Nach acht Jahren Zweitklassigkeit sind die Hornets aus Watford zurück in der Premier League. Der Start ist geglückt: Als bester Aufsteiger rangiert der Klub aus der Grafschaft Hertfordshire im gesicherten Mittelfeld. Verantwortlich für den Aufschwung ist das Engagement einer millionenschweren Familie, die den Verein zum neuen Zentrum ihres Fußballimperiums erkoren hat.

Wenn das kein Anreiz war: Als Watford FC im vergangenen März die Kräfte für den Saisonendspurt im Aufstiegskampf bündelte, sorgte ausgerechnet Sir Elton John für zusätzliche Motivation. Der Weltstar, 16 Jahre lang Präsident des Klubs, versprach eine wilde Champagnerparty, sollte den Hornissen die Rückkehr ins englische Oberhaus gelingen.

Gesagt, getan. Nachdem der entscheidende Dreier in Brighton unter Dach und Fach war, zählte der Edelfan wenige Minuten später zu den ersten Gratulanten bei den Machern des Erfolges - der einflussreichen Unternehmerfamilie Pozzo aus Udine.

Auf allen Ebenen erstklassig

2012 hatte der Clan um Giampaolo Pozzo, der sein Vermögen einst in der Metallbranche machte, den Verein für rund 520.000 Euro übernommen. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Aushängeschild Udinese Calcio der millionenschweren Familie bereits seit 26 Jahren.

Doch damit nicht genug: Der Zukauf des damaligen spanischen Drittligisten Granada CF folgte 2009. Eine gute Investition, denn nur drei Saisons später kickte der Underdog sensationell in der Primera División. Da mittlerweile auch Watford erstklassig spielt, ist eine europaweit einzigartige Konstellation entstanden: Erstmals treten die drei Pozzo-Teams 2015/2016 allesamt in der höchsten Spielklasse ihres Landes an. Ausschlaggebend dafür ist die außergewöhnliche Philosophie der Eignerfamilie.

Bei Transfers wird von jeher mit großer Weitsicht gehandelt, das Wettbieten der finanzstarken Konkurrenz überlassen. Dank eines beeindruckenden Scouting-Systems werden immer wieder Top-Talente aus aller Welt angelockt und systematisch aufgepäppelt. So auch ein gewisser Alexis Sánchez, der seinen Weg zum Weltklassestürmer einst in Udine begann. Größter Profiteur dieses Netzwerks war zuletzt Watford, das sich jüngst zum neuen Flaggschiff des Imperiums gemausert hat.

Buntes Wechselspiel

Zur gängigen Praxis des Pozzo-Clans gehört es, junge Kicker zwischen den Standorten in Granada, Udine und Watford hin- und herzutauschen. Das Kalkül dahinter: Setzt sich ein Spieler durch, steigt der Marktwert automatisch. Schafft er den Sprung nicht, empfängt ihn der nächste Klub der Familie mit offenen Armen. Wie gut dieses Prinzip funktionieren kann, zeigt derzeit Odion Ighalo, der mit sieben Treffern zu den Shootingstars der Premier League zählt.

Beim heute 26-Jährigen war jedoch Geduld gefragt. Bereits im Sommer 2008 schloss sich der Mittelstürmer Udinese Calcio an, wo ihm der Durchbruch allerdings verwehrt blieb. Vier Jahre in Granada brachten den Nigerianer schließlich auf Kurs, wie er heute sagt: "Die Zeit in Spanien hat mir sehr geholfen, mich an das hohe Niveau in Europas Top-Ligen zu gewöhnen".

Seit Juli 2014 geht Ighalo nun für die Hornets auf Torejagd. Längst soll halb Europa ein Auge auf den Nationalspieler geworfen haben. Gino Pozzo, Sprössling des Clans und aktueller Watford-Besitzer, dazu: "Er ist ein Idealbeispiel für den Erfolg unserer Philosophie".

Erfahrung für den Klassenerhalt

Im Haifischbecken Premier League einzig und allein auf entwicklungsfähige Talente zu setzen, kam für die Entscheidungsträger gleichwohl nicht in Frage. Entsprechend fleißig waren die Verantwortlichen im Sommer, als allen voran die Verpflichtung erfahrener Führungsspieler auf der Agenda stand. 13 Neue fanden den Weg an die Vicarage Road, aus der Bundesliga kamen mit HSV-Flop Valon Behrami und dem Ex-Bremer Sebastian Prödl zwei gestandene Defensivspieler. Das Gesicht des Teams wurde deutlich verändert, nur acht Aufstiegshelden durften bleiben. Auffallend: Gerade einmal drei Engländer sind noch im Aufgebot zu finden. In Zeiten ständig neuer Rekordablösen sind erstligataugliche Inselkicker für einen Außenseiter wie Watford schlichtweg nicht zu stemmen.

Nichtsdestotrotz läuft's bislang rund für die neu zusammengewürfelte Truppe. Aus den ersten zwölf Partien holte das Team jeweils vier Siege, Unentschieden und Niederlagen - ein durchaus gelungener Start für einen Neuling. Chefcoach Quique Flores, der den Trainerposten erst im Juli von Slaviša Jokanović übernommen hatte, gilt Szenekennern als Taktikfuchs, der auch aus vermeintlich limitierten Mannschaften erstaunlich viel herauskitzeln kann. Dabei wären alle Beteiligten doch schon mit dem vorzeitigen Klassenerhalt zufrieden.

Nun steht ein absolutes Heimspiel-Highlight auf dem Programm: Manchester United reist am Wochenende nach Watford (Samstag ab 13:45 Uhr im weltfussball-Liveticker). Hält die bislang so sattelfeste Defensive (erst 12 Gegentreffer) auch dem Sturm der Red Devils stand, könnte bald die nächste Champagnerparty im Hause Pozzo anstehen.

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Heiko Lütkehus