31.01.2015 09:00 Uhr

David Moyes: Beinahe wie bei Everton

Nach seinem Scheitern bei Manchester United versucht David Moyes, Real Sociedad langfristig zu einem Spitzenklub zu formen. Parallelen zu seiner Ägide bei Everton liegen auf der Hand - ganz komplikationslos ist die Aufgabe jedoch nicht, sein Standing muss er sich erst erarbeiten.

"Selbst ein Tor schießen und dann mit der ganzen Mannschaft bis zum Tod verteidigen!" Selten ist die Devise von David Moyes so gut aufgegangen wie an diesem Abend: Bereits in der 2. Minute ging Real Sociedad gegen den großen FC Barcelona in Führung – und gab diese bis zum Schlusspfiff nicht mehr her. Die Basken, ihrerseits 14. der Tabelle, haben eine der besten Mannschaften der Welt geschlagen.

Attraktiver Fußball hin oder her, die Medien feierten den Trainer für diese taktische Meisterleistung Anfang Januar. David Moyes war in der spanischen Eliteklasse angekommen.

Angesichts der jüngeren Vergangenheit waren die Fähigkeiten des mittlerweile 51-Jährigen zuletzt in Vergessenheit geraten. Immerhin wurde er im April 2014 nach nicht einmal einem Jahr als Trainer von Manchester United vor die Türe gesetzt. Mit den Red Devils ins Mittelmaß abgerutscht, die Qualifikation für die Champions League erstmals seit 1995 verpasst – im klassischen Sinne gescheitert.

Parallelen zu Everton

Ein halbes Jahr lang war Moyes ohne Job. Eine Zeit, die er brauchte, um in sich zu gehen. Mitte November 2014 kam er zurück auf die Fußballbühne. Erstmals wagte der Schotte den Schritt von der Insel und begann bei Real Sociedad sein Abenteuer Ausland in der seiner Meinung nach "klar besten Liga der Welt". Die Basken hatten wenige Tage zuvor Jagoba Arrasate entlassen, lagen auf Rang 19 der Tabelle. Eine schwierige Mission, doch genau das Richtige für den Motivator.

Schon bei seiner Vorstellung zeigte sich Moyes begeistert von seinem neuen Klub: "Real Sociedad hat mein Herz erobert. Vieles hier erinnert mich an Everton." Interessant, dass der Trainer sofort eine Parallele zu den Toffees zog. Mit diesem sprachlichen Kniff machte er klar, woran er gemessen werden wollte: Das Kapitel United wollte er hinter sich lassen und wieder so erfolgreich arbeiten, wie er es elf Jahre (2002-2013) bei Everton getan hat.

In der Tat gibt es Parallelen zwischen "La Real" und seinem Herzensverein in Liverpool: Auch die Toffees waren ein Traditionsklub, dessen große Erfolge weit zurück lagen und der zur Zeit seiner Übernahme am Boden lag (damals 16., punktgleich mit einem Abstiegsplatz). Ähnlich wie er bei Everton im Windschatten eines anderen lokalen Riesen (Liverpool) arbeitete, ist Real Sociedad hinter Athletic Bilbao derzeit die klare Nummer zwei im Baskenland. Nicht einmal das Wetter ist eine allzu große Umstellung: Das Klima in San Sebastian ist derzeit näher an dem in Liverpool oder Manchester als beispielsweise in Marbella.

Komplikationen

Ganz so komplikationslos ist die Aufgabe jedoch nicht. In vielerlei Hinsicht musste sich Moyes auch umstellen: Im Gegensatz zu den immer gut gefüllten Stadien auf der Insel bleiben im Anoeta regelmäßig 10.000 Plätze frei. Außerdem umkurvt den Rasen eine Laufbahn, die Zuschauer sind deutlich weiter weg vom Geschehen. Ein Hexenkessel ist etwas anderes.

Dazu kommt die Sprachbarriere: Weder er noch sein Co-Trainer Billy McKinlay sprechen baskisch oder spanisch. Zwar funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Dolmetscher, dem Moyes im Spaß den Spitznamen "Mourinho" gegeben hat, gut, die Kommunikation mit seinen Spielern ist dennoch erschwert. Nach eigener Aussage wird der Schotte selbst auch erst im Sommer dazu kommen, die Sprache seines neuen Arbeitgebers fließend zu erlernen.

Dies passt in den Zeitplan, den Moyes für seine Mission aufgestellt hat: Alles ist auf Langfristigkeit ausgelegt. Im Gegensatz zu Manchester United muss bei den Basken nicht sofort zählbarer Erfolg her, am Ende des Jahres wird er (noch) nicht am Inhalt des Trophäenschranks gemessen.

Alles für die Defensive

Zumindest retten und ins Mittelfeld führen sollte er seinen Klub aber dennoch. Um das zu erreichen, setzt Moyes auf disziplinierte Defensivarbeit und eine ergebnisorientierte Spielweise. Mit Erfolg: Unter seinem Vorgänger hatte Real Sociedad in dieser Saison nie zu Null gespielt, in 13 Pflichtspielen unter Moyes bereits sechs Mal. An der Tabelle ist der Fortschritt erkennbar: Inzwischen hat sich Real Sociedad immerhin schon auf Rang elf verbessert.

Besonders mit der Beförderung des 22-jährigen Geronimo Rulli zur Nummer eins im Tor lag Moyes goldrichtig: Rulli zeigt starke Leistungen und war speziell gegen Barcelona der Sieggarant, als er alleine in den letzten zehn Minuten zwei Großchacen von Luis Suárez vereitelte.

"Das beste Ergebnis ist ein 1:0-Sieg"

Viel von der Spielidee des Trainers setzt das Team bereits um: "Erst einmal geht es darum, die Fitness zu verbessern. Wir müssen taktisch klug und variabel spielen, aber vor allem defensiv gut stehen", beschreibt der Schotte seine Vorstellung: "Das beste Ergebnis ist ein 1:0-Sieg. Wenn wir treffen und kein Tor kassieren, gewinnen wir. So einfach ist das."

Kein Wunder, dass unter dieser Idee das Offensivspiel leidet – und damit auch die Attraktivität. Bleiben Erfolge aus, könnte dies wie schon bei United zum Stolperstein werden. Nach der Heimniederlage zuletzt gegen Rayo Vallecano musste sich der Trainer erstmals Spottgesänge und Schmährufe der eigenen Fans anhören. Noch wird Moyes nicht geliebt, seinen Kredit muss er sich erst erarbeiten.

Eine gute Möglichkeit dazu bietet sich am Wochenende, dann wartet ein Highlight: Die Basken müssen zu Tabellenführer Real Madrid (Samstag, 16:00 Uhr im weltfussball-Liveticker). Mit welchem taktischen Konzept Real Sociedad das Spiel angehen wird, ist vorhersehbar. Ob dies allerdings zum Erfolg führt wie noch Anfang Januar beim sensationellen Sieg gegen Barça, bleibt abzuwarten.

Jochen Rabe