02.08.2015 11:34 Uhr

Arsenal: die Ruhe vor dem Sturm?

Ungewohntes Bild: Petr Čech hütet nun das Tor der Gunners
Ungewohntes Bild: Petr Čech hütet nun das Tor der Gunners

Vor dem Pflichtspielauftakt zwischen Chelsea und Arsenal im FA Community Shield (ab 16 Uhr im Liveticker) fliegen wieder Giftpfeile durch London. José Mourinho ließ es sich einmal mehr nicht nehmen, den einen oder anderen süffisanten Kommentar Richtung Emirates Stadium zu senden. Der Grundtenor: Wer Transfersummen wie die Gunners investiert, müsste eigentlich erfolgreicher sein. Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für die Sticheleien, hält sich der Mertesacker-Klub auf dem Spielermarkt bislang doch auffallend zurück. Ist das Vertrauen in den aktuellen Kader berechtigt? Eine Bestandsaufnahme.

Der 29. Juni 2015 wird vielen Fans des FC Chelsea in schmerzhafter Erinnerung bleiben. Nach zehn äußerst erfolgreichen Jahren an der Stamford Bridge brach Publikumsliebling Petr Čech seine Zelte beim amtierenden Meister ab und unterschrieb einen Vertrag beim Stadtrivalen FC Arsenal. Das Ende einer Ära für den Tschechen, der beim Abramowitsch-Klub zuvor neun Spielzeiten lang zwischen den Pfosten gewesen war. Wie es der Zufall nun will, wird Cech in seinem Pflichtspieldebüt im Gunners-Trikot gleich mit seiner Vergangenheit konfrontiert – am Sonntag kämpfen Arsenal und Chelsea im FA Community Shield um die erste Trophäe der jungen Saison.

Gunners vermeiden Schnellschüsse

"Čech ist ein Spieler, den ich schon lange bewundert habe", gab Arsenal-Trainer Arsene Wenger nach dem Wechsel erfreut zu Protokoll und fügte an: "Er hat über mehrere Jahre unter Beweis gestellt, dass er einer der besten Torhüter der Welt ist und unserer Mannschaft zusätzliche Qualität verleihen wird". In den Planspielen der französischen Trainerlegende dürfte der erfahrene Schlussmann eine wichtige Rolle einnehmen. Ansonsten vertrauen die Arsenal-Macher allerdings weitestgehend auf den Spielerstamm, der zuletzt als Dritter hinter Meister Chelsea und Vize Manchester City die direkte Qualifikation für die Champions League unter Dach und Fach gebracht hatte.

Dieses Vertrauen ins vorhandene Personal bildet derzeit eine Ausnahme im milliardenschweren Premier-League-Geschäft, das dank der neu gewonnenen TV-Gelder selbst Aufsteiger zu Großinvestoren auf dem Transfermarkt werden lässt. Es scheint, als wollten Wenger und Co. das Wettbieten in diesem Sommer nicht mitmachen und Schnellschüsse unter allen Umständen vermeiden. 

Gerüstet für das Mammutprogramm?

Handlungsbedarf besteht beim FC Arsenal ohnehin nur auf wenigen Positionen. Im Starensemble der Londoner tummeln sich unzählige Weltklassekicker, die allesamt auf allerhöchstem Niveau mithalten können. Angefangen in der Innenverteidigung, wo der bei den Fans als "Big fucking German" gefeierte Per Mertesacker als unumstrittene Stammkraft neben Laurent Koscielny glänzt, übers zentrale Mittelfeld mit den dynamischen Taktgebern Jack Wilshere und Aaron Ramsey bis hin zum Offensivbereich um Ballzauberer wie Mesut Özil und Alexis Sánchez - der Kader bietet Spitzenqualität pur.

Einzig im Sturmzentrum könnte ein neuer Konkurrent zu Sturmtank Olivier Giroud nicht schaden, da der im Vorjahr verpflichtete Danny Welbeck zu häufig verletzt und zudem nicht gerade prädestiniert für die Position als einzige Spitze ist. Hartnäckige Gerüchte um ein Interesse an Gonzalo Higuain vom SSC Neapel bewahrheiteten sich bislang allerdings nicht.

Bleibt die Frage, ob die Gunners für das Mammutprogramm der kommenden Monate personell ausreichend gerüstet sind. Vier Wettbewerbe mit mehr als 50 Pflichtspielen bedeuten maximale Belastung für das Kollektiv. Seit nunmehr sechs Jahren ist der erfolgsverwöhnte Klub nicht mehr über das Achtelfinale der Königsklasse hinausgekommen, auch in der Liga sprang in den vergangenen zehn Spielzeiten immer "nur" der dritte oder vierte Rang heraus. Vereine wie der FC Chelsea und Manchester City sind im vergangenen Jahrzehnt am Wenger-Team vorbeigezogen. Entsprechend groß ist die Sehnsucht der Arsenal-Fans, ihren Herzensverein endlich wieder im Konzert der absoluten Spitzenteams mitspielen zu sehen.

Der Deadline Day rückt näher

Rund vier Wochen bleiben noch, bis das Transferfenster schließt. Der sogenannte "Deadline Day" hat in England längst Kultstatus erreicht, auch die Gunners beteiligten sich schon öfter am hektischen Last-Minute-Shopping. "Wir arbeiten hart, um bereit zu sein, wenn sich eine besondere Möglichkeit für uns ergibt", teilte Wenger kürzlich im Interview mit dem renommierten Guardian mit, schränkte aber ein, "dass wir problemlos mit dem vorhandenen Personal in die Saison gehen können". Eine Einschätzung, die viele Experten teilen. Um dem Pensum in allen Wettbewerben gerecht zu werden, sind personelle Ergänzungen dennoch wahrscheinlich. War die Zurückhaltung auf dem Spielermarkt also nur die Ruhe vor dem Sturm?

Zunächst steht nun erst einmal die Standortbestimmung im Community Shield auf dem Programm. Bestätigen Özil und Co. ihre Frühform (u.a. 6:0-Kantersieg im Test gegen Olympique Lyon), dürfte dem FC Chelsea ein rasantes London-Derby bevorstehen. Im Falle eines Prestigeerfolgs gegen die Blues dürften sich die Verantwortlichen in ihrer Entscheidung für Kaderkontinuität bestätigt fühlen.

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Heiko Lütkehus