06.05.2015 08:45 Uhr

Barça vs. Bayern: Ausnahmsweise Underdog

Pep Guardiola (r.) hat einen Plan, wie er seine Spieler gegen Barcelona einstellen will
Pep Guardiola (r.) hat einen Plan, wie er seine Spieler gegen Barcelona einstellen will

Duell der Besten, vorgezogenes Finale oder doch eine völlig einseitige Geschichte? Vor dem Gastspiel beim FC Barcelona ist Bayern München erstmals in dieser Saison nicht klarer Favorit. Qualitäten für einen Finaleinzug bringen beide Teams mit. Was spricht für Barça, was für die Bayern?

Fünf Gründe, warum Barça ins Champions-League-Finale einzieht:

1. Die Formkurve
Verlieren? Ein Gefühl, das der FC Barcelona überhaupt nicht mehr kennt. Die Bilanz der Katalanen aus den letzten 16 Pflichtspielen: 15 Siege, ein Remis bei 49:8 Toren. Während im Herbst noch spürbar Sand im Getriebe des FC Barcelona war, läuft der Motor mittlerweile auf Hochtouren. Und dabei werden die Ergebnisse gerade jetzt in der Saisonphase, in der die Entscheidungen fallen, immer stärker: In den letzten beiden Ligaspielen fegte das Team von Trainer Luis Enrique Getafe (6:0) und Córdoba (8:0) aus dem Stadion. Die Spitze der Formkurve, auf der die Bayern im Februar waren (innerhalb einer Woche 8:0 gegen den HSV und 6:0 gegen Paderborn), hat jetzt Barça erreicht. Die Form spricht klar für den Spitzenreiter der spanischen Primera División.
>> Termine und Ergebnisse des FC Barcelona

2. Die Offensive
Lionel Messi, Neymar, Luis Suárez – diese Offensivqualität sucht momentan europaweit ihresgleichen. Die Abläufe zwischen den Ausnahmekönnern passen immer besser, bereits 108 Pflichtspieltore hat das Trio zusammen auf dem Konto. Dass es zwischen den Angreifern auch menschlich passt, zeigte sich am Wochenende, als Messi einen Strafstoß an Neymar überließ, obwohl er sich mit seinem ewigen Konkurrenten Cristiano Ronaldo im Fernduell um die Torjägerkrone befindet. Der X-Faktor im Vergleich zur vergangenen Spielzeit ist aber wohl Suárez. Nach seiner monatelangen Sperre und ein paar Anlaufschwierigkeiten ist der Uruguayer jetzt in Topform und speziell seine Emotionalität reißt sowohl Mannschaft als auch Publikum mit.

3. Der Rhythmus
Rotation? Nicht mit Luis Enrique! Auch wenn es wie am Wochenende gegen das Tabellenschlusslicht geht, schickt der Trainer vor allem offensiv immer wieder seine erste Kapelle ins Rennen. Das im Vergleich zur bereits seit Langem entschiedenen deutschen Meisterschaft spannende Titelrennen in Spanien hält die Spannung bei Barça konstant aufrecht – und damit auch den Rhythmus.

4. Die Personaldecke
Im Gegensatz zu den Bayern, bei denen mit Robben, Ribéry, Alaba und Badstuber unter anderem vier Spieler ausfallen, die im Camp Nou sicherlich zur ersten Elf gehört hätten, ist Barcelona in dieser Saison bislang vom großen Verletzungspech verschont geblieben. Mit Ausnahme von Jérémy Mathieu sind alle Leistungsträger fit und in Topform. Im Gegensatz zu seinem Gegenüber Pep Guardiola kann Luis Enrique personell aus dem Vollen schöpfen und hat die Möglichkeit, auch während der Spiele hochklassige Alternativen nachzuschieben.

