22.07.2015 15:17 Uhr

Erst der Ausraster, dann das Vergnügen

Die Ballbehandlung von US-Kapitän Clint Dempsey lässt auf seine Vorbilder schließen
Die Ballbehandlung von US-Kapitän Clint Dempsey lässt auf seine Vorbilder schließen

Vom Liebling zum Buhmann - und zurück: US-Kapitän Clint Dempsey hat turbulente Wochen hinter sich und will in nun ins Gold-Cup-Finale einziehen. weltfussball blickt auf die Karriere eines Ausnahmespielers.

Mehr als zehn Jahre im Profifußball hat Clint Dempsey hinter sich, als er es im Juni weltweit in die Schlagzeilen schafft, auch die deutschen Medien stürzen sich auf seine Geschichte. Der Kapitän der US-amerikanischen Nationalmannschaft rastet in einem Pokalspiel aus, zerreißt aus Wut über eine Schiedsrichter-Entscheidung den Notizblock des Unparteiischen, fliegt vom Platz und bekommt eine saftige Strafe. Von einem Tiefpunkt seiner langen Karriere hat sich der 32-Jährige in nur einem Monat wieder nach oben gearbeitet - dank des Gold Cups.

Schlagzeilen macht Clint Dempsey in den vergangenen Wochen ausschließlich durch seine Treffer. Sechs Tore in vier Partien hat "Captain America" bisher geschossen - eine Quote, die auch für den torgefährlichen Offensivspieler bemerkenswert ist. Dass er ihn trotz des Ausrasters im Pokal nominiert hat, zahlt sich für US-Trainer Jürgen Klinsmann aus. Dempseys Toren hat es seine Mannschaft zu verdanken, dass sie als Gruppenerster ins Viertelfinale einzieht und dort Kuba mit 6:0 nach Hause schickt. Vor dem Halbfinale gegen Jamaika führt der 32-Jährige die Trefferliste klar an und könnte bei seiner vierten Turnierteilnahme erstmals Torschützenkönig werden.

Es wäre ein weiteres Kapitel seiner Erfolgsgeschichte, die wie auch die vergangenen Wochen von einigen Tiefen und vielen Höhen geprägt wird. Früh entdeckt der gebürtige Texaner seine Liebe zur Randsportart "Soccer". Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, fiebert er mit der argentinischen Nationalelf mit, kickt als Teenager gegen viel ältere Südamerikaner und spielt auch nochin einem Jugendteam, den Dallas Texans. Als Geld und Zeit der Eltern nicht mehr reicht, den talentierten Sohn zum weit entfernten Trainingsplatz zu fahren, droht die Karriere zu enden, bevor sie begonnen hat.

Tricks provozieren die Gegenspieler

Doch die Familie bekommt Unterstützung und Scouts bemerken schnell nicht nur die leichtfüßige Ballbehandlung, seine Kreativität und die Liebe zu diversen Tricks, die er seinen südamerikanischen Vorbildern abgeschaut hat und den einen oder anderen Gegenspieler provozieren. Auch die in der Jugend erworbenen Nehmerqualitäten und sein Ehrgeiz bleiben nicht unverborgen. "Nichts wurde Clint je geschenkt. Er musste doppelt so hart arbeiten, um das zu bekommen, was andere Leute schon hatten", betont Mutter Debbie Dempsey im Gespräch mit der "Seattle Times".

So wird aus dem Jungen aus der texanischen Provinz 2004 ein MLS-Profi. Nach seiner Debütsaison bei New England Revolution bekommt er die Auszeichnung des "Rookie of the Year" und zwei Jahre später wird er zum bis dato teuersten Export der US-amerikanischen Liga. Der FC Fulham überweist umgerechnet rund drei Millionen Euro für den Offensivspieler, der sowohl auf den Außenpositionen als auch zentral im Sturm eingesetzt werden kann. Eine gute Investition für die Cottagers.

Publikumsliebling und Lebensversicherung auf der Insel

In Windeseile setzt sich der Neuzugang in der Premier League durch, lernt in seinem Defensivverhalten dazu, profitiert im körperbetonten Spiel auf der Insel von seinen Bolzerfahrungen in der Kindheit. Der dribbelstarke Neuzugang überzeugt zunehmend vor dem Tor - sowohl aus der Nähe als auch aus großer Entfernung oder mit dem Kopf. Es passt in die Erfolgsgeschichte des Texaners, dass sich nicht nur die eigene Torqoute stets verbessert, sondern auch der FC Fulham mit ihm ungeahnte Höhenflüge erlebt.

Als erster US-Amerikaner schafft es Dempsey 2010 mit seinem Klub schließlich überraschend in ein europäisches Endspiel, verpasst den Europa-League-Titel aber denkbar knapp gegen Atlético Madrid. Als Publikumsliebling - und mitunter auch Lebensversicherung - der Cottagers wechselt er zwei Jahre später mit der Empfehlung von 50 Premier-League-Toren zunächst für ein Vielfaches des ursprünglichen Kaufpreises zu Tottenham. Nach nur einem durchwachsenen Jahr an der White Hart Lane zahlen die Seattle Sounders für Dempseys Rückkehr in die Staaten über sieben Millionen Euro.

Stotterstart nach rätselhaftem Transfer

Der Wechsel wirft sowohl in Europa als auch in den USA viele Fragen auf. Hat der ehrgeizige Spieler im Alter von 30 Jahren seine Europacup-Titelambitionen aufgegeben? Reicht es nicht mehr für die Premier League? Dempsey selbst formuliert es positiv: "Die MLS und die Sounders haben Berge versetzt, um mich zurückzuholen. Und ich wollte zurückkehren, solange ich es noch kann - und nicht erst, wenn ich meine gute Zeit hinter mir habe. Ich möchte etwas bewegen", sagt er "The Independet" nach dem Transfer, der ihn zu einem der bestbezahlten Fußballer der MLS-Geschichte macht.

Trotz guter Absichten verläuft der Neustart in den USA holprig, auch eine Kurzzeitleihe zu Fulham ist eher ernüchternd als ermutigend. Erst in seiner zweiten Saison wird der Hoffnungsträger des wohl populärsten Klubs der Vereinigten Staaten seiner Rolle gerecht. Als Stammspieler schießt er die Sounders ins Halbfinale der Playoffs, in dem sie knapp scheitern, und findet zurück zur südamerkanisch geprägten Spielweise seiner Jugend.

Während Meistertitel im Verein indes weiter auf sich warten lassen, darf Clint Dempsey in der Nationalmannschaft auf ein weiteres Erfolgskapitel hoffen. Der US-Kapitän, der es als einziger Spieler seines Landes bereits schaffte, bei drei aufeinanderfolgenden Weltmeisterschaften ein Tor zu erzielen, könnte in wenigen Tagen den dritten Gold-Cup-Sieg seiner Karriere feiern.

Mehr dazu:
>> weltfussball berichtet im Liveticker vom Halbfinale: USA - Jamaika

Maike Falkenberg