01.05.2015 11:00 Uhr

Großaspach: Ein Dorf muckt auf

Bei Sonnenhof Großaspach gewöhnen sie sich an die Jubelpose von Trainer-Rückkehrer Rüdiger Rehm
Bei Sonnenhof Großaspach gewöhnen sie sich an die Jubelpose von Trainer-Rückkehrer Rüdiger Rehm

Die SG Sonnenhof Großaspach kann am Samstag mit einem Auswärtssieg in Mainz bereits drei Spieltage vor Schluss die Klasse sichern. Der Dorfverein aus dem Fautenhau, gegen den Pep Guardiola sein Trainer-Debüt beim FC Bayern München in Deutschland feierte, hat in den letzten drei Monaten in der 3. Liga für Furore gesorgt und seit neun Spielen nicht mehr verloren.

In diesem Zeitraum holten die Aspacher mit sechs Siegen und drei Unentschieden mehr Punkte als Spitzenreiter Bielefeld und verließen in großen Schritten die Abstiegsränge. weltfussball sprach mit dem Mann, der wie kein Zweiter für den sportlichen Aufstieg bei der SG94 steht: Trainer Rüdiger Rehm.

Seit 2008 steht der 36-Jährige schon in der sportlichen Verantwortung. Vier Jahre als spielender Co-Trainer in der Oberliga und Regionalliga, seit 2012 dann als Chefcoach. Nach dem Aufstieg in die Drittklassigkeit 2014 und dem damit geschafften Sprung ins Profigeschäft ließ sich Rüdiger Rehm zum Fußballlehrer ausbilden, weshalb er im Herbst 2014 aus Zeitgründen sein Amt zur Verfügung stellte und an Uwe Rapolder abgab. Die gewünschte Stabilität unter dem Ex-Bundesligacoach blieb aus, Großaspach fand sich zeitweise auf einem Abstiegsplatz wieder.

Nach dem 1:4 in Unterhaching im Februar dann die Kehrtwende des Vereins: Rüdiger Rehm wurde eher als geplant wieder auf den Chefsessel gesetzt. Seitdem läuft es beim Drittligaaufsteiger. Der Trend der letzten neun Spiele überraschte Rehm selbst: "Wir freuen uns natürlich über die Punkte. Wir sind unserem Ziel schon ein großes Stück näher. Ich wusste immer, dass wir die Klasse halten können. Dass so eine Riesenserie dabei herauskommt, war natürlich nicht abzusehen."

Rehm holt den Aufsteiger aus einer Schockstarre

Nach den Winterwochen befand sich die SG Sonnenhof Großaspach in einer vorübergehenden Schockstarre. Auf die Frage, was sich seit seiner Rückkehr auf den Trainerposten Ende Februar konkret verändert und wie er das Taumeln des Klubs zurück in die Viertklassigkeit abgebremst habe, meinte Rehm: "Wir haben die Dinge wieder aktiviert, die wir vorher schon über Jahre richtig gut gemacht haben. Von meiner Person war es da ganz wichtig, für Aufbruchstimmung und Optimismus zu sorgen. Schnelle Ergebnisse helfen da am allermeisten. Wenn die Ergebnisse nicht stimmen, kannst du reden, machen und tun und kriegst niemanden ins Boot."

Besonders die Rückkehr zu alten Tugenden gilt bei der SG94 als Schlüssel zum Erfolg. Das bestätigt auch Claus Pfitzer, Großaspach-Berichterstatter und -Experte für die "Bietigheimer Zeitung": "Unter Uwe Rapolder gab es einige taktische Umstellungen, die letztlich nicht geklappt haben. Rüdiger Rehm hat nach seiner Rückkehr dann wieder konsequent aufs 4-4-2-System umgestellt, mit dem der Klub ja auch aufgestiegen war. Außerdem hat Rehm wieder mehr oder weniger die Aufstiegsmannschaft gebracht. Das hat im Spiel für Sicherheit gesorgt."

