11.05.2016 08:00 Uhr

PL-Machtwechsel: Momentaufnahme oder mehr?

Beim FC Chelsea geht die Angst vorm Mittelmaß um
Beim FC Chelsea geht die Angst vorm Mittelmaß um

Am Ende griff der FC Chelsea doch noch ins Titelrennen ein: Als Eden Hazard den Ball elegant zum 2:2-Ausgleich gegen Tottenham in die Maschen setzte, gerieten die Blues zum Zünglein an der Waage im Kampf um die Meisterschaft.

Der Punktgewinn im London-Derby war gleichbedeutend mit dem Aus der Spurs-Hoffnungen auf Platz eins. So sehr die Hiddink-Schützlinge anschließend für ihre Moral gelobt und von Nutznießer Leicester mit Dank überhäuft wurden, so wenig zufrieden war der entthronte Vorjahressieger mit seiner Rolle als Meistermacher. Zu tief saß der Frust über eine Spielzeit zum Vergessen.

Die Talfahrt der Elitetruppe hatte im Winter dramatische Züge angenommen und den einst unantastbaren José Mourinho schließlich den Job gekostet. Für viele Fans grenzte die Demission des Enfant terribles an Königsmord. Auch die Aufholjagd unter Nachfolger Hiddink verbesserte die Stimmung im Umfeld des Vereins nur unwesentlich. Rund um die Stamford Bridge geht längst die Angst um: War die laufende Saison doch nicht nur ein Ausrutscher? Droht angesichts neureicher Konkurrenz der dauerhafte Sturz in die sportliche Bedeutungslosigkeit?

Mit diesen Sorgen sind die Chelsea-Anhänger nicht allein. Trotz teurer Transfers in dreistelliger Millionenhöhe rennen die Manchester-Klubs United und City den eigenen Ansprüchen hinterher, eines der beiden Teams wird die Champions-League-Qualifikation sicher verpassen. Auch wenige Meilen weiter westlich blicken die Unterstützer des FC Liverpool auf ein durchwachsenes Ligajahr zurück. Bei aller Euphorie um Jürgen Klopp ist allen Beteiligten klar, dass eine weitere Saison im Niemandsland des Tableaus die Aufbruchstimmung schnell abebben lassen könnte. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass die LFC-Macher bereits vor Wochen eine Transferoffensive für den Sommer angekündigt haben.

Die Platzhirsche der Premier League müssen plötzlich um ihr Revier fürchten. Was einst in Stein gemeißelt schien, wirkt derzeit umstrittener denn je: Wer repräsentiert das Mutterland des Fußballs in naher Zukunft auf internationaler Bühne? Entsteht dank aufstrebender Teams wie Leicester, Tottenham oder West Ham eine gänzlich neue Hierarchie? Monetäre Unterschiede dürften dabei zukünftig in den Hintergrund rücken: Der neue TV-Vertrag garantiert selbst den Aufsteigern Burnley und Middlesbrough pro Spielzeit feste Einnahmen in Höhe von umgerechnet 120 Millionen Euro. Wer das Geld derart clever einsetzt wie zuletzt Leicester, könnte zum nächsten Albtraum der Etablierten avancieren.

Neues Vorbild Tottenham

Um die Kräfteverhältnisse wieder gerade zu rücken, müssen Chelsea, Manchester und Co. neue Wege einschlagen. Ausgerechnet Tottenham, jahrelang Opfer der hohen Erwartungen im Umfeld und auf der Insel als "ewiger Loser" verschrien, macht den Ligariesen vor, wie Kontinuität und Geduld im Umgang mit Talenten zum Aufschwung führen kann. Unter dem Argentinier Mauricio Pochettino hat sich eine junge, hungrige Einheit gebildet, die ihren Zenit noch längst nicht erreicht hat. Die Mischung stimmt, der Erfolg ist mehr als eine flüchtige Momentaufnahme. Ein neuer Raubfisch wildert im Haifischbecken Premier League.

Beim FC Chelsea soll Antonio Conte nun den nötigen Biss erzeugen und die Blues zurück in die Top 4 führen. Als Coach der Squadra Azzurra hat der 46-Jährige bereits nachgewiesen, dass er der richtige Mann für einen personellen Umbruch ist. Ein solcher ist beim Abramowitsch-Klub längst überfällig: Speziell die Abwehr um Oldie John Terry und seine Nebenmänner Branislav Ivanović und Gary Cahill wirkte in den vergangenen Monaten ein ums andere Mal vom hohen Tempo der Konkurrenz überfordert. Zudem erweckten einige hochbezahlte Stars, allen voran Eden Hazard, allzu oft den Eindruck, nicht mehr ganz bei der Sache zu sein. Conte soll ihren Hunger wieder wecken.

Mehr als die vielzitierte goldene Ananas steht beim Nachholspiel der Londoner beim FC Liverpool nicht mehr auf dem Spiel. Mit zehn Zählern mehr auf dem Konto sind die Reds für den entthronten Meister nicht mehr einzuholen. Für Chelsea gilt es nun, möglichst bald einen neuen Spirit zu entwickeln, der bei Team und Anhängerschaft neue Euphorie entfacht. Nach lediglich einer Spielzeit mit vertauschten Rollen kann von einer dauerhaften Wachablösung noch nicht die Rede sein, gleichwohl dürfte der Weg zurück in die Champions-League-Region für die strauchelnden Hauptstädter kein leichter sein. Die auslaufende Saison beweist: Geld allein sorgt nicht für Glanz und Gloria.