19.02.2015 11:05 Uhr

Plötzlich Chef: Wenn der Neue schon da ist

Viktor Skripnik hat bei Werder eingeschlagen wie eine Bombe
Viktor Skripnik hat bei Werder eingeschlagen wie eine Bombe

Zinnbauer, Skripnik, Dardai und jetzt Schmidt: Vier der sechs neuen Bundesliga-Trainer der laufenden Saison stammen aus dem Unterbau ihrer Vereine. Ein Trend, dessen Vorreiter auch aus Mainz und Bremen kommen.

Thomas Eichin hatte es für das wichtigste Scouting der Saison nicht weit. Von seinem Büro im Weserstadion zum berüchtigten Platz 11, auf dem die Werder-U23 ihre Heimspiele austrägt, sind es knapp 300 Meter. Was Bremens Geschäftsführer sah, war überzeugend - und es ist erfolgreich: Statt einer externen Lösung entschied sich Eichin nach der Entlassung von Trainer Robin Dutt für Viktor Skripnik und war damit gleichzeitig Trendfolger und Trendsetter.

Für Christian Heidel und die anderen Verantwortlichen bei Mainz 05 war dieser Skripnik, von den Werder-Fans nach neun Siegen in 13 Pflichtspielen liebevoll "Viktory" umgetauft, auch ein Vorbild bei der überraschenden Entscheidung für den U23-Coach Martin Schmidt als Nachfolger Kasper Hjulmands: "Das beste Beispiel ist Werder Bremen, die es überragend machen im Moment. Die Mannschaft ist kaum verändert, aber es ist ein Ruck durch sie gegangen."

Große Vorbilder

Mainz und Bremen sind die großen Vorbilder des aktuellen Trends, zu dem neben den etablierten Christian Streich beim SC Freiburg und Markus Gisdol bei 1899 Hoffenheim auch Pal Dardai bei Hertha BSC und Joe Zinnbauer beim Hamburger SV zählen - ein Drittel der aktuellen Riege in der Bundesliga, vier von sechs Nachrückern nach Trainerwechseln in der laufenden Saison.

In Bremen und Mainz sind die letzten Entwicklungen aber auch die Fortsetzung einer erfolgreichen Tradition. Die beiden großen Ären der vergangenen 15 Jahre prägten Trainern, die im eigenen Verein ausgebildet wurden und von da aus die Bundesliga eroberten: Thomas Schaaf und Jürgen Klopp.

Preiswerte Lösungen mit Stallgeruch und Insiderwissen

Die Gründe sind vielfältig: Die "alten Neuen" sind gut ausgebildete und preiswerte Lösungen mit Stallgeruch und Insiderwissen, die den eigenen Nachwuchs ausgezeichnet kennen und die Profis meist bereits hautnah erlebt haben. "Ich finde die Entwicklung gut, sie hat viele Vorteile. Die Trainer kennen das Umfeld und geben Spielern aus den U-Mannschaften eine Chance", sagt auch Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL).

Vor allem aber birgt sie ein geringes Maß an Risiko. Sollte die, wie im Fall von Dardai und Zinnbauer, zunächst als Interimslösung propagierte Entscheidung keine Wirkung zeigen, wäre das weder für Verein noch Trainer ein großer Gesichtsverlust - und bei Rückkehr auf den alten Posten auch kein finanzieller in Sachen Abfindung. Teuer wird es dann erst wieder bei Langzeitlösungen, die ihre hohen Erwartungen doch nicht erfüllen - so wie Jens Keller bei Schalke 04 oder Thomas Schneider beim VfB Stuttgart.

Drittes befördertes Eigengewächs

Da helfen positive Erfahrungen und klare Zielvorgaben: Für Mainz ist Schmidt nach Klopp und Thomas Tuchel das dritte beförderte Eigengewächs und für Heidel die Rückkehr zu einer Kernkompetenz: "Wir brauchen viel Emotionen." Die beiden vermeintlich größeren Lösungen Jörn Andersen und Hjulmand dazwischen scheiterten auch in Ermangelung dieser mehr oder weniger krachend.

Nicht für alle aber ist das "Haifischbecken Bundesliga", wie Eichin es in der Kreiszeitung Syke nannte, die richtige Wahl. So wandten sich Frank Schaefer beim 1. FC Köln und Sascha Lewandowski bei Bayer Leverkusen nach ihren Interimsmissionen wieder der Nachwuchsarbeit zu.

In Reichweite sind sie damit ja immer noch.

Mehr dazu:
>> Trainerwechsel: Fluch oder Segen?

sid