Als Underdog gegen die Großen gepunktet

Sicherheit ist ein gutes Stichwort. Fünf der sechs zuletzt gewonnenen Spiele endeten mit einem 1:0-Sieg für Sonnenhof Großaspach. Rüdiger Rehm wehrt sich aber dagegen, nur ergebnisorientierten Fußball anbieten zu wollen: "Wir hatten mehrmals die Chancen, auch mehrere Tore zu schießen. Mit unserer Trefferquote war ich nicht sehr zufrieden. Diese 1:0-Siege sagen ja auch immer: Wir machen hinten dicht und vorne hilft uns der liebe Gott. Das war aber überhaupt nicht so!"

Die mutige Spielausrichtung auch gegen große Vereine der 3. Liga wie bei den Punktgewinnen gegen Dresden, Münster oder Kiel will der seit Februar lizenzierte Fußballlehrer unbedingt beibehalten – auch ohne den klassischen Knipser im Sturm: "Auch gegen Mainz werden wir einen Plan entwickeln, um auf Sieg zu spielen und den Deckel endgültig drauf zu machen."

Kluge Investorenstrategie

Den Provinzcharakter wird die Sportgemeinschaft aus dem 8000-Einwohner-Ort Aspach nicht los, will sie aber auch gar nicht: "Natürlich sind wir irgendwie ein Dorfverein. Ich meine, wir kommen aus dem Dorf. Da wird man nicht zum Großstadtverein werden! Immerhin haben wir unseren Zuschauerschnitt in dieser Saison verdreifacht. Das ist schon ein toller Wert für uns", weiß Ex-Zweitligaspieler Rehm, der als Aktiver vor der Station Aspach unter anderem für Offenbach, Aue und Mannheim am Ball war.

In Sachen Vereinsleben hat Sonnenhof Großaspach noch einigen Nachholbedarf zwischen den Fußballriesen Stuttgarts, Hoffenheims oder Karlsruhes. "Eine Fankultur im klassischen Sinne gibt es nicht. Aber es kommen immer mehr interessierte Leute nach Aspach. Der Verein ist in den letzten Jahren sehr schnell gewachsen. Das sorgt immer für Kritik, aber auch für viel Interesse", meint Großaspach-Kenner Claus Pfitzer.

Großen Anteil an dem Projekt SG94 schreibt er Aufsichtsrats-Mitglied Ulrich Ferber zu. Der Spielerberater und Ehemann von Schlagerstar Andrea Berg schaffte es vor einigen Jahren, neben ortsansässigen Unternehmen auch die Fußballgrößen Mario Goméz und Aleksandr Hleb für eine Investorengruppe zu gewinnen, welche den Neubau des Stadions möglich machte. Die Mechatronik Arena, 10.000 Zuschauer fassend, ist ein wahres Schmuckkästchen geworden. Hier gab 2013 Pep Guardiola sein Deutschland-Debüt als Trainer beim FC Bayern München im Rahmen eines lange zuvor vereinbarten Freundschaftsspiels.

Rehm: "Wollen gute Nummer in der 3. Liga werden"

Wohin geht also die Reise des Dorfklubs aus dem Rems-Murr-Kreis, der aktuell nachhaltig in der 3. Liga aufmuckt? "Das Ziel ist auf alle Fälle, dass wir uns in dieser Liga etablieren. Die Möglichkeit dazu besteht auf jeden Fall. Die Fehler, die wir in dieser Saison gemacht haben, warum wir überhaupt da unten hereingerutscht sind, wollen wir natürlich nicht mehr machen. So lange ich eine Weiterentwicklung in der Mannschaft und im Verein sehe, ist kein Ende in Sicht", ist bei Rüdiger Rehm ein klares Bekenntnis zu seiner SG Sonnenhof Großaspach herauszuhören.

Der vorzeitige Klassenerhalt am Samstag beim FSV Mainz II wäre diese Weiterentwicklung und nicht zuletzt der größte sportliche Erfolg der Sportgemeinschaft aus dem Ländle.

Die Interviews führte Mats-Yannick Roth