11.06.2015 10:10 Uhr

Löw: "Bei manchen fehlt die Tor-Geilheit"

Böse Miene zum mäßigen Spiel: Karim Bellarabi, Christoph Kramer und Lukas Podolski
Böse Miene zum mäßigen Spiel: Karim Bellarabi, Christoph Kramer und Lukas Podolski

Ärgerlich, aber zu verschmerzen: Nach dem 1:2 gegen die USA hält sich Joachim Löw mit Kritik zurück. Patrick Herrmann bekommt ein Extra-Lob, eine große Baustelle aber bleibt.

Wie fällt Ihr Fazit nach dem letzten Heimspiel der Saison aus?
Joachim Löw:
Das Ergebnis ist ein bisschen ärgerlich, aber auch zu verschmerzen. In Anbetracht der Situation, dass Spieler aus dem Spielrhythmus waren, war ich mit den ersten 45 Minuten unglaublich zufrieden. Wir hatten wahnsinnig viele gute Aktionen von hinten heraus und viel Dynamik und Tempo zum Tor. Wir hätten das 2:0 oder sogar ein drittes Tor schaffen müssen.

Wie erklären Sie den Einbruch in der zweiten Halbzeit?
Es war zu spüren, dass wir das Tempo nicht halten können, das war auch zu erwarten. Man hat gemerkt, dass manche Spieler länger nicht gespielt haben oder verletzt waren. Ich kann mit dem Spiel gut leben. Wichtig war zu sehen, wie die Mannschaft die Spannung hat und auch die Konzentration, in das Spiel zu gehen. Jetzt müssen wir es schaffen und wir werden das schaffen, die Konzentration hoch zu halten und gegen Gibraltar ein gutes Spiel zu machen.

Die Spieler scheinen sich nach einer Pause zu sehnen.
Es ist erstmal wichtig für die Spieler, drei, vier Wochen Pause zu haben. Das war eine harte Saison, die viel Kraft gekostet hat. Deswegen sind wir froh, wenn diese Saison am Samstag abgeschlossen ist.

Wie beurteilen Sie den Auftritt von Neuling Patrick Herrmann?
Mit Patrick Herrmann war ich zufrieden. Was wir gut gemacht haben, schnell umschalten nach Ballgewinn, das hatten wir in den letzten Monaten ein bisschen verloren. Patrick hat das auch gemacht, Druck auf den Abwehrspieler machen. Zug zum Tor zu haben. Er hat den Abwehrspieler häufig unter Stress gesetzt. Das war seine Qualität heute. Das Tor hat er gut vorbereitet.

Die Chancenverwertung bleibt ein großes Manko.
Bei einigen Spielen im letzten Jahr, in Polen, in Georgien auch heute war das so. Bei manchen fehlt mir ein bisschen diese Geilheit, ein Tor machen zu wollen. Das war auch schon vor der WM mal ein Thema. Wir haben es dann immer wieder geschafft, aber es ist schon noch ein Thema. Das wird uns auch im Herbst nochmal begleiten, wenn es in die entscheidenden Spiele geht. Die Chancenauswertung ist wahnsinnig wichtig. Wenn wir heute das 2:0 oder 3:0 machen, glaube ich nicht, dass die USA zurückkommen. Es wird auch in der kommenden Saison ein wichtiges Thema sein.

Die Abwehr machte heute keinen sicheren Eindruck.
Es war schon zu spüren, dass wir nicht immer Herr der Lage waren. Die Abwehr war nicht eingespielt. Das Problem war nicht die Abwehr, wir haben leichtfertig Bälle verloren und es war alles offen, das haben die USA ausgenutzt.

Was kann Mario Götze dem deutschen Fußball noch bieten?
Mario Götze ist ein Spieler, der Dinge kann, die andere nicht beherrschen. Er hat bei der WM das Tor gemacht, hat Schritte nach vorne gemacht. Logischerweise kommt mal eine Formkrise. Man hat heute gesehen, dass er eine Qualität hat. Er war auch bei den Bayern in der Hinrunde gut. Er konnte das vielleicht nicht die ganze Saison halten. Aber für mich ist er wahnsinnig wichtig, denn er macht Dinge, die sind unberechenbar.

Wie bewerten Sie die Leistung der USA?
Die Mannschaft hat in Holland einen 1:3-Rückstand aufgeholt. Diese Mannschaft hat einen Fighting Spirit. Sie haben eine unglaublich gute Physis. Die Mannschaft war vor zwei Jahren unter dem Niveau, unter dem sie heute ist. Nicht umsonst waren sie bei der WM vor Ghana und Portugal. Ich glaube, dem Jürgen und der Mannschaft tut es gut, solche Erfolge zu haben.

Was sind Ihre Lehren für das Gibraltar-Spiel?
Für das Spiel nehme ich relativ wenig mit, weil es auch unterschiedliche Voraussetzungen sind. Gibraltar kann nicht so ein Tempo spielen wie die USA.

Gibt es dennoch Lehren aus diesem Abend?
Ich nehme grundsätzliche Dinge mit, vor allem für die nächste Saison. Es gibt Dinge, die wir weiterentwickeln müssen. Und die erste Halbzeit hat mich bestärkt, dass die Themen richtig waren. Wir hatten Schwierigkeiten gegen Mannschaften, die uns früh angreifen. Das ist ein Thema Richtung EM. Heute haben wir den Mut gehabt, richtig hinten rauszuspielen. Wir sind eine Ballbesitzmannschaft geworden, 70, 80 Prozent Ballbesitz, das ist super. Was wir aber verloren haben, was wir 2010 hatten: Ballgewinn, blitzartig umschalten, Konter fahren. Diese Bereitschaft, in die Tiefe zu gehen und Tore zu erzielen.

Mehr dazu:
>> Stimmen zum Spiel Deutschland - USA
>> Löw trotz Pleite zufrieden