12.09.2015 13:28 Uhr

John Stones: Für noch kein Geld der Welt

Handlungsschnelligkeit und ein hohes Spielverständnis gelten als Stärken von John Stones
Handlungsschnelligkeit und ein hohes Spielverständnis gelten als Stärken von John Stones

Wochenlang hielt die Wechselposse um Englands Abwehrtalent John Stones die gesamte Insel in Atem. Der FC Chelsea setzte alles daran, den 21-Jährigen an die Stamford Bridge zu locken, doch Everton blieb hart. Nun kommt es zum direkten Aufeinandertreffen. Wer ist der Shootingstar, für den selbst 50 Millionen Euro Ablöse nicht reichten?

Wer an Liverpool denkt, dem kommen zumeist zwei Dinge in den Sinn: Fußball und die Beatles. Zwei emotionale Merkmale, die den Charakter der Hafenstadt geprägt haben. Erst kürzlich erlebte einer der größten Hits der Kultband um John Lennon ein Revival in der Mersey-Metropole: Die Fans des neunmaligen englischen Meisters FC Everton haben den Titel "Can’t buy me love" (1964) umgedichtet und einem Spieler gewidmet, der zuletzt in aller Munde war.  

Beim Auswärtsmatch in Tottenham sangen hunderte Anhänger in Anlehnung ans Original: "I don't care too much for money. For money can't buy you Stones". Ein Seitenhieb auf den Ligarivalen FC Chelsea, der Gerüchten zufolge vier Angebote für den sechsfachen A-Nationalspieler John Stones abgegeben hatte. Letztlich ohne Erfolg, die Vereinsbosse in Everton blieben hart und schoben dem Wechsel einen Riegel vor. Dabei bat Stones selbst um Freigabe, zudem legten die Blues angeblich bis zu 50 Millionen Euro für den Innenverteidiger auf den Tisch. Der 21-Jährige hätte zum teuersten Abwehrmann aller Zeiten avancieren können. Doch am Ende kam alles anders.

Moderner als die Konkurrenz

Um im Kampf um die internationalen Fleischtöpfe mehr als ein Wörtchen mitreden zu können, entschieden die Verantwortlichen in Everton, ihren in Barnsley geborenen und aufgewachsenen Shootingstar zu halten. Ein Glücksfall für die Toffees, die nun wenigstens bis zum Winter auf eine tragende Säule im System von Coach Roberto Martínez bauen können. Trotz seines zarten Alters blickt Stones bereits auf 48 Einsätze in der Premier League zurück, im April durfte er beim 3:0 gegen Manchester United zudem seinen ersten Ligatreffer feiern. Doch sind es vor allem seine defensiven Fähigkeiten, die den 1,88-Meter-Schlaks zu einer Attraktion machen. Mit beeindruckender Coolness erledigt er seine Aufgaben in der Viererkette und schaltet sich zusätzlich immer wieder clever in den Spielaufbau ein. Eine Rarität im englischen Fußball, wo lange Zeit nur Spieler der Marke "Abräumer ohne strategisches Verständnis" in den Abwehrzentren zum Zug kamen.

Die Anforderungen haben sich allerdings geändert. Verteidiger wie Mats Hummels und Gerard Piqué sind deshalb so stark, weil sie den Mix aus Defensive und Angriffslust nahezu perfekt beherrschen. Im Mutterland des Fußballs wurde diese Entwicklung zwar registriert, mangels geeigneter Kicker jedoch nicht konsequent vorangetrieben. Kämpfer der alten Schule wie Jagielka und Cahill bildeten lange Zeit das Innenverteidigerduo bei den "Three Lions", die in den vergangenen Jahren den Anschluss an die Weltspitze verloren haben. Doch plötzlich ist da dieser selbstbewusste Youngster aus Everton, der Fans wie Experten mit seiner modernen Spielweise in Staunen versetzt. In der deutlich verjüngten Landesauswahl, die sich verlustpunktfrei für die EM in Frankreich qualifiziert hat, ist Stones schon jetzt fester Bestandteil und Hoffnungsträger einer ganzen Nation.

Auf dem Weg zur Führungsfigur

Gemeinsam mit seinen ebenso jungen wie talentierten Nebenmännern Luke Shaw (Manchester United) und Nathaniel Clyne vom Stadtrivalen FC Liverpool gilt Stones als Versprechen an eine erfolgreiche Zukunft der Nationalelf. Einheimische Kicker wie er sind in der englischen Milliardenliga zur Premiumware avanciert. Umso erstaunlicher, dass Everton dem Werben aus London widerstehen konnte. Diese Sturheit ist auch als deutliches Zeichen an die Konkurrenz zu werten, nicht jede Bieterschlacht mitzumachen. Im Konzept der Toffees soll der Abwehrmann eine Führungsrolle einnehmen – ein großer Vertrauensvorschuss für den 21-Jährigen. Angesprochen auf seinen Zögling gerät Coach Martinez regelmäßig ins Schwärmen: "Er ist ein unglaublicher Fußballer und die Tatsache, dass er die Dinge bereits in so einem jungen Alter so gut organisiert, zeigt, welche Klasse er hat".

Selbst die öffentlich gewordene Bitte um Freigabe hat dem Ansehen des Spielers nicht sonderlich geschadet. Mit unbändigem Ehrgeiz und strenger Disziplin – traditionell nicht die größte Stärke englischer Fußballer – hat er umgehend alle aufkommenden Zweifel im Keim erstickt. Kaum einer kann Stones verdenken, der Verlockung der Königsklasse kurzzeitig erlegen zu sein. José Mourinho persönlich soll alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um den Verteidiger an die Themse zu lotsen - vergeblich.

Die Entwicklung geht vor

In Everton dürfte dem ehemaligen Juniorennationalspieler nun eine Saison im Mittelmaß bevorstehen. Trotz hochveranlagter Teamkollegen wie Romelu Lukaku und Ross Barkley fehlen der Mannschaft Qualität und bislang auch spielerische Mittel, um die Top Five der Liga zu gefährden. Talentförderung wird rund um den Goodison Park allerdings groß geschrieben, wovon Stones und Co. in ihrer Entwicklung zweifelsfrei profitieren können. Zumindest bis Januar, wenn die Lockrufe der Top-Teams wieder laut werden dürften.

Bis dahin können sich die Blues nochmal live ein Bild vom Objekt ihrer Begierde machen, wenn es am Samstag um 13:45 Uhr zum Duell zwischen Everton und Chelsea kommt. Mittendrin: John Stones. Zeit, dass wieder Beatles-Hits angestimmt werden.

Mehr dazu:
>> Liveticker: Everton FC - Chelsea FC

Heiko Lütkehus