15.01.2015 10:47 Uhr

Torres-Rückkehr als Mittel zum Zweck

Ferndando Torres spielt wieder im Trikot von Atlético Madrid Fußball
Ferndando Torres spielt wieder im Trikot von Atlético Madrid Fußball

Mit der Rückholaktion von Fernando Torres gelang Atlético Madrid ein spektakulärer Coup, der sportlich kaum Sinn macht. Dem Verein dient der Transfer vielmehr als Mittel zum Zweck - zur Besänftigung der eigenen Anhänger.

Wenn 40.000 Zuschauer an einem spielfreien Tag in ein Stadion pilgern, muss der Anlass ein besonderer sein. Die Rückkehr von Fernando Torres zu seinem Jugendklub Atlético Madrid fällt zweifelsfrei in diese Kategorie. "Wir haben seit dem 4. Juli 2007 auf diesen Tag gewartet", verkündete Präsident Enrique Cerezo bei der pompös inszenierten Präsentation des Winter-Neuzugangs dementsprechend stolz und voller Vorfreude.

Dass der Fernando Torres von heute nicht mehr mit dem von damals zu vergleichen ist, spielte für die Fans an diesem Tag keine Rolle. Das Vicente Calderon lag dem "Jungen" wieder zu Füßen. Wie schon zwischen 2000 und 2007, als er dem Klub neues Leben einhauchte und die Colchoneros von der zweiten Liga bis in die obere Tabellenhälfte der Primera División schoss. Ob der bald 31-Jährige seinen alten und neuen Verein sportlich weiterbringt, ist allerdings mehr als fraglich.

Glückloses Debüt gegen den Erzrivalen

Umso erstaunlicher war die Maßnahme von Trainer Diego Simeone, den Stürmer ausgerechnet im Pokalhinspiel gegen den Erzrivalen Real Madrid in die Startelf zu berufen. Mario Mandžukić (15 Pflichtspieltore) musste seine Position für den "Neuen" räumen. Um seinen Stammplatz bangen müssen dürfte der Ex-Münchener dagegen nicht, wie Torres' erster Auftritt im Trikot der Rot-Weißen zeigte.

Der Rückkehrer war bemüht, agierte aber glücklos. Er setzte kaum Akzente, fiel hauptsächlich durch einige Abseitsstellungen auf und gab nicht einen Torschuss ab. So in etwa haben ihn vor allem die Fans des FC Chelsea in Erinnerung, wo der Anfang 2011 für 58 Millionen Euro von Liverpool zu den Blues gewechselte Welt- und Europameister 110 Ligaspiele brauchte, um magere 20 Tore zu erzielen.

Die Erleichterung an der Stamford Bridge war förmlich mit Händen zu greifen, als man mit dem AC Mailand im Sommer endlich einen Abnehmer für das einstige Wunderkind gefunden hatte.

Verlorene Monate in Mailand

Glücklich wurde Torres aber auch in Italien nicht, wie die Zahlen eindrucksvoll belegen: Zehn Mal kam er für die Rossoneri zum Einsatz, kein einziges Mal stand er über 90 Minuten auf dem Platz und erzielte lediglich ein einziges Tor. Selbst an einem eher mäßig begabten Stürmer wie Jérémy Ménez kam der Spanier in den letzten Monaten nicht vorbei.

Eine national und international ambitionierte Mannschaft wie Atlético Madrid bringt die aktuelle Version des "El Niño" erst recht nicht weiter. Dessen sind sich auch die Verantwortlichen der Rojiblancos bewusst. Deshalb, so vermuten Insider, ging es ihnen bei der Rückholaktion auch nicht unbedingt darum, den Kader qualitativ zu verbessern. Warum sonst erklärte Cerezo zu Beginn der Saison, eine Torres-Verpflichtung stehe nicht auf der Agenda? Dass der Verein jetzt doch von seiner Marschroute abgerückt ist, hat offensichtlich andere Gründe und ist eng mit den tragischen Vorfällen im November verknüpft.

Liebesentzug der eigenen Fans

Seit den schweren Ausschreitungen rund um das Ligaspiel gegen Deportivo La Coruña, bei denen ein Depor-Fan ums Leben kam, wurde die mächtige und lautstarke Ultra-Gruppe "Frente Atlético" vom Verein sanktioniert. Den Ultras wurden Privilegien entzogen, die sie über Jahre innegehabt hatten. Ein Großteil der Fans reagierte daraufhin mit einem Stimmungsboykott und blieb den folgenden Spielen fern.

Lediglich 37.000 Besucher sahen die Partie gegen Villarreal – ein neuer Minusrekord für ein Liga-Heimspiel in dieser Saison. Eine Woche später waren es im Pokalspiel gegen den Drittligisten CE L'Hospitalet gar nur 5.000 Zuschauer – so wenig wie seit vier Jahren nicht. Dass beide Spiele nicht gewonnen wurden, scheint kein Zufall zu sein.

Spielertausch als Mittel zum Zweck?

Der Verein, der sich wie kaum ein anderer auf der iberischen Halbinsel über Kampf, Leidenschaft und Zusammenhalt definiert, musste reagieren – und entschloss sich, Sommer-Neuzugang Alessio Cerci für Fernando Torres einzutauschen. Die Aktion verfehlte ihre Wirkung nicht. Kaum hatte Atlético die Verpflichtung bekannt gegeben, strömten die Fans wieder ins heimische Stadion.

Binnen kürzester Zeit gingen Tausende Trikots mit der Nummer 19 über die Ladentheke. Obwohl der Liebling der Massen noch nicht spielberechtigt war, war das Vicente Calderon gegen die graue Maus aus Levante fast ausverkauft. Wenige Tage später sorgten die Zuschauer gegen Real Madrid wieder für die berüchtigte Gänsehaut-Atmosphäre, die Atlético vom Stadtrivalen Real und dem FC Barcelona abhebt.

Spätherbst in der Zuschauerrolle?

Zwar hat Diego Simeone immer wieder betont, "El Niño" sei eine Bereicherung für seine Mannschaft und werde helfen, die Ziele zu erreichen. Ob er das in der Rolle des toreschießenden Stürmers auf dem Platz tun wird, ließ der Trainer dagegen offen. Immerhin stehen Simeone mit dem Duo Mandžukić/Griezmann zwei formidable Knipser zur Verfügung, die ihre Klasse in dieser Saison schon mehrfach unter Beweis gestellt haben.

Daher könnte Fernando Torres bereits im Pokal-Rückspiel gegen Real Madrid (heute ab 20 Uhr im Liveticker) wieder ins zweite Glied rücken. Dorthin, wo er die vergangenen Jahre seiner Karriere erlebte und womöglich auch den Spätherbst seiner Laufbahn verbringen wird. Der Zuneigung der Fans kann er sich allerdings auch dort sicher sein.

Christian Schenzel