06.06.2015 09:00 Uhr

Skispringer schicken Argentinien heim

Österreich jubelt, Argentinien fliegt nach Hause
Österreich jubelt, Argentinien fliegt nach Hause

Unglaublich, aber wahr: Österreich reist weiter zum WM-Achtelfinale und U20-Rekordweltmeister Argentinien fliegt nach Hause. Heimgeschickt am Freitag von den ÖFB-Youngsters, deren Tormann-Held Tino Casali danach lachend über "Skispringer" und das Spiel seines Lebens sprach. Der FIFA U20 World Cup 2015 in Neuseeland hat seine ganz große Sensation.

New Zealand trug am "Tag danach" Trauer. Der Tod von Rugby-Nationalheld Jerry Collins und seiner Frau bei einem Horrorcrash in Frankreich dominierte die Titelseiten. Aber auch das Out von Argentinien hatte am Abend zuvor einer nationalen Sportkatastrophe geglichen: Wer den Stellenwert des Fußballs in Südamerika kennt, der konnte erahnen was die Gazetten mit ihren enttäuschenden Nachwuchshoffnungen veranstalten.

U20-Teamchef Humberto Grondona wurde selbst im Mannschaftshotel noch von TV-Teams, Journalisten und Fotografen aus der Heimat umlagert. Wer vor Turnierbeginn vom WM-Titel spricht und dann schon nach der Gruppenphase sieglos wieder heimfliegen muss, der hat Erklärungsbedarf. Aber es kommt eben alles retour und der 57-Jährige bekam diesmal die Rechnung präsentiert.

"Fuck you Austria!", aus dem Mund von Grondona erklärt sich nicht damit, dass er seit den Zeiten von Hugo Maradona fanatischer Rapid-Anhänger ist. Mit diesen Worten war er vor zwei Jahren bei der U17-WM in den Vereinigten Arabischen Emiraten beim glücklichen 3:2-Erfolg von Argentinien gegen Österreich völlig ausgerastet. Man sieht sich eben immer zwei Mal im Leben: Gute Heimreise, Humberto!

Casali glänzt und schwärmt vom "Karriere-Highlight"

Dafür verantwortlich war Österreichs U20-Nationalteam mit dem 0:0 vor 13.874 Zuschauern im Westpac Stadium von Wellington. Eine Abwehrschlacht frei von jeder Fußball-Ästhetik, aber der Zweck heiligte die Mittel. Die Argentinier verzweifelten dabei speziell an einem Mann: Torhüter Tino Casali.

"Es war einiges los. Aber wenn ich kein Tor kriege, dann kann ich nicht viel falsch gemacht haben", lachte der ÖFB-Keeper nach der Nullnummer in der Mixed Zone. Was zu halten war, hielt er. Gemeinsam mit der von Abwehrchef Lukas Guggangig angeführten Defensive ein echtes Bollwerk beim Ansturm der "Albicelestes". Kärntner Qualität: "Lukas und ich kennen uns schon lange, wir sind fast zusammen aufgewachsen. Der räumt gewaltig auf", schwärmte Casali auch vom Vordermann.

"Gegen so einen starken Gegner muss man eben auch mal zu einem unorthodoxen Mittel greifen. Atlético Madrid oder Juventus machen das auch und der Erfolg gibt ihnen Recht. Jetzt hat auch unsere Festung gehalten", war der 19-Jährige Nachwuchstorhüter, für den in der Regionalliga Ost in dieser Saison elf Spiele zu Buche standen, zurecht stolz.
>> Die Vereinsspiele von Tino Casali im Überblick

Casali entnervte die Argentinier, die sich nach Schlusspfiff als schlechte Verlierer erwiesen und beim ÖFB-Jubel gleich mehrere Male handgreiflich wurden. Doch der Matchwinner zeigte sogar Verständnis: "Sie sind hier hergekommen um Weltmeister zu werden und jetzt fliegen sie gegen uns raus. Das ist für die fast so, wie wenn wir beim Skifahren oder Skispringen von einem Argentinier geschlagen werden." Sprach's, bestätigte noch einmal das "Karriere-Highlight und bisher schönste Spiel meines Lebens" und zog zufrieden ab.

Die Reise geht weiter zum Achtelfinale nach Whangarei

Bereits am Samstag trat der ÖFB-Tross die Weiterreise an. Mit dem Flugzeug ging es von Wellington nach Auckland, ehe mit dem Bus Whangarei anvisiert wurde. Dort steht für Österreich am Donnerstag, dem 11. Juni (ab 6:00 Uhr MESZ im weltfussball-Liveticker), das Achtelfinale der U20-WM an.

Dabei bekommt man es mit dem Zweiten der Gruppe F zu tun. Mögliche Gegner sind dabei Honduras, Fidschi oder Usbekistan. "Was jetzt kommt ist sicher Bonus", hatte Casali bereits vorausgeblickt. "Aber wir werden den nächsten Gegner keinesfalls unterschätzen. Diesen Fehler hat Argentinien gemacht und fliegt heim. Wir haben diese Gruppe überlebt und sind weiter im Rennen."

Grubeck empfiehlt sich bei Vereinssuche, Argentinier mit Verpflegungsnot

Während bei Casali die Zukunft nach der U20-WM bereits klar ist, weil die Austria die Option auf Vertragsverlängerung gezogen hat, spielt Nationalteamkollege Valentin Grubeck in Neuseeland auf Empfehlung vor. Er war zuletzt an den SV Horn verliehen, doch bei ihm wurde von den "Veilchen" die Option nicht genützt. Nun ist der Offensivspieler auf Vereinssuche.

Doch vorerst gilt seine volle Konzentration der Weltmeisterschaft: "Ich kann noch gar nicht so richtig realisieren, was wir hier geschafft haben. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Wir haben Argentinien heimgeschickt. Nun wird uns glaube ich keiner mehr unterschätzen, wir haben uns Respekt verschafft. In Österreich wurde der richtige Weg eingeschlagen, jetzt macht sich das bezahlt."

Und wie geht es in der k.o.-Phase weiter? "Wir haben einen Riesenschritt gemacht und diese Hammergruppe überstanden. Aber wir dürfen nicht überheblich werden: Egal wer der nächste Gegner ist, in ein WM-Achtelfinale kommt man nicht ohne Qualität." Während Grubeck für das Radio noch "Guten Morgen Österreich" in das Aufnahmegerät sprach, räumten die Argentinier im Pressezentrum die Sandwich-Vorräte ab. Stärkung vor dem Heimflug. "Buenas noches!"  

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Wellington/Neuseeland