08.10.2015 16:40 Uhr

ÖFB-Reise in eine verrückte Fußballwelt

Das Team in der EM-Qualifikation zum letzten Mal auf Reisen
Das Team in der EM-Qualifikation zum letzten Mal auf Reisen

Es ist wirklich keine normale Reise für Österreichs Nationalmannschaft. Man steht bereits vor den letzten beiden Partien als Gruppensieger in der EM-Qualifikation fest und hat das fixe Ticket für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich in der Tasche. Doch vor dem Gastspiel am Freitag (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) in Montenegro blieb diese äußerst erfreuliche Ausgangsposition längst nicht die einzige ungewohnte Begleiterscheinung.

Der Abflug am Donnerstag von Schwechat begann mit Fans, die es sich vor der Weiterreise noch am Flughafen gemütlich machten und ein wenig Schlaf nachholten. Zahlreiche Schlachtenbummler aus Wales nutzten Wien als Zwischenstation vor der "final destination" in Bosnien-Herzegowina. Dort soll von Wales Historisches geschafft werden.

Dies hat Österreich schon in Schweden erledigt. Deshalb unternahm die ÖFB-Reisegesellschaft den kurzen Flug nach Podgorica in bester Stimmung. Teamchef Marcel Koller äußerte sich dennoch gewohnt konzentriert zum bevorstehenden letzten Auswärtsspiel in Montenegro. Ganz wie man den Schweizer kennt.
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Gespräche Koller/Windtner beginnen nach dem Liechtenstein-Spiel

ÖFB-Präsident Leo Windtner hatte es da schon etwas schwieriger, immerhin musste er erneut einige Male zur allseits gewünschten Vertragsverlängerung mit dem Erfolgscoach Stellung nehmen. Seit das Interesse von Borussia Mönchengladbach publik wurde, hatte der Verbands-Boss zu dem Thema noch mehr Anfragen als sonst.
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Der Zeitplan von Windtner ist klar: Nach dem Heimspiel gegen Liechtenstein und dem Abschluss der EM-Qualifikation Start der Gespräche mit Koller. Dann den neuen Vertrag so schnell wie möglich fixieren. Vielleicht noch vor Weihnachten als Geschenk für Österreichs Fußball-Anhänger unter dem Christbaum. Als er sich nach all den Nachfragen zur "Causa Gladbach" kurz zu seinem Teamchef setzte, meinte er nur erleichtert: "Auf den Zug springen jetzt alle auf. Ich bin schon froh, wenn wir das erledigt haben."

ÖFB-Generaldirektor Alfred Ludwig skizzierte die Vorgangsweise gegenüber weltfussball so: "Marcel Koller ist ein echter Sir mit Handschlagqualität. So lange er nicht sagt, dass er weggeht, schlafe ich ruhig. Erst muss man jetzt einmal die Gespräche Windtner/Koller abwarten und wenn es da gut ausschaut, dann können wir mit seinem Berater Dino Lamberti sprechen."

Der Umsturz auf FIFA und UEFA-Ebene als Botschaft nach der Landung

Also alles in normalen Bahnen? Weit gefehlt! Nach der Ankunft in Podgorica stand zumindest auf FIFA-Ebene die Fußballwelt auf dem Kopf. Die Nachrichten überschlugen sich: FIFA-Präsident Sepp Blatter von der Ethikkommission des Weltverbandes für vorläufig 90 Tage suspendiert und auch UEFA-Boss Michel Platini darf zunächst 90 Tage keine Funktionen im Fußball ausüben.

Dazu wurde der bereits von der FIFA suspendierte Generalsekretär Jérôme Valcke ebenfalls für 90 Tage aus dem Verkehr gezogen und der ehemalige FIFA-Vizepräsident Chung Mong-Joon für sechs Jahre suspendiert. Kein Wunder, dass sich ÖFB-Verbandschef Windtner noch vor dem Flughafen zum Umsturz äußern musste.
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Die Chance zum totalen Neubeginn auf FIFA-Ebene mit einem "endgültigen Aufräumen" wird aber auch durch den Zeitdruck erschwert. Denn Windtner erinnerte an die nahende Frist für mögliche neue Kandidaten um das vakante Amt des internationalen Fußballoberhaupts.

Es schien fast so, als ob die FIFA-"Titanic" endgültig aufgelaufen wäre. All dies ereignete sich, als Österreichs Nationalteam im ehemaligen Titograd weilte. Dort kennt man ja auch das Schicksal des einstigen Jugoslawien nur zu gut. Heute ist Podgorica stolze Hauptstadt von Montenegro und Schauplatz des EM-Qualifikationsspiels am Freitag.

Die seit 2006 unabhängige Republik präsentierte sich am Vortag der für die Hausherren enorm wichtigen Partie bewölkt. Spätestens dann, wenn in Crna Gora ("Schwarzer Berg") wieder der Ball rollt, werden auch die FIFA-Skandale nur mehr Wolken am Geschichtshimmel sein.

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Podgorica