21.11.2014 18:58 Uhr

DFL-Chef feuert Breitseite auf FIFA ab

DFL-Chef Christian Seifert distanziert sich mit deutlichen Worten vom Weltverband FIFA und dessen Präsidenten Joseph S. Blatter. Der Liga-Verband fühle sich "von dieser FIFA nicht mehr vertreten, man fühlt sich da auch nicht mehr zugehörig", betonte Seifert nach den ständigen Skandalnachrichten um die WM-Vergaben 2018 und 2022 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

"Man weiß nicht mehr, ob man sich wundern oder fremdschämen soll", sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL). Leider habe sich das Gefühl "noch nicht in allzu vielen Ländern durchgesetzt", denn viele Funktionäre der 209 Mitgliedsverbände "leben vom System FIFA seit Jahren hervorragend". Man müsse leider davon ausgehen, dass in vielen dieser Länder "andere Ethikmaßstäbe gelten als bei uns".

Der deutsche Fußball sehe Blatters erneute Kandidatur um den FIFA-Vorsitz "aus vielen, guten Gründen sehr, sehr skeptisch", sagte Seifert. Man müsse sich gegen die FIFA "dringend Maßnahmen überlegen", forderte der 45-Jährige und nahm den Präsidenten des europäischen Verbandes UEFA in die Verantwortung: "Der einzige, der wirklich den Schlüssel in der Hand hält, ist Michel Platini." 

Europas Verbände müssen mit einer Stimme sprechen

Einen möglichen WM-Boykott hält Seifert für "die wirkungsvollste Waffe", eine Umsetzung hält er aber für kaum möglich. Wenn die großen europäischen Fußballnationen einen Boykott planen würden, "dann wäre das Kapitalismus in Reinform", meinte Seifert. "Dann würde der europäische Fußball seine geballte ökonomische Macht ausspielen, und alle würden schreien: Europas Fußball nimmt Afrika und Asien in Geiselhaft!"

Seifert bezweifelt auch, dass der deutsche Fußball mächtig genug ist, um die FIFA unter Druck zu setzen: "Wenn der Vorreiter nur erreicht, dass er als erstes aus dem Sattel geschossen wird, weil ihm keiner hinterher reitet, dann bringt das der Sache relativ wenig." Deshalb sei es "dringend nötig, dass sich der europäische Fußball schleunigst auf eine gemeinsame Position einigt".

Ligapräsident Reinhard Rauball hatte vergangene Woche einen Austritt der UEFA aus der FIFA ins Gespräch gebracht. "Wenn diese Krise nicht glaubwürdig gelöst wird, muss man sich auch über die Frage unterhalten, ob man in der FIFA überhaupt noch gut aufgehoben ist", hatte Rauball dem kicker gesagt.

Verbände und Politik haben die Nase voll

Auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann wetterte gegen die Verschleppungstaktik rund um die umstrittene Vergabe der Weltmeisterschaften. "Die ganze Sache ist sehr unerfreulich. Es wäre schön, wenn dieser ganze Vorgang der Vergabe irgendwann geklärt, sauber kommuniziert und schließlich beendet wird", sagte er der Deutschen Presse-Agentur und ergänzte mit einem Seitenhieb gegen FIFA-Präsident Joseph Blatter: "Jede Organisation hat die Führung, die sie verdient."

Hörmann räumte ein, dass das derzeitige Chaos in der FIFA durchaus Einfluss auf die Bewerbung von Berlin oder Hamburg um die Olympischen Spiele 2024 haben könne. "Alles, was da an Negativem kommt, birgt die Gefahr, dass der Bürger nicht sauber zwischen den Organisationen trennt", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Auch die deutsche Politik befürchtet negative Auswirkungen auf die deutsche Olympia-Bewerbung. In Briefen an DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und den FIFA-Spitzenfunktionär Theo Zwanziger fordern Abgeordnete der Grünen eine vollständige Veröffentlichung des Reports von Chefermittler Michael Garcia. Anderenfalls bleibe die FIFA "ein Synonym für Intransparenz, Korruption und Vetternwirtschaft", heißt es in den Schreiben von Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und dem sportpolitischen Sprecher Özcan Mutlu.

Darüber hinaus monieren sie, dass der "Eindruck fehlender Selbstkontrolle internationaler Sportverbände einen langen Schatten auf die Diskussion um eine Bewerbung Deutschlands für Olympische Spiele" werfe.

Kaum Glaube an Aufklärung durch Scala

Dass sich nun in Domenico Scala ein weiterer FIFA-Kontrolleur mit der Aufklärung des Skandals beschäftigen soll, wirft gleich mehrere Fragen auf: Spielen die Beteiligten auf Zeit? Soll die Wiederwahl von Präsident Joseph Blatter im Mai 2015 nicht mit FIFA-unerfreulichen Erkenntnissen gefährdet werden? Wann herrscht Klarheit darüber, was vor der Wahl im Dezember 2010 passierte? Gegen wen ermittelt die Untersuchungskammer?

Die Korruptionsbekämpferin Sylvia Schenk sieht die Personalie Scala mit deutlicher Skepsis. "Es geht darum juristisch herauszufiltern, was darf veröffentlicht werden. Wie sich da ein Nicht-Jurist zurechtfinden soll, ist mir schleierhaft", sagte die Frankfurterin, die bei Transparency International Deutschland die Arbeitsgruppe Sport leitet, bei Sky Sport News HD. Es sei unzumutbar, dass das Exekutivkomitee "nur gefilterte Aussagen" bekomme. Der ehemalige FIFA-Integritätsberater Mark Pieth warnte davor, dass Exko-Mitglieder selbst in dem Garcia-Bericht vorkommen könnten und an einer Aufklärung nicht interessiert wären: "Das wäre eine Peinlichkeit mehr".

sid/dpa