28.10.2014 17:27 Uhr

Stickler im Westenthaler-Prozess befragt

Friedrich Stickler beim small-talk mit Hannes Kartnig im Rahmen eines ÖFB-Länderspiels
Friedrich Stickler beim small-talk mit Hannes Kartnig im Rahmen eines ÖFB-Länderspiels

Mit dem ersten Zeugenauftritt des ehemaligen ÖFB-Präsidenten Friedrich Stickler und der Aussage einer langjährigen Bundesliga-Mitarbeiterin, die vor allem den zweitangeklagten Thomas Kornhoff belastete, ist am Dienstag der Betrugs- und Untreue-Prozess gegen die Ex-Bundesliga-Vorstände Peter Westenthaler und Kornhoff fortgesetzt worden.

Die Belastungszeugin, auf die sich nicht zuletzt die Anklage stützt, war von 2003 bis 2010 im Rechnungswesen der Fußball-Bundesliga beschäftigt. In dieser Funktion erlangte sie Anfang 2004 von einer Million Euro Kenntnis, die im Dezember 2003 vom Nationalrat zur forcierten Förderung des Kicker-Nachwuchses im Wege eines Budgetbegleitgesetzes genehmigt worden war: "Es sollte eine Zusatzförderung sein, eine Nachwuchsförderung", so die Zeugin.

Das Geld wurde bei der Bundesliga unter "außerordentliche Erträge" verbucht, "weil es aus meiner Sicht für die Begleichung einer Drittschuld an die Finanz verwendet wurde. Das ist mir so gesagt worden, dass es so gemacht wurde", gab die 45-Jährige zu Protokoll. Auf die Frage von Richter Wolfgang Etl, wer ihr das gesagt habe, verwies die Zeugin auf Kornhoff. Dieser habe ihr auch eine Kopie jenes Vergleichs gegeben, in dem sich die Bundesliga mit der Finanzprokuratur auf eine Zahlung von 1,2 Millionen Euro zur Bereinigung einer Drittschuldnerklage - die Finanz machte gegenüber der Liga eine offene Forderung von über 1,6 Millionen geltend - geeinigt hatte. Grund: Damit habe sie gewusst, wann die vereinbarten Raten zu überweisen waren.

Auf die Frage des Richters, ob diese Vorgänge für sie korrekt waren, meinte die Zeugin: "Ich hab's nicht verstanden. Nachgefragt hab' ich schon. Kornhoff hat gesagt, das es so ausgemacht ist." Weitere Frage des Richters: "Wer hat davon gewusst, dass das Fördergeld zur Drittschuldnerklage verwendet wird?" Antwort: "Der Vorstand. Ich hab' davon gewusst und der Vorstand (und damit nach Darstellung der Zeugin auch Peter Westenthaler, Anm.).

Auf Befragen von Westenthaler-Anwalt Thomas Kralik musste sie dann jedoch einräumen, mit Westenthaler darüber nicht gesprochen zu haben. Sie vermute, dass er davon gewusst habe, relativierte die 45-Jährige.

Westenthaler und Kornhof lassen Aussage von "Kronzeugin" nicht gelten

Westenthaler und Kornhoff bzw. ihre Rechtsvertreter ließen die Darstellung der "Kronzeugin der Anklage" unter Verweis auf die festgestellten Zahlungsflüsse grundsätzlich nicht gelten: Im März 2004 hatte die Bundesliga zunächst 500.000 Euro aus der Sonder-Förderung erhalten. Die zweite Rate von 450.000 Euro wurde erst am 11. August 2004 und damit einen Tag nach dem Ausscheiden von Westenthaler und Kornhoff aus der Bundesliga überwiesen. Die restlichen 50.000 Euro erhielt die Bundesliga überhaupt erst im Februar 2005. Die Finanzschuld sei aber bereits im Mai 2004 abbezahlt worden, weshalb es keinen Konnex zur angeblich missbräuchlich verwendeten Millionenförderung gebe.

