30.08.2015 16:49 Uhr

Weigl: Immer langsam mit den jungen Pferden

Julian Weigl (r.) erntet zurzeit viel Lob
Julian Weigl (r.) erntet zurzeit viel Lob

Julian Weigl ist einer der Garanten für den starken Saisonstart des BVB. Von Medien und Öffentlichkeit wird der 19-Jährige bereits unisono in den Himmel gejubelt – zu früh?

„So elegant wie Beckenbauer.“ Mit diesem Kompliment beschrieb der „kicker“ den Dortmunder Shooting-Star schon nach dem ersten Spieltag. 94 Prozent seiner Pässe kamen gegen Gladbach an. Eine Quote, die selbst erfahrene Mittelfeldstrategen wie Xabi Alonso übertreffen sollte. Nun lasten hohe Erwartungen auf dem „neuen Beckenbauer“.

Beim BVB ist man zumindest begeistert von seinem Neuzugang: „Man hat das Gefühl, er hat immer einen Plan“, äußerte sich Michael Zorc nach dem 4:0-Triumph gegen Borussia Mönchengladbach. Und auch Trainer Thomas Tuchel hat nur Lob für seinen Lieblingsschüler übrig: „Julian begeistert mit Unbekümmertheit und Frische sowie der Fähigkeit, die Dinge aufzusaugen und schnell zu lernen. Ein offener, ein herzlicher Junge. Er ist ein wahnsinnig fleißiger Lerner.“

Sein Ex-Coach Friedhelm Funkel kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus: „Das ist einer der besten Jungen, die ich je hatte. Er hat eine wahnsinnige Passgenauigkeit, ist laufstark, antizipiert gut. Er ist zurückhaltend, lernwillig, besessen. Und er geht im Training voran.“ Der ehemalige Löwe wird von allen Seiten in höchsten Tönen gelobt und als der ideale Partner für Ilkay Gündoğan angesehen.

Per Taxi ins Abseits

Als Weigl in der vergangenen Saison noch in die erste Mannschaft von 1860 berufen wurde, entwickelte er sich ziemlich schnell zum Führungsspieler und übernahm bereits im Alter von 18 Jahren die Kapitänsbinde. Genauso schnell wie er sie bekommen hatte, gab er sie allerdings auch schon wieder ab.

Im Abstiegskampf leisteten sich Weigl und einige Teamkollegen während einer Taxifahrt einen verbalen Ausrutscher, der zu einer zwischenzeitlichen Suspendierung der beteiligten Spieler führen sollte. Doch es zeigt auch, wie jung und unerfahren der ehemalige Löwe noch ist. Einen solchen Eklat darf man sich auf diesem Niveau als Profi trotzdem nicht erlauben.

Vom Zweitliga-Mittelmaß in die Euro-League

Nachdem die Löwen den Abstieg mit letzter Kraft in der Relegation auch dank des zurückgekehrten Weigl verhindern konnten, wurde der Youngstar auch schon nach Dortmund geholt. Es war davon auszugehen, dass er als Reservist für einen breiten Kader sorgen sollte, doch Tuchel hat anscheinend andere Pläne: Er macht den defensiven Mittelfeldspieler kurzerhand zum verantwortungsvollen Sechser und lässt ihn das Spiel der Borussen dirigieren.

Weigl überzeugt durch seine Passgenauigkeit und wird bei den Schwarz-Gelben vor allem im Spiel in das zweite Spielfeld-Drittel gebraucht. Er übernimmt den absichernden, defensiven Sechser-Part, während Gündoğan nach vorne spielen kann, um die Bälle in der Offensive zu verteilen. Damit scheint Tuchel sein Wunsch-Duo für diese Saison gefunden zu haben.

Aus Lob könnte Belastung werden

Wie die Geschichte zeigt, ist es für junge Talente aber häufig schwierig, mit diesem Hype umzugehen. Ein Mario Götze zum Beispiel wurde in seiner ersten Saison beim BVB als riesiges Talent bezeichnet, das es wohl bald mit dem vierfachen Weltfußballer Lionel Messi aufnehmen könnte. Auch die Bayern sahen diese Fähigkeiten in dem damals 21-Jährigen und holten ihn nach München.

Aktuell nur noch Edel-Joker bei den Bayern, hatte Götze vielleicht mit 19 Jahren beim BVB schon den Höhepunkt seines Könnens erreicht. Zu stark sind die Schwankungen, denen seine Laufbahn bisher unterliegt.

Selbiges droht aber nicht nur dem Bayer, sondern vielen jungen Talenten - auch Weigl. Sie können oft den hohen Erwartungen und dem Druck, der damit einhergeht, nicht lange standhalten und lassen schließlich in ihren spielerischen Fähigkeiten nach und verpassen den nächsten großen Schritt zu gehen.

Die Aufgabe des BVB

Den Borussen mit Franz Beckenbauer zu vergleichen, welcher einmal Weltmeister und zweimal Europas Fußballer des Jahres wurde, ist daher noch etwas früh. Es gilt abzuwarten, wie er sich in den nächsten Jahren entwickelt und ob er sich in der Bundesliga oder jetzt auch in der Europa League gegen große Gegner etablieren kann.

Dabei liegt es vor allem auch am Verein, seinen Youngstar behutsam aufzubauen und den Druck von seinen Schultern zu nehmen. Weigl muss noch viel lernen - sicherlich hat er ein paar gute Leistungen in den ersten Partien für seinen neuen Klub abgerufen, aber man darf dabei auch nicht vergessen, dass der 19-Jährige in der vergangenen Saison mit 1860 beinahe in die dritte Liga abgestiegen wäre.

Der Erfolg der Borussia ist an der Gesamtleistung der Mannschaft festzumachen und nicht nur an einem Spieler. Mit 38 Spielen Zweitliga-Erfahrung soll Weigl demnächst in der Europa League gegen Teams wie den FC Liverpool oder den SSC Neapel spielen? Das wäre sicherlich eine schöne Story, doch auf jeden Fall auch eine gigantische Herausforderung und eine Zumutung für den jungen Mann, die es nun zu bewältigen gilt. Immerhin hatte Weigl bis vor einem Jahr noch in der Regionalliga Bayern gekickt.

Philipp Heitz