28.11.2014 11:06 Uhr

Japan: Vierkampf um den Titel

Zweikampf um den Titel: Gambas Hiroyuki Abe (l.) gegen Urawas Tomoaki Makino
Zweikampf um den Titel: Gambas Hiroyuki Abe (l.) gegen Urawas Tomoaki Makino

88. Minute im Spiel Urawa Red Diamonds gegen Gamba Osaka: Der Tabellenführer empfängt den Zweiten. Die Gäste greifen noch einmal über die linke Seite an. Von dort bekommt Akihiro Sato die Kugel mustergültig serviert und schiebt sie unhaltbar für Shusaku Nishikawa in die rechte untere Ecke! An der Seitenlinie sinken die Ersatzspieler der Gastgeber verzweifelt zu Boden. Sie wissen: Im Kampf um den Titel wird es nun wieder richtig spannend.

Am Ende entscheidet Gamba die Partie sogar mit 2:0 für sich und rückt vor dem vorletzten Spieltag bis auf zwei Punkte an Urawa heran. Anstatt nach einem eigenen Erfolg bereits den Titel zu feiern, müssen die Diamonds nun wieder zittern: Gleich drei Klubs haben die Chance, den Spitzenreiter noch abzufangen. Hinter Osaka lauern auf Rang drei die Kashima Antlers. Die Ostjapaner haben vier Zähler Rückstand auf die Spitze. Einen Punkt dahinter liegt Sagan Tosu.

Der Trend spricht für Osaka

Während Kashima und Tosu auf Ausrutscher gleich mehrerer Konkurrenten hoffen müssen und deshalb wohl nur noch Außenseiterchancen haben, kann sich Osaka durchaus realistische Titel-Hoffnungen machen. Von den vier Meisterschafts-Anwärtern hat Gamba auf dem Papier das leichteste Restprogramm: Die Mannschaft aus der Stadt Suita spielt noch gegen den Tabellenzehnten und das abgeschlagene Schlusslicht Tokushima. Die Red Diamonds müssen dagegen unter anderem noch gegen Sagan ran.

Die aktuelle Verfassung des Teams spricht ebenfalls für Gamba: Osaka scheint gerade rechtzeitig zum Saisonendspurt in Form zu kommen, während Urawa offensichtlich die Puste ausgeht: Aus den vergangenen fünf Partien hat der Spitzenreiter schlappe fünf Punkte geholt - beim direkten Verfolger waren es im gleichen Zeitraum derer zehn.

Der Fußball auf dem Weg zum Volkssport

Nicht nur wegen des spannenden Titelrennens erlebt die J.League einen Boom. Das Topspiel am drittletzten Spieltag verfolgten knapp 57.000 Fans im Stadion, auch insgesamt liegt der Zuschauerschnitt in der laufenden Saison für japanische Verhältnisse auf einem konstant hohen Level. Ein Grund für die große Beliebtheit der höchsten Spielklasse ist das in den letzten Jahren deutlich gestiegene fußballerische Niveau.

Vorbei die Zeit, in der alternde Kicker aus dem Ausland das Geschehen in der Liga bestimmten. Seit der Saison 2009 dürfen die Mannschaften nur noch eine begrenzte Anzahl an Legionären einsetzen und müssen verstärkt auf japanische Talente bauen. Was sich nach unbeliebtem Zwang anhört, hat sich für den japanischen Fußball als echter Glücksfall erwiesen: Die J.League-Klubs haben ihre Nachwuchsarbeit sukzessive verbessert und verfügen über hochprofessionelle Jugendakademien, aus denen regelmäßig vielversprechende Jungprofis den Sprung in ein Erstliga-Team schaffen.

Die enorme Bedeutung einheimischer Spieler in den einzelnen Mannschaften lässt sich beispielhaft an der klub-internen Torschützenliste der Urawa Red Diamonds ablesen: Dort finden sich ausschließlich Akteure mit japanischem Pass wieder.

Japanische Fußballer als Exportschlager

Die gestiegene Qualität der Nachwuchsarbeit im Land der aufgehenden Sonne hat sich längst auch jenseits von Asien herumgesprochen: Japanische Spieler sind in den letzten Jahren zum Exportschlager geworden und schaffen immer häufiger den Sprung in die großen europäischen Ligen. Zum Vergleich: Spielte in der Saison 2009/2010 mit Makoto Hasebe nur ein einziger Japaner in der Bundesliga, sind mittlerweile 13 Akteure aus dem Inselstaat im Oberhaus des deutschen Fußballs aktiv. Diese sind keinesfalls nur Mitläufer, sondern zum Teil echte Leistungsträger ihrer Mannschaften. So ist Shinji Okazaki aus dem Angriff des 1. FSV Mainz 05 derzeit nicht wegzudenken und Shinji Kagawa gehört bei Borussia Dortmund ebenfalls zum Stammpersonal.

Bei so viel nachweislicher Klasse werden auch an diesem Wochenende wohl wieder viele Scouts europäischer Topklubs auf den J.League-Tribünen sitzen und nach vielversprechenden Akteuren Ausschau halten. Am Samstag öffnet sich der Vorhang zum vorletzten Akt im Titelrennen. Halten die Urawa Red Diamonds dem Druck stand? Der Spitzenreiter spürt den Atem der Konkurrenz im Nacken.

Thomas Eßer

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