15.05.2015 10:30 Uhr

Skandalspiel: Abbruch durch Pfefferspray

Beim Spiel gegen River Plate blieb es nicht bei friedlicher Unterstützung der Boca-Fans
Beim Spiel gegen River Plate blieb es nicht bei friedlicher Unterstützung der Boca-Fans

Das dritte Kapitel des Hyper-Clásicos endete mit einem Jahrhundertskandal: Die Spieler von River Plate wurden nach dem Seitenwechsel mit Tränengas attackiert. Der Überblick zum Achtelfinale der Copa Libertadores in der Südamerika-Kolumne.

Bereits im Vorfeld war klar, dass das brisanteste Duell der Spielrunde der Superclásico zwischen den argentinischen Erzfeinden River Plate und Boca Juniors sein würde. Nachdem River das Hinspiel 1:0 gewonnen hatte, kontrollierten die "Millonarios" im Hexenkessel "Bombonera" das Geschehen und setzten in der zerfahrenen Partie Boca wenigstens gelegentlich unter Druck. Besonders der junge "Pity" Martínez, der für den rotgesperrten Teo Gutiérrez in die Startelf gerückt war, brachte Bewegung in Rivers Offensivspiel. 

Schweißarbeiten auf der Haupttribüne

Nach der Halbzeitpause folgte ein wohl einmaliger Skandal: Als die Akteure von River Plate durch den Spielertunnel auf das Spielfeld zurückkehrten, wurden sie von der angrenzenden Sitzplatztribüne der Boca-Anhänger mit Pfefferspray attackiert. Fernsehbildern zufolge hatten die Übeltäter gar ein Loch in den Zaun geschweißt, um Tränengas in den aufblasbaren Schutzgang zu sprühen. Kapitän Ponzio und andere Spieler kämpften mit stark brennenden Augen und Atemwegen. Schiedsrichter Herrera unterbrach zwar das Spiel, gab aber über eine Stunde lang keine weitere Entscheidung bekannt. 

Die Farce nahm ihren Lauf als sogar Rivers Präsident D'Onofrio auf dem Platz auftauchte. Die Trainer der Teams lieferten sich hitzige Diskussionen auf dem Rasen. Polizisten, das Schiedsrichtergespann und Sicherheitsbeamte diskutierten unter vorgehaltener Hand das weitere Vorgehen. Schließlich diagnostizierte der neutrale Dopingarzt Verbrennungen ersten Grades bei einigen Spielern. Nach über einer Stunde wurde das Spiel offiziell abgebrochen. 

Bocas Präsident Angelici sieht seinen Verein nicht in der Verantwortung: "Das waren zehn Chaoten, ich kann es selbst nicht glauben." Ebenso nimmt der nationale Sicherheitssekretär Sergio Berni die Polizei aus der Schusslinie, denn "die Einlasskontrollen garantieren überhaupt nichts". Dem Reglement des südamerikanischen Fußballverbandes CONMEBOL zufolge, müsste das Spiel mit 0:3 für River gewertet werden. Aber auch eine Neuansetzung der verbleibenden 45 Minuten steht im Raum. Am Freitag soll eine Entscheidung fallen.

Was geschah auf den anderen Plätzen?

Woanders wurde allerdings auch Fußball gespielt und dabei stand der Mittwoch ganz im Zeichen der brasilianischen Klubs. Fünf Teams hatten das Achtelfinale erreicht, von denen vier in direkten Duellen aufeinandertrafen. Corinthians musste gegen Guaraní aus Paraguay eine überraschende 0:2 Niederlage aus dem Hinspiel umbiegen – und scheiterte gnadenlos.

