25.10.2015 12:16 Uhr

Jorge Jesus: Der Sündenfall

Jorge Jesus trägt jetzt die Farben von Sporting Lissabon
Jorge Jesus trägt jetzt die Farben von Sporting Lissabon

Am Sonntag steht das große Derby Lissabons an: Um 18 Uhr empfängt Benfica die Rivalen von Sporting. In diesem Jahr elektrisiert eine ganz besondere Personalie die Stadt. Coach Jorge Jesus wechselte als erster Trainer die Seiten und ging von Benfica zu Sporting. weltfussball hat sich den exzentrischen Portugiesen genauer angesehen.

Als Jorge Jesus 2009 von Braga zu Benfica ging, hatten die wenigsten Fans große Hoffnungen, dass er dem Rekordmeister zur nächsten Trophäe verhelfen könnte. Schließlich hatte Benfica seit 2005 keine Meisterschaft mehr geholt, der FC Porto strich vier Titel in Folge ein. Doch Jorge Jesus belehrte alle eines besseren.

Gleich im ersten Jahr holte der neue Coach mit dem damals mitgliederstärksten Verein der Welt den ersten Platz der Primeira Liga. Schon damals war der Jubel groß, doch noch größer wurde er in den vergangenen beiden Jahren. Unter Jesus holte Benfica 2014 und 2015 zweimal hintereinander den Ligatitel und spielte sich 2013 und 2014 sogar bis ins Finale der Europa League. Jesus ist damit der erfolgreichste Trainer in der Vereinsgeschichte Benficas – nur den Guttmann-Fluch konnte auch er nicht besiegen. Ein europäischer Titel blieb Benfica weiterhin verwehrt.

Der Sündenfall

Für die Benfica-Fans war Jorge Jesus ein Liebling, zusammen hatten sie große Erfolge geholt, aber auch bittere Niederlagen einstecken müssen. Umso größer war der Schock, als der Portugiese seinen Wechsel zum verhassten Nachbarn nach Ende seines Vertrages bekanntgab. Ausgerechnet er – ausgerechnet zu Sporting. In der langen Geschichte beider Vereine hatte es noch nie ein Trainer gewagt, die Seiten zu wechseln. Für die emotionalen Fans Benficas ein Sündenfall.

Währenddessen war Sportings Präsident sehr Stolz auf seinen Coup, mit dem er dem Rivalen aus der Hauptstadt noch eins auswischen konnte. Bruno de Carvalho meinte mit viel Pathos: "Eine neue Ära beginnt." In der Tat will Sporting endlich wieder oben mitmischen, die erste Meisterschaft seit 2002 soll her. Dafür brauchten die Hauptstädter natürlich nicht irgendeinen Trainer. Jorge Jesus sagte über sich selbst einmal: "Ich bin der beste Trainer der Welt. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der mehr über Fußball weiß als ich." Selbstvertrauen hat der Portugiese.

Warum der Wechsel?

Zum einen dürfte das kolportierte Gehalt von gut sechs Millionen Euro pro Saison eine große Rolle spielen. Mit der Finanzkraft des neuen afrikanischen Investors kein Problem für den Verein. Allerdings verbindet nicht nur das Geld Jorge Jesus und Sporting, denn schon sein Vater Virgolino de Jesus war in den 40ern Spieler der Grün-Weißen. Jorge folgte ihm, wurde in der Jugendakademie des Vereins ausgebildet und war selbst drei Jahre von 1973 bis 1976 Profi bei den Löwen.

Am Sonntag steht also das Wiedersehen in Benficas Heimstätte an – dem Estádio da Luz. Doch Jorge Jesus traf bereits einmal mit Sporting auf Benfica, als beide Teams am 9. August den Supertaça, den portugiesischen Supercup zwischen Meister und Pokalsieger, ausspielten. Sporting gewann das brisante Duell mit 1:0. Damit bestätigte der neue Trainer die frischen Ambitionen der Löwen, die er selbst vor der Saison formuliert hatte: "Wir müssen uns als Kandidaten ansehen, der alle Titel in Portugal gewinnen kann. Wir müssen den Löwen wieder aufwecken, der seit vielen Jahren schläft."

Hitziges Derby

Jorge Jesus ist für seine exzentrische Art bekannt. Ende 2013 wurde er beispielsweise für 30 Tage gesperrt, da er sich Ordnungskräften entgegengestellt hatte, die auf den Rasen laufende Benfica-Fans festnehmen wollte. Vor dem Supertaça kamen Gerüchte auf, dass der Coach einigen seiner Ex-Spieler provozierende SMS geschickt haben sollte. Und nach der Partie löste er nach einem Wortgefecht mit Benficas Jonas sogar eine Rangelei aus.

Auch am Sonntag wird es heiß hergehen. Die Wunden nach dem Wechsel sind noch lange nicht verheilt, auch weil Sporting bislang das zeigt, was sich die Verantwortlichen von Jorge Jesus Verpflichtung versprochen haben. Die Grün-Weißen sind punktgleich mit Porto und liegen auf Rang zwei, während Benfica in einer kleinen Krise steckt und mit fünf Zählern Rückstand die Verfolgung aufnehmen muss. Entweder schießen die Löwen die Adler vorerst aus dem Meisterschaftsrennen oder Benfica meldet sich zurück. Egal wie es endet, Jorge Jesus wird mit Sicherheit wieder für Schlagzeilen sorgen.

Das Derby de Lisboa im Live-Ticker bei weltfussball
>>> Benfica – Sporting

Florian Pütz