Ebenfalls nicht unwidersprochen ließen die Verteidiger die Behauptung der Zeugin, die Million wäre nicht - wie vorgesehen - im sogenannten Österreicher-Topf gelandet und damit den Bundesliga-Vereinen zugekommen. Kralik machte vehement darauf aufmerksam, dass bereits am 7. April 2004 weit über 100.000 Euro aus dem Österreicher-Topf ausgeschüttet wurden. Als die Förderung abgerechnet wurde, habe ausgerechnet die Zeugin selbst eine Aufstellung erstellt, derzufolge die Bundesliga-Vereine nach den ersten neun Runden in der betreffenden Saison über eine Million aus dem Österreicher-Topf lukriert hätten.

Ex-ÖFB-Präsident Friedrich Stickler spricht von "Nachtrag-Vertrag"

Zuvor hatte Friedrich Stickler, Vorstandsdirektor der Österreichischen Lotterien und von 2002 bis 2008 Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB), erklärt, Westenthaler habe bei einem Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schlüssel einen "Nachtrag-Vertrag" zu einer Förderung erwirkt. Westenthaler habe im Hinblick auf die Fußball-EM 2008, die an Österreich und die Schweiz vergeben worden war, eine zusätzliche Million für die Bundesliga bzw. ihre Vereine zugesichert bekommen.

Die Vereine hätten sich immer wieder über zusätzliche Aufwendungen aufgrund der "Challenge 2008" - Spieler mussten abgestellt, ein höherer Betreuungsaufwand geleistet werden - beschwert, nicht zuletzt deshalb sei ihm die erweiterte Unterstützung willkommen gewesen: "Für mich war jede Zusatzförderung wie ein Geschenk des Himmels. Es war meine absolute Zielsetzung, diese Spieler, diese Mannschaft (gemeint: das Nationalteam, Anm.) so gut als möglich vorzubereiten." Er habe es begrüßt, die Bundesliga "zufriedener zu machen", so Stickler: "Man konnte sie nicht zufrieden machen. Aber zufriedener."

Der ÖFB war nur "reiner Durchläufer"

Ausgeschüttet wurde die Million zunächst an den ÖFB, weil man - wie Stickler dem Schöffensenat darlegte - sie aus formalen Gründen nicht unmittelbar der Bundesliga zukommen lassen konnte. Das Fördergesetz sei dem im Weg gestanden. Der ÖFB sei aber "reiner Durchläufer" gewesen und habe das Geld der Liga weitergeleitet, die es zur Dotierung des sogenannten Österreicher-Topfes verwendete.

Die Bundesliga sei "verpflichtet gewesen, diesen Leistungsnachweis zu erbringen", also dem ÖFB die Verwendung der Million für den Österreicher-Topf zu belegen, betonte Stickler. Der ÖFB habe dem Bund die vorgelegten Unterlagen weiter gereicht. Dass mit der Million eine Finanzschuld getilgt werden sollte, sei nicht Thema gewesen: "Es ist nie ein Zusammenhang hergestellt worden mit irgendwelchen Finanzverbindlichkeiten." Im Förder-Vertrag sei "ganz genau beschrieben gewesen, dass es um die 'Challenge 2008' geht und um sonst nichts". Er könne "ausschließen", dass es Beschwerden gegeben hätte, die Million wäre nicht widmungsgemäß verwendet worden: "Dann hätte ich sofort reagieren müssen."

Stickler kommt noch einmal dran

Stickler wird im Westenthaler-Prozess noch ein zweites Mal aussagen. Ende November muss er unter Wahrheitspflicht zu den 300.000 Euro Stellung nehmen, welche die Lotterien im Sommer 2006 der BZÖ-eigenen Agentur "Orange" für ein laut Anklage inhaltlich wertloses Pseudo-Gutachten zukommen ließen. In diesem Zusammenhang steht der Verdacht im Raum, der langjährige Chef der Casinos Austria AG, Leo Wallner, habe sich damit das Wohlwollen des BZÖ "erkaufen" wollen. Wallner wurde wegen Untreue zur Anklage gebracht, Westenthaler als Beitragstäter. Der 78-jährige Wallner ist gesundheitlich schwer angeschlagen und derzeit nicht verhandlungsfähig. Daher wird ohne ihn verhandelt.

Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag mit weiteren Zeugenbefragungen zum Bundesliga-Komplex fortgesetzt.

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>> Zeugen im Bundesliga-Prozess am Wort

apa