18.12.2014 17:20 Uhr

Verkehrsjurist: Reus hat gut gehaushaltet

Markus Schäpe ist Jurist beim ADAC in München und Leiter des Bereichs Verkehrsrecht
Markus Schäpe ist Jurist beim ADAC in München und Leiter des Bereichs Verkehrsrecht

Marco Reus soll mehrfach ohne Führerschein unterwegs gewesen sein. Doch obwohl er fünfmal wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt wurde und Bußgeldbescheide bekam, fiel nicht auf, dass er gar keine Fahrerlaubnis hatte.

Markus Schäpe, Verkehrsexperte und Jurist beim ADAC in München, erklärt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, wie das überhaupt möglich war.

Marco Reus ist laut Staatsanwaltschaft fünfmal wegen Tempoverstößen erwischt worden. Erst bei einer Verkehrskontrolle fiel auf, dass er gar keine Fahrerlaubnis hatte. Wie kann das sein?

Schäpe: In Flensburg werden die Bußgeldbescheide zwar eingetragen, aber es wird nicht abgeglichen, ob jemand überhaupt eine Fahrerlaubnis besitzt. Ein Abgleich erfolgt erst, wenn eine gewisse Punktegrenze überschritten wird. Dann wird die Führerscheinstelle informiert. Nach dem alten Bußgeldkatalog, der bis Ende April 2014 galt, gab es die erste Verwarnung bei acht Punkten. Das heißt, mit seinem Punktekonto scheint Marco Reus ganz ordentlich gehaushaltet zu haben. Der Fall zeigt aber auch: Er ist offenbar nur von feststehenden Geräten geblitzt worden. Denn wenn er von der Polizei angehalten worden wäre, hätte er die Fahrzeugpapiere und den Führerschein vorzeigen müssen.

Ist es nun überhaupt möglich, den Führerschein einfach nachzuholen?

Schäpe: Das hängt davon ab, was im Strafbefehl festgehalten ist. Normalerweise gibt es in diesen Fällen eine sogenannte isolierte Sperre. Das heißt, in einem gewissen Zeitraum kann man keine Fahrerlaubnis bekommen. Wenn Marco Reus das erspart geblieben ist, kann er sich bei der Fahrschule anmelden und die Ausbildung anfangen. Ob er aber zur Prüfung zugelassen wird, ist eine andere Frage: Mit den fünf Straftaten hat er gezeigt, dass ihm das Ganze in den vergangenen Jahren egal war. Und bei Eignungszweifeln sieht der Gesetzgeber eine medizinisch-psychologische Untersuchung vor. Hier könnte überprüft werden, ob sich die generelle Einstellung zum Straßenverkehr nun geändert hat.

Ist es möglich, einen Führerschein im Schnellverfahren zu bekommen?

Schäpe: Auch wenn es bei der Beherrschung des Fahrzeugs offenbar keine Probleme gibt, müsste Marco Reus die vorgeschriebene Anzahl an Pflichtfahrstunden absolvieren. Das heißt fünf Überlandfahrten, vier Fahrstunden auf der Autobahn und drei bei Dunkelheit.

Wie kommt der Strafbefehl von 90 Tagessätzen in einer Gesamthöhe von 540 000 Euro zustande?

Schäpe: Ein Tagessatz stellt in Deutschland immer ein Dreißigstel des monatlichen Netto-Einkommens dar. Die Staatsanwaltschaft geht offenbar bei Marco Reus von einem monatlichen Nettoeinkommen von 180 000 Euro aus, der Tagessatz beträgt also 6000 Euro. Das hochgerechnet auf drei Monatsgehälter, also 90 Tage, ergibt 540 000 Euro.

Was müsste jemand aus unteren Gehaltsklassen im Vergleich zahlen?

Schäpe: Wenn man davon ausgeht, dass jemand ein monatliches Netto von 1200 Euro hat, dann läge der Tagessatz bei 40 Euro, multipliziert mit 90 kommt man auf 3600 Euro.

Ab einer Strafe von 91 Tagessätzen wäre Marco Reus vorbestraft gewesen. Fällt die Strafe also noch vergleichsweise mild aus?

Schäpe: Bei jemandem, der wiederholt und nachweislich mehrere Fahrten ohne Führerschein gemacht hat, sind 90 Tage der gängige Tarif. Höhere Strafen werden nur verhängt, wenn jemand wegen ähnlicher Delikte schon vorbestraft ist. Wenn es sich dagegen um Ersttäter handelt, das heißt ein Elternteil lässt seinen Sohn oder Tochter auf einem Supermarktparkplatz ans Steuer, würde die Strafe eher bei 30 bis 45 Tagessätzen liegen.

dpa