13.05.2015 13:45 Uhr

Allegri: Riesenschuhe in großen Fußstapfen

Massimiliano Allegri peilt mit Juve das CL-Finale an
Massimiliano Allegri peilt mit Juve das CL-Finale an

Von den Fans der Alten Dame einst mit breiter Ablehnung empfangen, hat Massimo Allegri inzwischen nicht nur die großen Fußstapfen seines Vorgängers ausgefüllt. Der 47-Jährige setzt neue Duftmarken.

Ende Mai 2011 hatte Juve unlängst zum zweiten Mal in Folge das europäische Geschäft verpasst, als die Verantwortlichen der Alten Dame eine Entscheidung trafen, die die Bianconeri zurück zu altem Glanz führen sollte: Antonio Conte übernahm das Ruder beim leckgeschlagenen Flaggschiff des italienischen Fußballs und der Ex-Kicker, der mit den Mannen aus dem Piemont als Spieler fünfmal den Scudetto holte, knüpfte nahtlos an diese Erfolge an.

Aus der Versenkung auferstanden, dominierte Juve in den folgenden Spielzeiten die Meisterschaft, stürmte im Jahr eins unter Conte ungeschlagen zum Titel und stieß erstmals seit 2004 wieder in das Finale der Coppa Italia vor.

151 Partien, unfassbare 102 Siege und nur 15 Niederlagen später endete die Liebesgeschichte zwischen Conte und Juventus jedoch so abrupt, wie sie begonnen hatte: Der dreifache Serie-A-Trainer des Jahres warf unerwartet das Handtuch und begründete seinen Schritt mit der halbseidenen Aussage: Er fühle, es werde in den nächsten schwerer, mit Juventus zu gewinnen - eine Entscheidung, die vor allem im Fanlager auf Unverständnis stieß.

Bauernopfer Allegri

Als die Führungsriege des Rekordmeisters keine 24 Stunden später ankündigte, dass ausgerechnet Massimo Allegri, der erst im Januar vom wenig geliebten Konkurrenten Milan vor die Tür gesetzt worden war, das wertvolle Erbe der Legende Conte antreten würde, brachen die emotionalen Dämme der Tifosi.

Mehr als 300 Anhänger belagerten protestierend den Trainingskomplex der Alten Dame und im Internet wurde die Forderung laut, Juve solle die Dauerkarten zurücknehmen. Manager Giuseppe Marotta berichtete sogar, dass aufgebrachte Fans einen Wagen, in dem er mit Allegri saß, bespuckten und mit Eiern bewarfen.

Frei nach dem Motto: "Wenn du in übergroße Fußstapfen treten musst, zieh einfach Clownsschuhe an", entgegnete das Objekt des Unmuts gelassen: "Es ist normal, dass es von den Fans Reaktionen gibt. Conte hat drei Meisterschaftstitel erobert. Wie kann ich die Fans für mich gewinnen? Mit Resultaten, harter Arbeit, Respekt und Professionalität".

In Form einer 2:3-Testspielpleite gegen die Amateure von Lucento Calcio floss kurz darauf jedoch erneut eine gehörige Menge Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Allegri betonte daraufhin, dass er, hingegen der Befürchtung vieler Fans, das erfolgreiche 3-5-2-Spielsystem der letzten Jahre vorerst nicht ändern wolle und beruhigte die Lage zumindest kurzzeitig.

Honeymoon im Piemont

Die vermeintliche Problembeziehung erlebte in den kommenden Wochen überraschenderweise nahezu beschwerdefreie Flitterwochen: Am Ende des fünften Spieltags grüßten die Turiner mit der vollen Punktausbeute gegentorlos von der Tabellenspitze, eine Woche später wurde die Roma bezwungen und erst in der neunten Runde setzte es die erste Niederlage.

Allegri knüpfte im Ligaalltag also nahtlos an die Erfolge Contes an, schien dem ehemaligen Trainer, zum Leidwesen der Fans, allerdings auch auf europäischem Parkett nachzueifern. Denn wie schon unter dem geliebten Ex versagten der Alten Dame gegen ausländische Topklubs die Nerven. Nach Niederlagen in Piräus und bei Atlético sah vieles danach aus, als müsse Juve in der Königsklasse frühzeitig die Segel streichen.

Die Wende folgte allerdings postwendend: Vor heimischer Kulisse gewann man das überlebenswichtige Rückspiel gegen Olympiakos, fegte im Anschluss Parma mit 7:0 und Lazio mit 3:0 vom Platz und ergatterte in der CL den nächsten Dreier gegen Malmö. Für Neu-Coach Allegri schmeckte die Rückkehr in die Erfolgsspur besonders süß, ließ der 47-Jährige die Alte Dame doch erstmals im 4-3-3 auflaufen und emanzipierte sich damit endgültig von seinem Vorgänger.

Neue Gewänder, neue Möglichkeiten

Es sollte diese größere taktische Flexibilität sein, die die Italiener in den Folgemonaten endgültig zurück zu altem Glanz führen sollte. Während man in der Liga vor allem gegen vermeintlich offensivschwächere Kontrahenten immer wieder erfolgreich mit Dreierkette auflief, erwies sich das 4-3-3 vor allem in der K.o.-Phase der Königsklasse als wahres Pfund, als man unter anderem die Dortmunder Heimfeste mit 3:0 eroberte und im Halbfinalhinspiel das königliche Ballett von Real Madrid in Leere tanzen ließ.

Von den Befürchtungen, Allegri werde den Erfolgen von Antonio Conte vergeblich hinterherlaufen, wollen die Kritiker vergangenen Tage, das erste Champions-League-Finale seit 2003 vor Augen und den erneuten Meistertitel im Nacken, heute natürlich nichts mehr wissen.

Ob die Erfolgsstory von Massimiliano Allegri ein weiteres Kapitel erhält, erfährt die Fußballwelt am Mittwochabend (20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker), wenn der Coach im Rückspiel gegen Madrid die nächste taktische Meisterleistung benötigt. Zuletzt twitterte Allegri übrigens: "Als ich den Job angenommen habe, war ich ängstlich und nervös. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Herzen der Fans erobern kann" - Mittlerweile kann man sagen: Mission erfüllt. 

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Marc Affeldt