16.01.2015 10:00 Uhr

Aus für den "bezahlten Feierabendfußballer"?

Haben die Spieler des FK Pirmasens künftig keinen Grund mehr zu jubeln?
Haben die Spieler des FK Pirmasens künftig keinen Grund mehr zu jubeln?

Der zu Jahresbeginn eingeführte flächendeckende, gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro hat im deutschen Amateursportbereich, vor allem im Fußball ab der Viertklassigkeit, eine ganze Menge an Fragen und Streitpunkten aufgeworfen, die bislang noch nicht zweifelsfrei ausgeräumt wurden. Vor allem auf Seiten der Klubs in den oberen Amateurklassen gibt es noch einigen Klärungsbedarf bei Detailfragen.

weltfussball sucht Antworten und hat mit allen betroffenen Stellen - dem Bundesarbeitsministerium, dem DFB, den Landesverbänden, der Spielergewerkschaft und den Fußballvereinen – Kontakt aufgenommen. Ein Lagebericht.

Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn gilt seit dem 1. Januar 2015 bundesweit. Und das auch für Sportler, die ein vertraglich vereinbartes Arbeitsverhältnis mit ihrem Klub eingegangen sind. Die Regelung ist im Prinzip eindeutig im Gesetzestext formuliert: "Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde", heißt es.

Auf den Fußball bezogen gelten Ausnahmen nur für Vertragsspieler unter 18 Jahren. Und für Sportler, die sich als ehrenamtlich Tätige verstehen; denn im Ehrenamt gibt es auch 2015 keinen Mindestlohn ("Von diesem Gesetz nicht geregelt wird die Vergütung von (…) ehrenamtlich Tätigen" (§22, Absatz 3 Mindestlohngesetz).

Genau an diesem Punkt gewinnt die Mindestlohnthematik auf einmal an Brisanz und Fahrt. Wer spielt ehrenamtlich Fußball und wer nicht? Wo hört ehrenamtliches Engagement auf und wo fängt finanzielles Gewinnstreben an? Lässt sich überhaupt eine generelle Einteilung vornehmen, wer ehrenamtlich Fußball spielt und damit aus der Mindestlohnregelung herausfiele?

Ja meinen die einen, Nein meinen die anderen. Und die Vereine sind Stand Mitte Januar vor allem eines: verunsichert.

Ehrenamt oder Gewinnstreben? Hier gehen die Meinungen auseinander

DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel stellte kurz nach Neujahr auf der Website des DFB klar: "Es gilt das Gleiche wie beim klassischen Ehrenamt: Auch Amateur- und Vertragsspieler fallen nicht unter den Arbeitnehmerbegriff, wenn ihre ehrenamtliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Mittelpunkt steht." Demnach müssten die Vereine gemeinsam mit ihren Vertragsspielern festlegen und festhalten, dass sie aus ehrenamtlichen Motiven in Regional-, Landes- oder Kreisliga auflaufen und wären von der Mindestlohnregelung befreit.

Völlig anders sieht das aber Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV), der "Spielergewerkschaft" im Deutschen Fußball, im Gespräch mit weltfussball: "Der Mindestlohn gilt nach unserer Rechtsauffassung zweifelsfrei für alle Fußballer, die als Vertragsspieler beim Verband registriert sind. Vertragsspieler sind keine ehrenamtlich Tätigen! Darüber kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben. Ein Vertragsspieler hat das Recht auf den Mindestlohn von 8,50 Euro, ohne Wenn und Aber!" Die Ausnahme des Ehrenamtes gelte demnach nur für Übungsleiter vor allem in den Jugendabteilungen der Vereine, da diese zweifelsfrei einer Tätigkeit zur Förderung des Allgemeinwohls nachgehen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales äußerte sich auf Anfrage ebenfalls ziemlich eindeutig: "Eine Ausnahme für (Amateur-)Fußballspieler sieht das Gesetz nicht vor. Falls Fußballvereine ihre (Amateur-)Fußballspieler tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis beschäftigen, wäre diese Tätigkeit seit dem 1. Januar 2015 mit dem Mindestlohn zu vergüten", so Sprecher Dominik Ehrentraut.

Das Modell der 250-Euro-Verträge steht auf der Kippe

Genährt werden damit zweifelsohne die Sorgen der Vereine, künftig auf arge Finanzierungsprobleme zu stoßen, wenn es um die Bezahlung der Vertragsspieler geht. Beispielhaft hierzu äußerte sich Patrick Hildebrandt, Geschäftsführer des Regionalligisten FK Pirmasens (Regionalliga Südwest), dessen Klub wie viele andere auch bislang das Gros der Vertragsspieler mit 250-Euro-Verträgen ausstattete, was seit Juli 2011 die Mindestvergütung war: "Wenn man das umrechnet mit den Trainings- und Spielzeiten der Akteure, passt das mit dem Mindestlohn vorne und hinten nicht. Wir haben knapp 40 Vertragsspieler in der ersten und zweiten Mannschaft. Es ist noch nicht endgültig entschieden, wie wir in Zukunft agieren werden, aber ich sehe unter den jetzigen Umständen den Spielbetrieb in Gefahr."

Auch zum Thema Ehrenamt im oberen Amateurfußball hat Hildebrandt eine klare Meinung: "Bei dem Aufwand, den die Spieler hier betreiben, ist es schwierig, es als ehrenamtliche Tätigkeit aussehen zu lassen. Das funktioniert in der Praxis doch nicht!" In das gleiche Horn stießen auf Nachfrage auch Verantwortliche des FC Unterföhring (Bayernliga) oder der Hammer Spielvereinigung (Oberliga Westfalen).

Definition von Arbeitszeit birgt Konfliktpotenzial

Gilt der Mindestlohn also für alle Akteure, die vertraglich fixiert bei einem Fußballklub beschäftigt sind, bleibt noch die Frage nach der genauen Definition von "Arbeitszeit" im Amateurfußball.

Manuel Prieler, technischer Leiter beim FC Unterföhring, erklärt das Problem der Vereine: "Das entscheidende Kriterium sind die Anfahrtszeiten. Zählen diese dazu oder nicht? Wenn die Fahrzeiten dazu zählen, dann laufen einige Vereine vor Probleme. Zählt nur die Netto-Trainings- und Spielzeit, dann wird es keinen großen Unterschied machen bei dreimal Training in der Woche."

Das Problem der genauen zeitlichen Erfassung ist auch auf Verbandsebene bekannt. Hierzu meinte der Geschäftsführer des Südwestdeutschen Fußballverbandes Michael Monath: "Es besteht hier noch Definitionsbedarf, um den Vereinen Rechtssicherheit zu geben. Man kann aus unserer Sicht noch keine einhundertprozentige Empfehlung abgeben."

Auch hier ist es die Spielergewerkschaft VdV, die sich festlegt: "Nach unserer Rechtsauffassung zählen Spielzeit, Trainingszeit, aber auch das Umziehen, die Besprechungen und Fahrzeiten zum Beispiel zu Auswärtsspielen zur nachzuhaltenden Arbeitszeit", erläutert Ulf Baranowsky. Konkret wird also alles bis auf die private An- und Abreise zur heimischen Sportstätte als Arbeitszeit verstanden. VdV-Mann Baranowsky: "Das sind Grundsätze des Arbeitsrechts!"

Kaderfinanzierung auf dem Prüfstand

Es deutet vieles darauf hin, dass die Vereine sich tatsächlich mit einer neuen Gehalts- und Vergütungsstruktur in ihren Mannschaften mit Vertragsspielern auseinanderzusetzen haben. "Wir werden bei uns Vertrag für Vertrag durchgehen und dann sehen, ob und wo wir reagieren müssen. Da keine Erhöhung des Etats möglich ist, müssen wir dann eventuell Kostenreduzierungen an anderen Stellen vornehmen. Sämtliche Kosten auch im Bereich der Organisation und der Verwaltung werden unter die Lupe genommen. Leider kommt ja auch kein Sponsor vorbei und sagt: Okay, ich übernehme für euch den finanziellen Mehraufwand durch das MiLoG", stellte Dirk Blumenkemper als Abteilungsleiter des Oberligisten Hammer Spielvereinigung den Fahrplan seines Vereins vor.

Das Rechenmodell, welches die weitere Vergütung der Vertragsspieler auf dem untersten 250-Euro-Level vorsieht, hinkt jedenfalls an allen Ecken und Enden. Es passt nur bei einer Wochenstundenzahl von sieben. Alleine bei Auswärtsfahrten kommen diese sieben Stunden schnell mal an einem Tag zusammen.

Da laut Definition von VdV-Justiziar Dr. Frank Rybak auch die Fahrten ab dem Mannschaftstreffpunkt zu "dienstlich veranlassten Tätigkeiten" zählen, geht die 250-Euro-Rechung bei keinem höherklassigen Amateurverein mehr auf. Das abschließende Urteil von Ulf Baranowsky: "Die Vereine werden es sich überlegen, in welchem Rahmen sie 'bezahlte Feierabendfußballer' noch aufnehmen wollen."

Dass es auch noch ganz anders geht, belegt ein erfrischendes Beispiel aus dem hohen Norden: Horst Neugebauer, Kassierer des Bremer Oberligisten TuS Schwachhausen, bestätigt: "Bei uns bekommen die Spieler gar kein Geld. Die einzigen, die bei uns bezahlt werden, sind der Trainer und der Platzwart. Wir sehen uns als Breitensportverein auch auf diesem höheren Niveau und zahlen keine Gehälter oder Prämien. Die Mindestlohnregelung betrifft uns daher glücklicherweise nicht."

Mehr dazu:
>> Mindestlohn: Probleme im Amateurfußball

Mats-Yannick Roth