01.04.2015 14:12 Uhr

Koller: "Gehässigkeiten waren gut so"

Die Stimmung von Marcel Koller nach dem 1:1 gegen Bosnien wurde nur von den Verletzungsmeldungen getrübt
Die Stimmung von Marcel Koller nach dem 1:1 gegen Bosnien wurde nur von den Verletzungsmeldungen getrübt

Nicht nur respektabel, sondern sehr gut. ÖFB-Teamchef Marcel Koller sah das 1:1 gegen Bosnien Herzegowina als geglückten Test für eine schwere Partie in Russland. Überschattet wurde seine Nachbetrachtung durch die Verletzung von David Alaba.

"Wir haben uns überlegt, ob wir einen Aprilscherz machen sollen, aber ich denke, wir lassen es weg", versuchte Marcel Koller am Mittwoch die Stimmung bei seiner Nachbetrachtung des 1:1-Remis gegen Bosnien-Herzegowina eingangs aufzulockern. Der ÖFB-Teamchef erntete dafür ein paar Lacher, aber nach Späßen war ohnehin niemandem zumute.

Fragen nach dem Gesundheitszustand von Österreichs Superstar David Alaba und der Dauer seiner erzwungenen Auszeit brachten die Ernsthaftigkeit zurück in den Rückblick auf ein im Grunde erfolgreiches Länderspieldoppel. Wie sich am Nachmittag herausstellte, erlitt der Bayern-Legionär einen Innenbandriss. Sieben Wochen soll er nach Schätzungen der Münchner Ärzte ausfallen. Koller hatte dass bereits befürchtet: "Er hat gleich gespürt, dass etwas nicht stimmt. Vom Gefühl her wird es etwas sein, was eine Pause bedingt."

Die betreffende Szene, ein Zweikampf an der Toroutlinie mit Ermin Bičakčić um einen verlorenen Ball, bewertete Marcel Koller differenziert. "Ich bin froh, dass er ein Spieler ist, der da hinterher wetzt. Das sind natürlich auch seine 22 Jahre", konnte der Schweizer Alabas Einstellung Positives abgewinnen, fügte aber hinzu: "Ein 30-Jähriger wäre da nicht mehr runtergerannt und hätte es mit mehr Routine anders gelöst. Es war eine Erfahrung, eine schlechte, die er machen musste."

Bei Marc Janko vermutete Marcel Koller, dass es "nicht so schlimm" sei. Den Australien-Legionär zwicke die Schultermuskulatur bereits seit längerer Zeit. Für den Torschützen gab es großes Lob: "Ein Torjäger, der auf Beute aus war. Er hat das mit viel Selbstvertrauen sehr gut gelöst", so der Trainer über ein auch "herrlich vorbereitetes Tor." Julian Baumgartlinger, kurzzeitig erstmals mit Kapitänsschleife ausgestattet, hätte "durchgebissen, wie man ihn kennt." Der Mainzer gab nach dem Spiel erst zu Blut gespuckt zu haben, nachdem es sein Teamchef im Fernsehen ausgeplaudert hatte.

Freundschaftlicher Infight

Neben den physischen Andenken konnte das österreichische Nationalteam aus dem Spiel durchaus auch einen kleinen Erfahrungsschatz mitnehmen. "Bosnien ist mit Liechtenstein natürlich nicht zu vergleichen. Sie sind auf Augenhöhe und das hat sich bestätigt. Es war ein guter und wichtiger Test für uns", bekräftigte Koller am Tag danach seine Eindrücke. "Aus meiner Sicht war es kein Freundschaftsspiel. Es waren Gehässigkeiten drinnen, was auch gut ist" Denn so hätten auch die Reservisten "gemerkt, dass da ein anderer Wind weht."

Marcel Koller, der ansonsten gerne auf Bewährtes setzt, verteilte diesmal großzügig Einsatzzeit. Von einem Klassenunterschied innerhalb der Mannschaft wollte er nicht sprechen: "Das wäre zu hart formuliert. Wenn nur ein, zwei reinkommen, merkt man das wohl nicht so." Insgesamt solle damit ein Anreiz zur Weiterentwicklung gesetzt werden. Das brauche aber Zeit. Wie viel? "Beim Nationalteam wird nicht in Wochen gerechnet, sondern in mehreren Monaten. Es ist wichtig, die richtigen Schlüsse zu ziehen", sagte Koller.

Ein Unentschieden gegen einen WM-Teilnehmer ist ein respektables Ergebnis. Pardon, "ein sehr gutes Ergebnis", wie Marcel Koller festgestellt haben wollte. Das 1:1 konnte allerdings auch wie das metaphorische halbleere Glas betrachtet werden. Das Pressing konnte nicht wie gewohnt praktiziert werden, der Spielaufbau verlief zeitweise schleppend. "Da ist auch der Gegner zuständig, und der war stark. Sie sind defensiv gut gestanden, haben aggressiv gespielt. Das macht das ganze schwieriger", erklärte der 54-Jährige.

"Aber es ist richtig, dass wir in der ersten Halbzeit immer wieder den einen oder anderen Ballverlust hatten, der nicht notwendig ist. Das gilt es auch zu fokussieren und den Spielern mitzugeben." Rufe nach einer zwingenden Steigerung in Russland nahm Koller aber nur mit dem Verweis auf das aktuelle Datum zur Kenntnis.

Fußball-Österreich sollte dennoch wieder auf den Boden der Realität zurückgekehrt sein. Platz eins nach fünf Partien in der Gruppe G sorgt berechtigt für Euphorie, die zweite Hälfte der EM-Qualifikation wird aber gewiss kein Selbstläufer. Hatte das Spiel somit auch eine therapeutische Wirkung? "Da können Sie sehr viel dazu beitragen, wenn sie das entsprechend schreiben", spielte Marcel Koller gegenüber weltfussball den Ball sofort zurück.

Im Juni steht das schwere Auswärtsspiel in Russland auf dem Programm. "In Moskau wird wichtig sein, dass wir gut stehen und die Räume gut zu machen. Wir haben in Wien gesehen, dass sie sehr schnelle und quirlige Spieler haben. Es wird wichtig sein, dass nicht nur die Verteidiger verteidigen", gab der Schweizer einen ersten Ausblick. "Eine ganz gute Leistung wird nötig sein."

Auch Russen werden Österreich auspfeifen

Bosnien war auch atmosphärisch ein guter Vorgeschmack. "Wir haben ein Auswärtsspiel getestet. In Russland wird’s nicht anders sein. Auch dort wird gepfiffen, wenn wir im Ballbesitz sind", sagte Koller angesprochen auf die etwas Bosnien-lastigere Kulisse als erwartet. "Ich denke, dass viele Bosnier, die in Österreich leben, einfach schneller waren. Wir müssen nicht über unsere Fans lästern", legte der Teamchef seine Sicht der Dinge dar.

Österreichs Anhang hätte sich ohnehin vorbildlich verhalten, wie seitens des ÖFB hervorgehoben wurde. 15 Interventionen gab es im Bosnien-Sektor, dem stand eine kurz blinkende Bengale in der rot-weiß-roten Kurve gegenüber. Ein Ordner wurde verletzt, ansonsten verlief der Abend glimpflich. "Im Verhältnis zu den etwa 20.000 Fans der Gästemannschaft geht das in Ordnung", stellte ÖFB-Mediendirektor Wolfgang Gramann zufrieden fest. Nachspiel gibt es dafür keines. Normalerweise sanktioniert die UEFA die Verbände, bei einem Freundschaftsspiel gibt es hingegen "keine Strafe in dem Sinn".

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Sebastian Kelterer