16.02.2015 11:39 Uhr

Gefangen im Stadion des Einhorns

Der RC Lens muss nach Amiens in das Stade de la Licorne ausweichen
Der RC Lens muss nach Amiens in das Stade de la Licorne ausweichen

Eine ganze Saison lang auswärts. Frankreichs Ex-Meister RC Lens durchlebt gerade die schlimmste Horrorvorstellung für jeden Fußballverein. Noch dazu ist man in einer fremden Stadt gefangen im Stadion des "Einhorns".

Racing Club de Lens, vor gar nicht allzu langer Zeit noch einer der großen Namen des französischen Fußballs. Meister und in der Champions League, dazu einer der absoluten Publikumsmagneten: "Les Sang et or" (Spitzname aufgrund der Vereinsfarben) gehörten zur Crème de la Crème im Land des ehemaligen Welt- und Europameisters.

Der Abstieg aus der Ligue 1 in der Saison 2010/11 war jedoch ein erheblicher Rückschlag für den Verein und auch die lokale Bevölkerung. Die Fußballer waren zuvor stets das große Aushängeschild für die krisengeplagte Stadt im Norden von Frankreich.

Der einst wichtige Steinkohlebergbau ist heute wirtschaftlich bedeutungslos. Hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende Abwanderung prägten die letzten Jahrzehnte. Umso bitterer war es, dass die Lieblinge der Stadt in die zweite Liga abstürzten. Im Vorjahr wurde jedoch der Wiederaufstieg gebührend gefeiert: Auch der Zuschauerschnitt von 31.016 Fans pro Heimspiel in der Ligue 2 konnte sich mehr als nur sehen lassen.

Die EM 2016 zwingt zum Auszug aus dem eigenen Stadion

Der Jubel war groß. Doch die Euphorie wurde gebremst durch die Probleme im Umfeld. Zunächst war dem Verein in zwei Instanzen der Aufstieg verweigert worden, weil man nicht die finanziellen Kriterien erfüllt hatte. Erst Ende Juli war ein erneuter Einspruch erfolgreich und Lens erhielt doch noch das Startrecht für das Comeback im Oberhaus.

Kurze Zeit später erfolgte jedoch der nächste Rückschlag, denn aufgrund der angespannten budgetären Situation wurde ein Transferverbot verhängt. Damit wurde auch Vereinsboss Hafiz Mammadov aus Aserbaidschan in die Pflicht genommen.
>> Der schwierige Aufstieg des RC Lens

Als ob dies noch nicht genug wäre, kam dann noch der Verlust des Heimvorteils. Das heimische Stade Félix-Bollaert ist einer der Austragungsorte für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich und wird deshalb seit Sommer 2014 einem Umbau unterzogen. Für RC Lens trotz aller Vorteile, welche die Modernisierung bringen wird, ein Horror-Szenario.

Man musste nicht nur das heimische Stadion, sondern auch die eigene Stadt verlassen. Ausweichquartier ist nun Amiens und das dortige Stade de la Licorne. Im Stadion des "Einhorns" (nach den Tieren im Stadtwappen und durch die Optik der prägnanten Dachkonstruktion) wurde RC Lens jedoch nie heimisch. Nur drei Heimsiege stehen dort zu Buche.

Gegen PSG und beim Derby ging es ins Stade de France

Da im "Einhorn" zudem nur rund 12.000 Zuschauer Platz finden, kommt die Heimstätte wider Willen auch für die großen Spiele nicht in Frage. So musste gegen PSG und im Nord-Derby gegen Lille ins Stade de France ausgewichen werden. Am 17. Oktober strömten gleich 70.785 Fans zum Vergleich mit Starensemble Paris Saint-Germain. Lens führte sensationell, doch am Ende ging der Favorit mit einem 3:1-Sieg vom Platz.

Auch gegen Lille kamen am 7. Dezember beachtliche 40.112 Zuschauer ins "Raumschiff" nach St. Denis, obwohl das Traditionsduell nicht in der eigenen Region gespielt werden konnte. Ein später Treffer rettete Lens dabei am Rande der Haupstadt zumindest einen Punkt.

Danach ging die Reise wieder zurück nach Amiens, wo es am Samstag eine 0:2-"Heimpleite" gegen Évian Thonon Gaillard setzte. Nach sechs sieglosen Spielen ist man in der Ligue 1 deshalb aktuell nur Vorletzter und damit auf einem Abstiegsplatz. Das "Einhorn"-Stadion brachte Lens bisher kein Glück, doch der Fight um den Klassenerhalt geht weiter. Der Ex-Austrianer Jocelyn Blanchard als Sportdirektor bürgt für Kampfgeist.

Wenn das eigene Stadion für die EM fertiggestellt ist, wäre es schade wenn darin ein bankrotter Zweitligist spielen würde.

Mehr dazu:
>> Ergebnisse und Tabelle Ligue 1

ct