12.02.2016 14:10 Uhr

Wie soll Rapid einen Titel gewinnen?

"Wir waren furchtbar enttäuscht", gesteht Rapid-Trainer Zoran Barisic im Blick zurück auf das bittere Out im Viertelfinale des ÖFB-Cups. Die Chance auf den "einfachsten" Titel ist dahin und nun geht es in das Wiener Derby am Sonntag (ab 16:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) auswärts gegen die Austria.

Es war bisher wirklich nicht die Woche des SK Rapid. Zuerst am Mittwoch die 0:1-Pleite gegen Admira Wacker und dann schlug es am Freitag beim Pressefrühstück im Ernst Happel-Stadion erneut ein. Der offizielle Medientermin war bereits beendet, Rapid-Sportchef Andreas Müller stand noch für ein Gespräch zur Verfügung. Die Hiobsbotschaft von der eingeschlagenen Seitenscheibe des vor dem Stadion geparkten Autos seines Pressechefs Peter Klinglmüller und des Diebstahls seiner Tasche ließen Müller jedoch sofort die Treppen hinuntereilen.

Die Glasscherben auf dem Boden und der Verlust der Utensilien des Sportdirektors waren bezeichnend für rabenschwarze Tage der Grün-Weißen. Drei Siege fehlten noch auf den ersten Cupsieg seit 1995. Ein Titel, der bei realistischer Betrachtung weit leichter zu gewinnen ist, als die Bundesliga wo noch 15 Runden zu spielen sind. Grenzenlose Optimisten unter den Rapid-Fans spekulieren zudem auch in der Europa League mit einem Siegeszug bis zum Finale in Basel. Für einen Europacup-Sieg müssten jedoch nach Valencia noch vier weitere internationale Topgegner ausgeschaltet werden.

"Vielleicht zu sehr unter Druck gesetzt"

Neben der sportlichen Führung mit Barisic und Müller hatte auch Abwehrchef Mario Sonnleitner, der am Mittwoch beim Gegentor kurz vor Schluss folgenschwer über den Ball geschlagen hatte, auf dem Podium Platz genommen. Die meisten Fragen galten dem 316. Wiener Derby. Aber das Scheitern im ÖFB-Cup bot vorerst noch mehr Zündstoff.

"Es war schrecklich", gestand Sonnleitner. "Wir waren fokussiert auf den Cup und noch gestern hat man die Enttäuschung gemerkt." Als junger Kaderspieler erlebte Sonnleitner 2004 das Double des GAK und 2010 den Cupsieg mit Sturm mit. Danach wechselte er nach Hütteldorf. Titel mit Rapid? Fehlanzeige! "Das ist sehr ärgerlich. Natürlich war es mein Ziel als ich nach Wien gekommen bin Titel zu gewinnen. Aber ich denke nicht, dass es eine Qualitäts- oder Mentalitätsfrage ist, dass ich darauf noch warten muss", so der 29-jährige Innenverteidiger gegenüber weltfussball.

"Wir haben ja noch in dieser Saison die Chance einen anderen Titel zu holen. In der Liga ist sehr viel drin", zeigte sich der Steirer optimistisch. "Wir dürfen uns jetzt nicht zu sehr selbst in Frage stellen, sondern müssen weiter an uns glauben."

Sein Trainer vermutete, dass sich die Mannschaft im Cup "vielleicht sogar zu sehr unter Druck gesetzt hatte." Zoran Barisic war sonst bei vielen anderen Fragen mit seinen Antworten kurz angebunden. Zugegeben, es lag auch an einigen Fragen wie Blumen und Liebe zum Valentinstag oder der Meinung des Rapid-Trainers zur Flüchtlingsthematik.

"Bekomme positives Feedback, weil wir den schönsten Fußball spielen"

Fast sehnsüchtig bat der Ex-Teamspieler um sportliche Gespräche zum Thema Fußball. Wenig später wurde er dabei sehr energisch. Auf die weltfussball-Nachfrage zur anhaltenden Titellosigkeit von Rapid und dem erneuten Aus im ÖFB-Cup antwortete der Coach der Hütteldorfer: "Wir waren furchtbar enttäuscht, denn die erste Halbzeit haben wir gut gespielt und hätten 3:0, 4:0 oder 5:0 führen können."

Eine skeptische Reaktion auf diese Aussage, ließ die Wogen kurz hochgehen. Einige Minuten später war es wieder sachlich. "Wir wissen unter welchen Voraussetzungen, wir damals bei Rapid übernomen haben. Es galt die Schere zu Salzburg und zur Austria zu schließen. Heute erhalte ich viel positives Feedback für meine Arbeit und Lob, weil wir den schönsten Fußball in Österreich spielen. Und ja: Natürlich will ich auch Titel mit Rapid gewinnen."

Nach "Mega-Enttäuschung" will Rapid-Sportchef "Jetzt erst recht"-Mentalität

Sportchef Müller saß noch vor seinem persönlichen Aufreger am Ende der Pressekonferenz neben seinem Trainer und antwortete da auf die Frage nach der vergebenen Titelchance weit ruhiger. "Die Niederlage im Cup war eine Mega-Enttäuschung. Aber es bringt herzlich wenig, wenn man das Spiel zu lange im Kopf hat und daran festhält, was da passiert ist."

Für das Derby wünscht sich der Ex-Schalke-Mittelfeldmotor eine "Jetzt erst recht"-Mentalität. "Gerade nach dem Out im Cup ist es sehr wichtig zu zeigen, dass wir eine Mannschaft sind, die schnell wieder ihre absolute Leistungsfähigkeit erreichen kann."

"Was passiert ist, hindert uns nicht daran, unsere Ziele aufrecht zu erhalten. In der Liga ist weiterhin alles drin", so Müller, der "ein heißes Herz und einen kühlen Kopf" forderte.

Bei der Titelbilanz seit 1997 nur auf Platz sechs

Einen kühlen Kopf brauchen auch die Rapid-Fans, wenn man einen Blick auf die Titelbilanz seit 1997 wirft. Denn diese verheißt für den österreichischen Rekordmeister nichts Gutes. Acht Titel weniger als Budgetkrösus RB Salzburg? Nicht prestigeträchtig, aber monetär erklärbar.

Sechs Titel weniger als Erzrivale Austria? Ein Tabuthema bei Grün-Weiß. Dazu noch eine geringere Ausbeute als Sturm Graz und die finanziell abgestürzten Ex-Meister GAK und FC Tirol? Ein Faktum. Immerhin liegt man dafür noch gleichauf mit der SV Ried und konnte Größen wie den FC Kärnten sowie Pasching hinter sich lassen.

Überblick der österreichischen Titelbilanz seit 1997:

1. Salzburg 10 Titel (Meister 1997. 2007, 2009, 2010, 2012, 2014, 2015 sowie Cupsieger 2012, 2014, 2015)
2. Austria Wien 8 Titel (Meister 2003, 2006, 2013 sowie Cupsieger 2003, 2005, 2006, 2007, 2009)
3. Sturm Graz 6 Titel (Meister 1998, 1999, 2011 sowie Cupsieger 1997, 1999, 2010)
4. GAK 4 Titel (Meister 2004 sowie Cupsieger 2000, 2002, 2004)
5. FC Tirol 3 Titel (Meister 2000, 2001, 2002)
6. Rapid 2 Titel (Meister 2005, 2008)
6. SV Ried 2 Titel (Cupsieger 1998, 2011)
8. FC Kärnten 1 Titel (Cupsieger 2001)
8. FC Pasching 1 Titel (Cupsieger 2013)

Mehr dazu:
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Christian Tragschitz