17.06.2015 16:17 Uhr

Kolumbien zittert vor dem "Endspiel"

James Rodríguez steht mit seinen Caféteros vor dem Vorrunden-Aus
James Rodríguez steht mit seinen Caféteros vor dem Vorrunden-Aus

In der Nacht zu Donnerstag steht bei der Copa América das erste "Endspiel" an. Mitfavorit Kolumbien droht nach der Auftaktniederlage gegen Venezuela das Aus. Ausgerechnet gegen Angstgegner Brasilien muss ein Dreier her.

Zurück bis ins Jahr 1991 mussten die kolumbianischen Medien in ihren Archiven blättern, um etwas zu finden, das den Fans der Caféteros vor dem Duell gegen Brasilien (ab 02:00 Uhr im weltfussball-Liveticker) Hoffnung macht. Damals, vor 24 Jahren, gelang der kolumbianischen Nationalmannschaft etwas Historisches: der erste und bislang einzige Pflichtspielsieg gegen die Seleção (2:0). Eine Sensation für das zu diesem Zeitpunkt fußballerisch unterentwickelte Land.

Ein knappes Vierteljahrhundert später haben sich die Vorzeichen geändert. Spätestens seit der WM in Brasilien ist das Team aus dem Norden des Kontinents zu den Großen des Weltfußballs zu zählen. Noch nicht auf Augenhöhe mit dem Rekordweltmeister, aber längst nicht mehr so weit weg wie vor einigen Jahren. Umso überraschender war die 0:1-Niederlage gegen den Fußballzwerg aus Venezuela zum Auftakt der Copa América. Eine Niederlage, die in Kolumbien hohe Wellen geschlagen hat und das Team vor dem pikanten Duell mit Brasilien gehörig unter Druck setzt.

Kritik an James und Co.

"Wir müssen das Blatt wenden und sechs Punkte aus den nächsten beiden Spielen holen", fordert Abwehrspieler Darwin Andrade vor der wegweisenden Partie. "Die Niederlage gegen Venezuela hat weh getan, aber im Fußball bekommt man immer eine Chance zur Revanche. Wenn wir sie gegen Brasilien ergreifen müssen, dann ist das eben so", ergänzt Stürmer Víctor Ibarbo trotzig. Wie genau das gelingen soll, verraten die Kolumbianer natürlich nicht. Sicher ist: Sollte sich einer der Mitfavoriten auf den Titel nicht um hundert Prozent steigern, droht das Vorrunden-Aus.

"Es gibt immer mal schlechte Tage. Jetzt gilt es, ruhig zu bleiben, zusammenzuhalten und daran zu glauben, dass wir es noch schaffen können", übt sich auch Superstar James Rodríguez in Durchhalteparolen. Dass ausgerechnet er einer der Spieler war, die gegen Venezuela am meisten enttäuschten, schmerzte besonders. "Er lief schneller durch den Pressebereich als über den Rasen", spottete die Tageszeitung "El Tiempo" nach seiner schwachen Darbietung. "James verlor seine Präsenz und verschwand, dabei ist es seine Aufgabe, das Spiel zu organisieren und zu leiten. Ohne ihn erleidet Kolumbien einen Kurzschluss."

Schwache Vorstellung in allen Bereichen

Auch in anderen Mannschaftsteilen hakte es mitunter gewaltig. Die beiden Außenverteidiger Zúñiga und Zapata brachten kaum brauchbare Aktionen zustande, Radamel Falcao bekam vorne in der Sturmspitze so gut wie keinen Ball, Carlos Bacca und Juan Cuadrado gingen gemeinsam mit dem Kollektiv unter. Zündende Ideen fielen auch Trainer José Pekerman auf der Bank nicht ein. Kurzum: Viel schlechter hätte die Copa für die Caféteros nicht beginnen können.

Jetzt wartet das erste "Endspiel" gegen Brasilien, gegen das man nur zwei von 27 Spielen gewann. Eine echte Horror-Bilanz, die es aufzupolieren gilt. Hoffnung macht dabei unter anderem der erste Auftritt der Brasilianer bei dem Turnier. Zwar feierte die Seleção dank eines überragenden Neymar einen 2:1-Sieg gegen Peru, wirklich überzeugen konnte das Starensemble aber einmal mehr nicht.

Zudem haben die Kolumbianer schon im WM-Viertelfinale 2014 gezeigt, dass sie in Bestform auf Augenhöhe mit dem großen Favoriten spielen, ihn phasenweise sogar dominieren können. Damals überschatteten eine Riesenheuschrecke und die schlimme Attacke von Juan Zúñiga gegen Neymar die 90 Minuten. Das wollen die Caféteros in diesem Jahr verhindern und für sportliche Schlagzeilen sorgen. So ähnlich wie sie es vor 24 Jahren schon mal getan haben.

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Christian Schenzel