gar nicht beteiligt ist. Mitte August wurden Osnabrücker Fans nach einem Pokalspiel in Goslar von Braunschweiger Anhängern überfallen und teilweise leicht verletzt. "Es werden gezielt Schauplätze gesucht, um Gewalt auszuüben. Was da an Feindseligkeit fast schon pathologisch gepflegt wird, hat mit Fankultur nichts zu tun", sagte Pistorius.

Ausschreitungen nicht neu, aber intensiver

Solche Aktionen sind allerdings nicht neu. "Die kennen den Spielplan und richten sich danach. Wenn etwa Hamburg gegen Bremen spielt, sind oft auch Hannoveraner in der Nähe. Das war schon früher so", erklärte Pilz. Ausschreitungen in den Amateurligen sind seiner Ansicht nach kein allgemeines Problem. "Aber die Ausschreitungen haben teilweise eine andere Qualität. Vielleicht stehen sie deshalb auch stärker im Fokus der Öffentlichkeit", sagte der Wissenschaftler.

Verbesserte Sicherheitskonzepte und der Einsatz szenekundiger Beamter hätten jedoch dazu geführt, dass sich die Situation insgesamt verbesserte. Ausschreitungen wird man laut Pilz aber auch in Zukunft nicht verhindern können. "Die, die sich prügeln wollen, soll man lassen. Sobald aber Unbeteiligte betroffen sind, muss man konsequent sein."

dpa