5. Die Triplechance
Einmal in der Vereinsgeschichte gewannen die Katalanen das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League: im Jahr 2009 unter Trainer Pep Guardiola. Sechs Jahre später könnte die Blaugrana dieses Kunststück wiederholen. Das Pokalfinale gegen Athletic Bilbao ist bereits erreicht, in der Liga beträgt der Vorsprung auf Real Madrid zwei Zähler. Auf eben jenen Erzfeind könnte Barcelona auch im Finale der Königsklasse treffen. Ein Clásico in Berlin brächte noch eine Extra-Motivation mit sich: Ausgerechnet Barça könnte das Team sein, das seinem großen Rivalen die erste Titelverteidigung in der Champions-League-Historie vermasselt.

 

Fünf Gründe, warum Bayern ins Champions-League-Finale einzieht:

1. Die Flexibilität
In Zeiten der starken Form wurden Pep Guardiola und seine Mannschaft für die hohe taktische Flexibilität gefeiert. Nach dem Ausscheiden im Pokal und den wenig überzeugenden letzten Bundesligaspielen fiel ihm genau das in der öffentlichen Wahrnehmung vor die Füße. Fakt ist aber: Die Bayern haben in dieser Saison bereits bewiesen, dass sie sich an den Gegner und die eigene Personalsituation anpassen können. Beispielsweise in der Liga gegen Dortmund oder im Pokal gegen Leverkusen spielte man aus einer defensiven Grundordnung heraus, den Ausfall der Flügelzange Ribéry/Robben fing man durch eine kompakte Zentrale und eine stärkere Einbindung von Robert Lewandowski auf. Ob 3-5-2, 4-4-2 mit Raute oder 4-1-4-1 – die Münchner passen ihr System flexibel den Anforderungen vor und während einer Partie an und sind damit nur schwierig ausrechenbar. Ein möglicher Vorteil.

2. Der Torhüter
Manuel Neuer ist der beste Torhüter der Welt. Das sagen Experten auf der ganzen Welt und das schlug sich in den letzten beiden Jahren in persönlichen Auszeichnungen nieder. Zweimal in Folge wurde er zum Welttorhüter gekürt, dazu war er 2014 der beste Keeper der WM und Deutschlands Fußballer des Jahres. Im direkten Duell gegen einen seiner Herausforderer um den Platz in der deutschen Nationalmannschaft in den nächsten Jahren, Marc-André ter Stegen, will Neuer zeigen, dass er ein Mann für die großen Spiele ist.

3. Der Trainer
Ausgebildet in der Jugendakademie La Masia, Europapokalsieger als Spieler und der erfolgreichste Trainer der Vereinsgeschichte (14 Titel in vier Jahren als Cheftrainer): Keine Frage, Pep Guardiola ist der FC Barcelona – und der FC Barcelona ist im Umkehrschluss auch Pep Guardiola. Der Bayern-Trainer verfolgt seinen alten Klub immer noch aufmerksam, er kennt die Stärken des Barça-Spiels, doch wenn es einen gibt, der die wenigen Schwachpunkte ausfindig machen kann, ist es der 44-Jährige. Auch wenn sein Herz noch an Barcelona hängt: Die Motivation, gegen dieses Team zu gewinnen, dürfte so groß sein wie gegen keinen anderen Gegner.
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4. Der Schiedsrichter
Dass die UEFA Nicola Rizzoli für das Hinspiel nominiert hat, ist für die Bayern ein gutes Omen: Der Italiener pfiff sowohl das Finale 2013 in Wembley, als sich die Münchner gegen Borussia Dortmund zum fünften Mal die europäische Krone aufsetzten, als auch das WM-Finale 2014, bei dem immerhin fünf aktuelle Bayern-Spieler in der Startelf standen – unter anderem gegen Lionel Messi.

5. Die Außenseiterrolle
Nicht Favorit sein? Nicht mit übermäßig viel Ballbesitz kalkulieren? Für Bayern München national beinahe unvorstellbar und mittlerweile auch international äußerst selten. Gegen das derzeit wohl formstärkste Team der Welt ist der Deutsche Meister bei Buchmachern und Experten aber tatsächlich einmal der Außenseiter. Und genau darin könnte die Chance liegen: Ein Ausscheiden – zumindest in anständiger Manier – wäre gegen diese Mannschaft kein Weltuntergang, eigentlich können die Münchner nur gewinnen.

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Jochen Rabe