07.05.2015 12:52 Uhr

Brasilien: Zuhause ist's am besten

Robinho (3.v.l.) feiert den Gewinn der Regionalmeisterschaft mit dem Santos FC
Robinho (3.v.l.) feiert den Gewinn der Regionalmeisterschaft mit dem Santos FC

Am vergangenen Wochenende sind in Brasilien die Regionalmeisterschaften zu Ende gegangen. Die lokalen Wettbewerbe leben von der Brisanz und haben eine lange Tradition.

Union Berlin gegen BFC Dynamo, Eintracht Frankfurt gegen die Kickers aus Offenbach oder Bayern gegen die Sechziger – Traumduelle, die für die Fans in Deutschland selten in Erfüllung gehen. In Brasilien sind solche Begegnungen zumindest einmal im Jahr ein fester Punkt im Fußballkalender. Zwischen Februar und Mai werden im Land des vierfachen Weltmeisters Meisterschaften auf Bundesstaatsebene ausgetragen – mit garantierten Derbys über die nationale Ligazugehörigkeit hinaus.

Regionalmeisterschaften lange vor brasilianischen Meisterschaft

Brasiliens Fläche ist kaum geringer als Kontinentaleuropa, allerdings waren weite Teile bis vor wenigen Jahrzehnten nur geringfügig an das Verkehrsnetz angebunden. So kam es, dass lange bevor eine landesweite Meisterschaft gegründet wurde (1959) in den meisten der 27 Bundesstaaten regionale Wettbewerbe stattfanden. Das "Campeonato Paulista" aus dem Bundesstaat São Paulo feierte 1902 Prämiere, in Bahia und Rio de Janeiro ging es nur wenig später los.

Zunächst treffen die Teams in unterschiedlichen Ligasystemen in etwa 20 Begegnungen aufeinander, bevor in einer KO-Runde der Meister ausgespielt wird. Natürlich schaffen es meist die Erstligisten der brasilianischen Série A in die Finalspiele, aber in den regionalen Ligen werden neue Talente in unterklassigen Teams entdeckt, kuriose Tore in Dorfstadien erzielt und Nachbarschaftsrivalitäten auf der Tribüne ausgetragen.

Geringe Zuschauerzahlen in den Stadien

Allerdings ist der brasilianische Fan mit über 60 Spielen pro Jahr seiner Mannschaft so sehr gesättigt, so dass die Regionalmeisterschaften in den letzten Jahren mit starkem Publikumsrückgang kämpfen. In den Bundesstaaten Rio de Janeiro, Mina Gerais und Rio Grande do Sul haben die Spiele einen Durchschnitt von nur etwa 5000 Zuschauern. Das Finalrückspiel des "Campeonato Carioca", der Meisterschaft von Rio de Janeiro, zwischen Vasco da Gama und Botafogo war mit 66.000 Besuchern zwar das bestbesuchte Spiel im Maracanã seit dem WM-Finale, allerdings war selbst hier nicht ausverkauft.

Vasco gewann übrigens am vergangenen Sonntag erstmals seit zwölf Jahren den Titel von Rio de Janeiro. Obwohl man nach einem bitteren Jahr Zweitklassigkeit bei der Mitte Mai startenden brasilianischen Meisterschaft als Rückkehrer startet, ist der regionale Erfolg Grund genug, die Ansprüche hochzuschrauben. "Nach dem Sieg der Carioca-Meisterschaft muss man weiter groß denken", so der Verteidiger-Veteran Rodrigo. Er fordert "wenn nicht den Titel, dann aber einen der Qualifikationsplätze der Liberadores" und vergisst dabei, dass die besten Teams des Landes seit Jahren nicht aus Rio kommen.

Robinho gewinnt mit Santos

Die kommen nämlich eher aus São Paulo, wo sich Ex-Milan-Star Robinho mit dem FC Santos die Meisterschaft gegen Palmeiras sicherte. Corinthians und FC São Paulo, die beiden anderen Großen aus dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat, hatten derweil andere Prioritäten und setzen auf die Copa Libertadores. Ähnliches gilt wohl für Cruzeiro aus Belo Horizonte, denn das Team verpasste in Minas Gerais das Finale gegen Atlético Mineiro. Das Ex-Team von Ronaldinho Gaúcho gewann seinen 43. Titel im 101. Wettbewerb gegen den Viertligisten Caldense.

Im Süden, im Bundestaat von Rio Grande do Sul, kam es dagegen zum klassischen Duell zwischen Internacional und Gremio aus Porto Alegre. Der Ausgang war ebenso klassisch: Inter gewann zum fünften Mal in Folge den Titel. Nachdem man sich noch im Hinspiel mit der Seltenheit eines gemischten Haupttribüne gerühmt hatte, kam es im Rückspiel zu Ausschreitungen auf den Rängen. Handgezählte 106 Sitzschalen wurden von den enttäuschten Gremio-Fans auf die Fans des Erzrivalen geschleudert.

Ähnlich deftig ging es im "Campeonato Cearense" im Hohen Norden zu. Nachdem Fortaleza-Fans nach dem Titelgewinn das Spielfeld des WM-Stadions Castelão stürmten, kam es zu Auseinandersetzungen mit Anhängern von Ceará. Die Polizei ging mit Tränengas und Gummigeschossen dazwischen. Ganz normaler Trubel also, bei der Meisterschaft vor der Haustür.  

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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco