28.05.2015 09:50 Uhr

FIFA-Skandal: Die Rolle der Südamerikaner

José Maria Marin ist einer der Akteure, die im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen
José Maria Marin ist einer der Akteure, die im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen

Über die Hälfte der Beschuldigten im FIFA-Skandal kommen aus Südamerika und sind seit Jahrzehnten mehr oder weniger prominente Akteure des Weltfußballs und ihrer Vermarktung. Die Südamerika-Kolumne.

Die Ermittlungen des FBI zu Korruption und Geldwäsche bei der FIFA schlagen derzeit hohe Wellen, die vor allem westlich des Atlantiks Sorgen bereiten. Neben den sieben in Zürich festgenommenen Funktionären, werden im Bericht der US-Behörde weitere sieben Personen genannt.

Allesamt stammen die vierzehn aus Nord-, Mittel- und Südamerika und rücken auch ihre Kontinentalverbände der Region in ein schlechtes Licht. "Seit 1991 haben CONCACAF und CONMEBOL ihre Position genutzt, um Schmiergelder für Übertragungs- und Vermarktungsrechte zu fordern", klagte Justizministerin Loretta Lynch an.

Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela

Über die Hälfte der Beschuldigten stammt aus Südamerika. Drei von ihnen wurden bereits festgenommen: José Maria Marín, derzeitiger Vize-Präsident des brasilianischen Fußballverbandes CBF, den er während der WM 2014 noch leitete. Der 83-Jährige war vor seiner Rente als Fußballfunktionär ein prominenter Politiker des Landes und war während der Militärdiktatur Anfang der 80er Gouverneur des bevölkerungsreichsten Bundesstaat Brasiliens São Paulo.

Esquivel Rafael ist seit 28 Jahren Präsident des venezolanischen Fußballverbandes. Er galt als enger Vertrauter von FIFA-Chef Sepp Blatter, der ihm vor Jahren zur Seite gestanden hatte, als der damalige venezolanische Präsident Hugo Chávez den gebürtigen Spanier Rafael absetzen wollte.

Ebenso festgenommen wurde Eugenio Figueredo aus Uruguay. Der 82-Jährige war Chef des Organisationsteams der WM in Brasilien und stand nach dem Rücktritt von Nicolás Leoz aus Paraguay der CONMEBOL für ein Jahr vor, bevor er in die Schweiz auf den Posten des Vizepräsidenten des Weltverbandes wechselte. Laut Angaben des FBI drohen ihm neben einer Haftstrafe auch der Verlust seiner US-Staatsangehörigkeit.

Verstorbener Julio Grondona auch involviert?

Die Vizepräsidentschaft der FIFA hatte Figueredo übrigens vom im letzten Jahr verstorbenen Julio Grondona übernommen. Dieser war jahrelang Finanzchef der FIFA und über drei Jahrzehnte alleinherrschender Präsident des argentinischen Fußballverbandes AFA. Wie zahlreiche argentinische Medien vermuten, könnte Grondona die gesuchte "Nummer zehn" sein. Im FIFA-Bericht ist von einem "ranghohen Funktionär der AFA und FIFA" die Rede, der mehrfach Schmiergeldzahlungen erhalten haben soll.

Dessen Sohn Humbertito Grondona äußerte gegenüber dem TV-Sender TN, dass er und sein Vater "von einigen Ungereimtheiten" beim Weltverband gewusst hatten. Allerdings stellt Grondona Junior klar, dass "nicht die Institution, sondern einzelne Personen beschuldigt" worden sein. Grondona trainiert die U20 Argentiniens und war während der WM in Brasilien in den Ticket-Skandal der FIFA involviert.

Ebenso wird im FBI-Bericht namentlich Nicolás Leoz beschuldigt, der 27 Jahre CONMEBOL-Präsident war und heute gesundheitlich angeschlagen zurückgezogen in seiner Heimat lebt. Ein Vertreter von Interpol äußerte in Paraguay, dass kein Auslieferungsantrag der USA für Leoz vorliege.

Als Mittelsmann für Zahlungen an beschuldigte Funktionäre durch TV-Vermarkter soll José Margulies fungiert haben. Der Brasilianer, der laut FBI auch als José Lazaro firmiert, war früher CBF-Präsident und ist heute Chef der Vermarktungsfirmen Valente Corp. und Somerton Ltd.

Drei argentinische Geschäftsmännner im Visier

Derweil sind drei der fünf beschuldigten Geschäftsmänner Argentinier. Wohl am tiefsten fällt Alejandro Burzaco, Geschäftsführer der mächtigen argentinischen Produktions- und Vermarktungsfirma Torneos y Competencias. "Torneos" (so der häufig verwendete Kurzname) produziert für verschiedene Fernsehsender Lateinamerikas Fußballübertragungen, handelt mit Vermarktungsrechten und betreibt mit dem Medienkonzern Clarín den Fernsehkanal "TyC".

Burzaco sagte man ein hervorragendes Verhältnis zum ehemaligen AFA-Präsidenten Grondona nach. Sein Bruder war Chef der Polizeieinheit von Buenos Aires und ist enger Vertrauter des Bürgermeisters Mauricio Macri. Noch am Vorabend der Festnahmen twitterte er, dass er sich von London auf den Weg nach Zürich zum FIFA-Kongress mache. Wenige Stunden später wurde sein Twitter-Account gelöscht.

Wie Burzaco sind auch die beschuldigten Hugo und Mariano Jinkis bei der FIFA in der Sportrechte-Abteilung tätig. Vater und Sohn Jinkis sind Chef und Vize der 1998 gegründeten Vermarktungsfirma Full Play, die die TV-Übertragungsrechte nahezu aller südamerikanischen und einiger mittelamerikanischen Nationalmannschaft besitzt. Ebenso handelt Full Play mit den Rechten der südamerikanischen WM-Qualifikation und Copa América.

Gemeinsam mit dem ebenfalls beschuldigten US-Amerikaner Aaron Davidson taten sich Torneos und Full Play zusammen, um die Übertragungsrechte für das Jubiläumsturnier der Copa América zu vermarkten, das 2016 in den USA stattfindet. Allein für diese Veranstaltung sollen laut FBI über 110 Millionen Dollar an Bestechung geflossen sein.

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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco