30.01.2016 10:00 Uhr

Joey Barton: Verrückt, verhasst, geläutert?

Joey Barton (r.) ist im Zweikampf noch immer gallig
Joey Barton (r.) ist im Zweikampf noch immer gallig

Englands Skandalnudel Joey Barton hat seine wohl letzte Chance im Profifußball vor der Saison beim Zweitligisten Burnley FC bekommen. Mit den Clarets will er am Samstag (ab 16:00 Uhr im weltfussball-Liveticker) im FA Cup bei Arsenal für eine Überraschung sorgen. Bartons großes Ziel ist aber der Aufstieg in die Premier League. Auf dem Weg dahin gibt er sich geläutert.

Trevor Sinclaire war begeistert. Der frühere Manchester-City-Akteur lobte seinen Ex-Mannschaftskameraden Joey Barton über den grünen Klee. "'Ginger Mourinho' (Spitzname von Burnley-Teammanager Sean Dyche) hat das Beste aus Joey Barton herausgeholt. Es geht aufwärts", schrieb der 42-Jährige am vergangenen Montag bei Twitter.

Zuvor hatte Barton sein Team mit einer starken Leistung zu einem deutlichen 4:1-Erfolg im Championship-Spitzenspiel gegen Derby County geführt. Souverän im Spielaufbau, präsent in der Defensive und vor allem über 90 Minuten mit vollem Einsatz dabei: Die Performance des 33-Jährigen im Duell mit dem unmittelbaren Tabellennachbarn erfreute nicht nur Sinclair und erinnerte überraschenderweise an die eines Musterprofis.

Skandale überschatten die Karriere

Joey Barton und Musterprofi - eine eigentlich undenkbare Kombination. Wie ein roter Faden zogen sich Skandale und Eskapaden durch die Laufbahn des einst bei Everton, Liverpool und den Sky Blues ausgebildeten Ex-Nationalspielers. Barton prügelte im Suff einen Teenager ins Krankenhaus, wurde gegenüber Teamkameraden und Fans handgreiflich und bepöbelte in sozialen Netzwerken unzählige Male Gegenspieler, Klubs und Verantwortliche. Sein unbestreitbar großes fußballerisches Können verkam so häufig zur Randnotiz.

In einem Ligaspiel gegen seinen Ex-Klub City im Mai 2012 leistete sich der damals bei den Queens Park Rangers unter Vertrag stehende Barton seinen wohl berühmtesten Fehltritt: Nach einem Ellenbogenschlag gegen Carlos Tévez bereits vom Platz gestellt, trat er vor Verlassen des Spielfeldes Sergio Agüero und ließ sich schließlich noch zu einem Kopfstoß gegen Vincent Kompany hinreißen. Eine Sperre von 12 Spielen, die längste im englischen Fußball seit dem legendären Kung-Fu-Tritt von Éric Cantona einige Jahre zuvor, war die Folge.

Aus der Arbeitslosigkeit in Liga zwei

In Burnley erhält Barton im Herbst seiner Karriere nun einen neue Chance - vielleicht seine letzte. Der Klub verpflichtete ihn im Sommer aus der Arbeitslosigkeit heraus. Sein Vertrag bei QPR war ausgelaufen, ein Wechsel zu West Ham United scheiterte an Protesten der Hammers-Fans. Andere Optionen hatte der auf der Insel verständlicherweise nicht gut gelittene Exzentriker nicht.

Doch Dyche glaubte an den sportlichen Mehrwert des schwierigen Stars und bot ihm einen Einjahresvertrag an. Barton sagte zu - trotz eines seiner typischen Tweets aus dem Jahr 2014, in dem er tönte, er sei froh, "nicht in Burnley leben zu müssen". "Über sein Verhalten auf dem Platz spricht jeder gut und ich traue ihm zu, dass er unsere Vereinskultur verinnerlichen kann", sagte ein hoffnungsfroher Teammanager nach der Vertragsunterzeichnung seines Wunschspielers.

Philosophie studieren und Tagebuch schreiben

Die ersten Monate der Zusammenarbeit geben Dyche Recht. Eine gewisse Anlaufzeit brauchte Barton, mauserte sich dann aber zum Stammspieler und Leistungsträger. 20 Punktspiele bestritt er für die Clarets, 19 Mal lief er dabei von Beginn an auf. In schwierigen Situationen geht der Routinier auf dem Platz mit seiner Erfahrung voran, führt das Team.

Auch abseits des Platzes sind bisher keine Probleme bekannt geworden. Sogar auf Twitter hält sich der offenbar geläuterte Krachschläger für seine Verhältnisse erstaunlich bedeckt. Seine Energie investiert er lieber in ein Philosophie-Studium, das er unlängst aufgenommen hat. Auch ein Tagebuch führt Barton inzwischen. "Es ist nicht sehr männlich, aber es hilft mir zu reflektieren. Es hat eine ka­thar­tische Wirkung", erzählt er.

"Zurück in die Premier League, das ist der Plan"

Trotz der offensichtliche Läuterung, seinen großen sportlichen Ehrgeiz hat Barton nicht verloren. Wohin es mit Burnley gehen soll, ist für ihn klar. "Zurück in die Premier League, das ist der Plan", sagt er. Gänzlich unrealistisch ist das nicht. Vier Punkte trennen das 2015 aus der Eliteklasse abgestiegene Team vom direkten Aufstiegsplatz.

Aber zunächst wartet das prestigeträchtige Pokalduell mit Arsenal. An die Gunners hat Barton gute Erinnerungen. 17 Mal spielte er in seiner Karriere schon gegen die Londoner und schoss dabei drei Tore - gegen kein anderes Team gelangen ihm mehr.

Er selbst sieht sich natürlich ohnehin als Erstligaspieler. "Ich weiß sicher, dass ich in der Premier League mithalten könnte. Ich sage das nicht leichtfertig, sondern nach reiflicher Analyse der Dinge", erklärt er. Gesundes Selbstbewusstsein oder maßlose Selbstüberschätzung? So oder so: Die Aussage klingt - fast ein wenig beruhigend - doch wieder nach dem alten Joey Barton.

Mehr dazu:
>> Vereinsspiele von Joey Barton

Tobias Knoop