26.03.2016 22:44 Uhr

Gedreht - England zeigt DFB die Schwächen auf

Am Ende dürfen Jamie Vardy (r.) und die Three Lions noch den Sieg bejubeln
Am Ende dürfen Jamie Vardy (r.) und die Three Lions noch den Sieg bejubeln

Bei der DFB-Elf ist zweieinhalb Monate vor Beginn der EM-Endrunde in Frankreich noch reichlich Sand im Getriebe. Im prestigeträchtigen Klassiker gegen England verspielte die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw in Berlin eine 2:0-Führung und startete mit einer 2:3 (1:0)-Niederlage ins EM-Jahr. Dabei offenbarte der Weltmeister besonders im Abwehrverhalten Schwächen. Für den nächsten EM-Härtetest am Dienstag in München gegen Italien ist eine Steigerung in nahezu allen Bereich erforderlich.

Nach der falschen Abseitsentscheidung bei einem Treffer des insgesamt überzeugenden Rückkehrers Mario Gomez (27.) brachte Toni Kroos die deutsche Elf in Führung: Zwei Minuten vor der Pause nutzte der Mittelfeldstar von Real Madrid vor 71.413 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion einen seltenen Freiraum zu einem Linksschuss aus gut 25 Metern zum schmeichelhaften 1:0. Zwölf Minuten nach dem Seitenwechsel erhöhte Gomez, der sich über Wochen durch starke Leistungen bei Beşiktaş für sein Comeback in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes nachdrücklich empfohlen hatte, per Kopf auf 2:0. Für den 30-Jährigen bedeutete der Treffer das erste Länderspiel-Tor seit seinem Doppelpack im EM-Spiel am 13. Juni 2012 gegen die Niederlande.

Kane bringt die Wende

England kam allerdings danach durch Harry Kane (61.) schnell ins Spiel zurück und durch das erste Länderspiel-Tor des kurz zuvor eingewechselten Shootingstars Jamie Vardy (74.) auch zum durchaus verdienten Ausgleich. In der Nachspielzeit besiegelte Eric Dier die deutsche Niederlage (90.+1.).

Vor allem in der Defensive des Weltmeisters hakte es 78 Tage vor dem ersten EM-Vorrundenspiel am 12. Juni in Lille gegen die Ukraine lange an allen Ecken und Enden. Ohne die verletzten Abwehrspieler Jérôme Boateng und Benedikt Höwedes wirkte aber besonders die Viererkette gegen mutig agierenden Engländer nicht besonders sicher. Mit Emre Can auf der rechten Außenbahn und Antonio Rüdiger in der Innenverteidigung fehlte es der Hintermannschaft an Stabilität. Dennoch verhalf Löw dem Leverkusener Jonathan Tah im zweiten Durchgang im Tausch gegen Abwehrchef Mats Hummels zum Länderspiel-Debüt.

Die Gäste, die keinen ihrer vorherigen acht Auftritte in der deutschen Hauptstadt gegen die DFB-Auswahl verloren hatten, konnten die immer wieder aufreißenden Lücken aber nicht nutzen. Kane vergab dabei früh die zunächst beste Gelegenheit für den Weltmeister von 1966 (7.).

Im Spiel nach vorne wussten die Platzherren in ihrem ersten Spiel nach den Terroranschlägen von Paris beim Länderspiel in Frankreich am 13. November durchaus zu gefallen. Allerdings blieben ganz große Chancen weitgehend Mangelware. Gomez und auch Kroos hatten zwar vereinzelt gute Szenen im Strafraum der Three Lions, unter dem Strich war das Gehäuse von England Ersatztorhüter Jack Butland allerdings abgesehen vom nicht anerkannten Gomez-Treffer bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechselung nach Deutschlands Führungstreffer kaum in ernsthafter Gefahr.

Die deutsche Abwehr ist noch nicht reif für die EM

In der zweiten Hälfte bot sich insbesondere nach Englands Anschlusstreffer das gleiche Bild. Mehrfach geriet Löws Abwehr bei schnellen Angriffen der Gäste in arge Bedrängnis, wiederholt auch durch individuelle Schwächen.

Nach Vardys Tor mussten die Hausherren in der Schlussphase zwischenzeitlich sogar eine Niederlage befürchten, zumal praktisch keinerlei Angriffe wenigstens zur vorübergehenden Entlastung gestartet wurden. Von Mesut Özil war faktisch nichts zusehen, und auch Marco Reus und Thomas Müller blieben ausgesprochen blass. Auch die Hereinnahme von Lukas Podolski veränderte an der Gewichteverteilung im Spiel kaum etwas zugunsten von Löws Mannschaft, in der die beiden Torschützen sich die Bestnoten verdienten.

Die Begegnung fand nach den jüngsten Terroranschlägen von Brüssel unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen statt. Vor dem Anpfiff blieb es nach Polizeiangaben in der Hauptstadt ruhig. Beide Teams trugen in Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in der belgischen Hauptstadt Trauerflor, zudem hatte es vor dem Anpfiff eine Schweigeminute gegeben.

Deutsche Spieler können sich Niederlage nicht erklären

Nach dem Abpfiff kann DFB-Stürmer Mario Gomez die Pleite noch nicht recht erklären: "Das ist ein Stück weit unerklärlich. Bis zum 2:0 haben wir richtig gut gespielt, haben aber vielleicht unsere Chancen nicht gut genug genutzt. Danach haben wir zu weit auseinander gestanden, und bei Standards sind die Engländer eben eine Macht. Ich persönlich freue mich, wieder dabei zu sein, und dass ich wieder die Körner habe mitzugehen. Ich schaue jetzt auch mehr darauf, der Mannschaft zu helfen, und weniger darauf, ob ich ein Tor mache oder nicht."

Toni Kroos kritisiert die deutsche Abwehrarbeit und nimmt die Mannschaft in die Pflicht: "Wenn man spielt, will man auch gewinnen. Von daher ist das Ergebnis immer wichtig. Wir haben in der zweiten Halbzeit schlecht verteidigt. Zwar hatten wir auch eine neue Formation in der Abwehr, aber das hätte trotzdem nicht passieren dürfen."

Für Sami Khedira bleibt die Erkenntnis, dass man 90 Minuten am Ball bleiben muss: "Eine unnötige, dumme Niederlage. Jeder Einzelne muss sich darauf besinnen, hart zu arbeiten. Wir haben bis zum 2:0 viel richtig gemacht, danach weniger. Dann hat England uns bestraft. Wir haben aber 60 Minuten ein gutes Spiel gemacht. Das müssen wir gegen Italien und dann bei der EM besser machen."