Wie zu erwarten verteidigten die "Paraguayos" mit dem Messer zwischen den Zähnen und schafften es, den in der Anfangsphase furios angreifenden Brasilianern diesen Kampf aufzuzwingen. Nach zwei Platzverweisen gegen den Weltpokalsieger von 2012 gelang Guaraní in der Nachspielzeit sogar der Siegtreffer. In Belo Horizonte setze sich Cruzeiro gegen den FC São Paulo in einem packenden Elfmeterschießen durch, nachdem sich das Ergebnis aus dem Hinspiel (1:0) wiederholt hatte. 

Argentinische Protagonisten spielten beim Duell in Porto Alegre zwischen Internacional und Atlético Mineiro groß auf. Beide Teams hatten sich bereits beim 2:2 im Hinspiel ein tolles Duell geliefert. Auch das Rückspiel hatte es in sich. Nach dem 2:0 durch den Ex-Wolfsburger Andres D'Alessandro schien Inter das Spiel unter Kontrolle zu haben. Aber ein anderer Argentinier, Lucas Pratto, erzielte den Anschlusstreffer und brachte den Copa-Sieger von 2013 zurück ins Spiel. Elf Minuten vor dem Ende war es Mineiros Jesús Dátolo, der mit einem fehlerhaften Kopfball Lisandro López die 3:1-Entscheidung für Internacional vorlegte. 

Titelträger der letzten drei Jahre allesamt ausgeschieden

Internacional kann wohl zu den Favoriten der diesjährigen Libertadores gezählt werden und trifft nun auf eines der Überraschungsteams des Wettbewerbs: Independiente Santa Fé. Das Team aus Bogotá konnte sich nicht nur in der wohl schwersten Vorrundengruppe als Spitzenreiter durchsetzen, sondern besiegte nun auch Estudiantes aus Argentinien. Nach einem 1:2 im Hinspiel drehten die Kolumbianer dank eines starken Juan Daniel Roa im Mittelfeld das Ergebnis und siegten 2:0. Den entscheidenden Treffer erzielte der 23-jährige Innenverteidiger Francisco Meza, der in den vorläufigen Kader der kolumbianischen Nationalmannschaft für die Copa América berufen wurde.

Mit Estudiantes verabschiedet sich mit Guido Carrillo nicht nur einer der bisher besten Torjäger des Turniers, sondern auch Barças Ex-Verteidiger Gabriel Milito auf seiner ersten Trainerstation. Dessen Bruder Diego erreichte mit Racing nach einem 1:1 im Hinspiel und einem 2:1-Sieg im heimischen "Cilindro" gegen Montevideo Wanderers ungefährdet das Viertelfinale.

Atlético Nacional raus – Tigres eine Runde weiter

Mit Atlético Nacional ist der Vize-Champion der Copa Sudamericana des vergangenen Jahres ausgeschieden. Das Team aus Medellín, das in den letzten Jahren immer ambitioniert die K.O.-Runde erreicht hatte, musste sich Emelec (0:2; 1:0) geschlagen geben, nachdem man im Hinspiel gnadenlos ausgekontert worden war. 
Bereits seit der vergangenen Woche war Tigres aus Mexiko für die Runde der letzten acht qualifiziert. Dem Team aus Monterrey reichte nach einem 2:1-Auswärtssieg im Hinspiel ein Unentschieden (1:1) im heimischen Hexenkessel des "Estadio Universitario". 

Die Viertelfinalspiele werden wohl zwischen Ende Mai und Anfang Juni ausgetragen. Danach geht der Wettbewerb bis Mitte Juli in eine Zwangspause, weil in Chile die Copa América der Nationalteams ausgetragen wird.

Mehr aus der Südamerika-Kolumne:
>> Teil 8: Zuhause ist's am besten
>> Teil 7: Boca – River: Der Hyper-Clásico
>> Teil 6: América de Cali: In der Hölle
>> Teil 5: Der Alles-Favorit: Bocas breite Brust
>> Teil 4: Brasilien: WM-Stadien zu verkaufen
>> Teil 3: "Dickerchen" Walter: Legende mal anders
>> Teil 2: Chiles goldene Generation der "Flegel"
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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco