28.07.2015 15:50 Uhr

Auf Rapid wartet europäischer Kraftakt

Die Anspannung bei Rapid vor dem Duell mit Ajax ist da
Die Anspannung bei Rapid vor dem Duell mit Ajax ist da

Rapid gegen Ajax. Das Hinspiel der dritten Qualifikationsrunde der Champions League wird am Mittwoch (ab 21:05 Uhr im weltfussball-Liveticker) zum europäischen Ernstfall. Bei den Grün-Weißen ist man vor dem Duell mit den favorisierten Niederländern, die diese Rolle verbal äußerst offensiv betonen, enorm motiviert.

Ein volles Ernst Happel-Stadion kündigt sich an. Bereits Dienstagmittag war die Marke von 40.000 verkauften Karten erreicht. Insgesamt werden 44.500 Tickets aufgelegt, weil der Sektor F2 aus Sicherheitsgründen nicht geöffnet wird. Im Gästebereich, wo 2.600 Plätze zur Verfügung stehen, werden 800 Ajax-Fans vertreten sein.

Rapid-Trainer Zoran Barisic zeigte sich bei der Pressekonferenz bereits voll fokussiert. "Thomas Schrammel, Mario Pavelic und Andreas Kuen stehen uns wegen ihren Verletzungen nicht zur Verfügung, aber sonst sind alle Spieler fit. Das wird ein tolle Kulisse und ein toller Gegner. Ajax ist sicher Favorit, aber die Vorfreude bei uns ist riesig."

Auch Sportdirektor Andreas Müller ist schon gespannt auf ein "Wahnsinnspiel" im Prater: "Unser Publikum wird die Mannschaft tragen. Das wird nicht der zwölfte, sondern sogar der 13. Mann sein." Rapid-Mittelfeldstratege Thanos Petsos stimmte den beiden sportlich Verantwortlichen zu: "Wir haben jetzt ein Jahr daraufhin gearbeitet und freuen uns sehr auf die Partie. Wir wollen uns in Europa entsprechend präsentieren."

Ajax auf allen Ebenen offensiv

"Am Papier sind wir stärker", meinte Ajax-Coach Frank de Boer im Vorfeld der Partie. Obwohl noch keine einzige Minute gespielt ist, der Ex-Meistercupsieger im letzten Duell mit einer österreichischen Mannschaft von Salzburg vorgeführt wurde und der Traditionsverein aus Amsterdam in der vergangenen Saison um gleich 17 Punkte von Champion PSV distanziert wurde.

Ist man bei Rapid überrascht von dieser Großspurigkeit des Gegners? "Das ist der Größe des Klubs geschuldet. Ajax ist eben sehr offensiv - auch außerhalb des Fußballs. Wir Österreicher werden dazu noch immer als Nachzügler betrachtet", meinte Zoran Barisic gegenüber weltfussball.

Der Rapid-Trainer erwartet einen offensiven Kontrahenten, der "hoch attackiert". Doch bei der Beobachtung wurde bereits festgestellt: "Auch Ajax hat Schwächen und wir werden versuchen diese auszunutzen."

Migranten-Motivation für Barisic zusätzlicher Ansporn

Für den 45-Jährigen, der in seiner aktiven Karriere mit den Hütteldorfern 1996 im Europacup-Finale stand, sind die Duelle der Rekordmeister aus Österreich und den Niederlanden die bisher wichtigsten Spiele seiner Trainerlaufbahn. Zuletzt gab Barisic zu, dass er sich am Anfang seiner Betreuer-Ära unterschätzt gefühlt habe, dies aber nur ein umso größerer Ansporn gewesen sei.

"Das war wie in meiner Kindheit. Ich wurde durch meine jugoslawische Abstammung von meinem Vater früh darauf vorbereitet, dass man als 'Ausländer' 20 bis 30 Prozent besser sein muss, damit man akzeptiert wird. Dies hat sich in mir eingebrannt und mich geprägt", gestand "Zoki" im weltfussball-Gespräch.

"Scheiß-Jugo" oder "Scheiß-Neger" - Sätze, die auch einen Aleksandar Dragović, Marko Arnautović, Zlatko Junuzović, David Alaba sowie Rubin Okotie zu noch mehr Leistung anstachelten. "Sicher ein Mitgrund, warum auch in der österreichischen Nationalmannschaft die Motivation von Migranten-Kindern extrem bemerkbar ist", bestätigte der Rapid-Coach.

Rapid-Sportdirektor erinnert sich an die "Blinden als UEFA-Cupsieger"

Andreas Müller ist Deutscher. Auch ein "Piefke" hat es speziell in Wien nicht leicht. Doch der Rapid-Sportdirektor ist nicht nur voll integriert, sondern "will ein Teil der Erfolgsgeschichte von Rapid werden."

Mit Schalke jubelte der Mittelfeldmotor 1997 sensationell über den Triumph im UEFA-Cup. Eine damals von Favoriten wie Valencia oder Inter unterschätzte Mannschaft hatte es am Ende in Europa allen gezeigt. "Ich erinnere mich noch genau, wie Jens Lehmann gesagt hat: Jetzt sind wir 'Blinden' UEFA-Cup-Sieger!", meinte Müller schmunzelnd. "Uns hat damals ein wahnsinniger Teamgeist ausgezeichnet. Wir wollten es einfach beweisen, wie jetzt hoffentlich auch Rapid gegen Ajax."

"Wir haben hier einen Weg begonnen und unsere Spieler wurden im vergangenen Jahr vom Trainerteam sukzessive besser gemacht. Aber wir sind noch lange nicht am Ende der Entwicklung. Es wäre enorm wichtig, wenn wir im Europacup eine Gruppenphase erreichen und die Mannschaft zusammenhalten können", analysierte der Rapid-Sportchef.

"Internationale Spiele mit einer anderen Härte und Physis würden uns sehr gut tun. Dazu würde ein Aufstieg natürlich auch dem Verein helfen, damit wir die Schere schließen können, die es beim finanziellen Unterschied etwa zur zweiten deutschen Liga gibt. Diese beiden Komponenten sind sehr wichtig für uns", unterstrich Müller gegenüber weltfussball die Bedeutung des Europacups.

"Man merkt es ja überall: Die Leute sind heiß auf das Spiel", sagte Müller beim Abschied. Daneben stand der Rapid-Coach und schwärmte angesichts des Vorverkaufs von der "Kraft von Rapid, unglaublich was sich da abspielt". Es ist Zeit für einen internationalen grün-weißen Kraftakt - auch auf dem Spielfeld.

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Christian Tragschitz