15.05.2015 14:55 Uhr

Kriegsmüde Ukraine feiert Dnipro

Dnipro-Coach Miron Markevich konnte sein Glück kaum fassen
Dnipro-Coach Miron Markevich konnte sein Glück kaum fassen

Dnipro Dnipropetrovsk hat mit dem überraschenden Einzug ins Europa-League-Finale für Jubelstürme gesorgt. Doch auch im Moment größter Euphorie war der schwere Konflikt in der Ex-Sowjetrepublik nicht vergessen.

Trainer Miron Markevich stand klatschnass im Regen von Kiew, reckte beide Fäuste in den Himmel und konnte es kaum fassen. Sein Team Dnipro Dnipropetrovsk hatte den favorisierten SSC Neapel mit 1:0 (0:0) bezwungen und sich ins Europa-League-Finale am 27. Mai in Warschau gekämpft.

Tausende Fans stürmten nach Schlusspfiff das Spielfeld im Olympiastadion der ukrainischen Hauptstadt und feierten den Außenseiter. "Welch magischer Abend", rief Markewitsch immer wieder. Sogar Staatspräsident Petro Poroschenko gratulierte per Facebook: "Bravo, FC Dnipro!" Und patriotisch fügte der prowestliche Staatschef hinzu: "Ruhm der Ukraine!"

Trainer erinnert an Todesopfer

Auch im Moment größter Euphorie war der schwere Konflikt in der Ex-Sowjetrepublik nicht vergessen: Seit mehr als einem Jahr kämpfen Regierungseinheiten im Raum Donetsk gegen prorussische Separatisten. Markevich erinnerte nach dem Spiel daran. "Jeden Tag sterben unsere Leute. Heute haben wahrscheinlich alle Jungs, die im Osten kämpfen, Fußball geschaut, und wir haben auch für sie gespielt", sagte der frühere Nationaltrainer mit ernster Stimme.

Für zumindest 90 Minuten soll seine krisengeschüttelte Heimat beim Finale gegen den FC Sevilla zu einem ungeteilten Land werden und hinter Dnipro stehen, meinte er. "Ich wünsche mir diesen seltenen Moment der Einheit in Kriegszeiten." Für viele steht der Vereinsname Dnipro symbolisch dafür: Der majestätische Fluss Dnipro teilt und verbindet das Land gleichzeitig und fließt auch durch Kiev. Wegen der Gefechte in der Ostukraine trug der Klub seine Heimspiele im Europapokal in der etwa 400 Kilometer entfernten Hauptstadt aus. Die Industriemetropole Dnipropetrovsk liegt näher an der Kampfzone.

Mehr als Sport

Fußball war im zweitgrößten Land Europas schon immer mehr als Sport. Bei der EURO 2012, bei der die Ukraine Co-Gastgeber war, wehten die blau-gelben Nationalfarben von Uschgorod im Westen bis Lugansk im Osten im Sommerwind. Der Stolz auf die Spieler aus allen Landesteilen einigte den seit 1991 unabhängigen Staat wie selten zuvor.

Nun titelten die Zeitungen "Historischer Sieg" und "Geschenk für die ganze Ukraine!" Ein Kopfballtreffer von Evgen Seleznev (58.) hatte Dnipro vor 63.000 Zuschauern im Regen gegen Neapel erstmals in ein europäisches Finale einziehen lassen. Der zweifache Torschützenkönig der Ukraine hatte auch beim 1:1 im Hinspiel getroffen, wenn auch wohl aus Abseitsposition. Trainer Markevich kümmerte das wenig: "Ohne Glück kein Fußball."

Erfolgreiche Finalisten

In der heimischen Liga hat der Tabellendritte zwar noch Chancen auf eine Qualifikation für die Champions League. Markevich aber gibt die Marschroute klar vor: "Mich interessiert nur das Finale!" Dabei sollte Sevilla gewarnt sein: Wenn ein ukrainisches Team den Finaleinzug bei einem internationalen Wettbewerb schaffte, holte es den Titel. Dinamo Kiev gewann 1975 und 1986 den Pokal der Pokalsieger und Shakhtar Donetsk 2009 den UEFA-Cup. Für den 27. Mai hofft nun das ganze Land auf eine Fortsetzung der Serie - und ein "Wunder von Warschau".

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dpa