18.06.2016 10:33 Uhr

EM 1980: Gin Tonic und Juweliergutscheine

1980 konnte die DFB-Elf die Europameisterschaft bejubeln
1980 konnte die DFB-Elf die Europameisterschaft bejubeln

Bei der EURO in Frankreich tritt die DFB-Auswahl mit dem jüngsten Kader aller Teilnehmer an. Nicht die einzige Parallele zur deutschen Europameistermannschaft von 1980, die damals in Italien sogar noch jünger war als Joshua Kimmich, Leroy Sané und Co. heute. Doch die Bedingungen für Bundestrainer Jupp Derwall und seine Rasselbande waren ganz andere.

Von den heutigen Fußballfesten in den hochmodernen Stadien waren die europäischen Wettkämpfe vor 36 Jahren allerdings noch weit entfernt. Ein Manipulationsskandal, der im Zwangsabstieg von Lazio Rom und dem AC Mailand in die Serie B gipfelte, hatte kurz vor den Spielen die italienische Zuschauerbegeisterung deutlich getrübt. Beim Eröffnungsspiel Deutschland gegen Tschechoslowakei verschlug es daher gerade einmal 10.500 Zuschauer in das Olympiastadion von Rom. So feierte die Mannschaft von Jupp Derwall vor karger Kulisse einen unspektakulären 1:0-Sieg zum Auftakt.

Dabei bestach die deutsche Mannschaft, die sich erst kurz vor dem Turnierbeginn ohne vorheriges Trainingslager in Italien versammelt hatte, ähnlich wie heute, durch hohe individuelle Klasse. Im Mittelfeld ging der Stern des jungen Bernd Schuster, damals 20 Jahre jung, auf. Daneben brillierten mit Hansi Müller und Klaus Allofs (beide 23) zwei weitere Jungspunde. Kapitän Bernard Dietz und Karl-Heinz Rummenigge gingen als erfahrene Spieler vorweg.

Rekordspieler feiert bei Allofs-Gala sein Debüt

Im zweiten Gruppenspiel war es dann Frischling Allofs vorbehalten zum Matchwinner zu avancieren. Mit drei Treffern schoss er den Vizeweltmeister Niederlande beim 3:2-Erfolg fast im Alleingang aus dem Stadion. Ein denkwürdiger Auftritt, der auch aufgrund einer besonderen Einwechslung Geschichte schrieb. In der 73. Minute kam für Dietz ein gewisser Lothar Matthäus zu seinem Länderspiel-Debüt. Mit gerade einmal 19 Jahren feierte der spätere Rekordnationalspieler seinen Einstand im DFB-Trikot und half, den zweiten Sieg perfekt zu machen. 

Das letzten Gruppenspiel gegen Griechenland geriet anschließend zur Farce. Nachdem die deutsche Elf bereits sicher für das EM-Finale qualifiziert war, entschloss sich Trainer Derwall mit Dietz, Schuster und Allofs gleich drei gelb-vorbelastete Leistungsträger zu schonen. Ein für die Zuschauer quälendes torloses Unentschieden war die Folge, welches vor allem im Heimatland für Kritik am Bundestrainer sorgte. 

Unmut, der sich mit dem Finaltriumph gegen die Überraschungsmannschaft aus Belgien endgültig in Wohlgefallen auflösen sollte. In einem engen Spiel besorgte Horst Hrubesch – natürlich per Kopf – den 2:1-Siegtreffer. Die aus heutiger Sicht absurde Siegprämien von 25.000 DM pro Akteur war der Lohn. Zudem gab es eine 2500-Mark-Juweliergutschein für die Spielerfrauen.

Zusammenhalt als zeitlose Erfolgsformel

Der Erfolg von Derwalls Rasselbande wurde im Nachhinein immer wieder auf den tollen Teamspirit der eingeschworenen Truppe zurückgeführt. "Wir sind als Team immer weiter zusammengewachsen, das ist sehr wichtig bei einem Turnier", sagte Hrubesch gegenüber "dfb.de". Auch eine Parallele zur Neuzeit. So wurde nach dem WM-Sieg 2014 besonders der Zusammenhalt innerhalb des Kaders gewürdigt. So sehr, dass das Marketingkonstrukt "Die Mannschaft" als Teamname erfunden wurde.

Während Boateng und Co. aber wochenlang überwiegend abgeschirmt an ihrer Turnier-Form arbeiten konnten, teilten sich die EM-Sieger von 1980 das Hotel mit anderen Urlaubern. Lediglich die fünfte Etage war im Holiday Inn für den DFB reserviert. So machte sich bei den Spielern Ferienstimmung breit. "Abgesehen vom Training und den Spielen lebten wir wie Urlauber", erinnerte sich Allofs später in der "11 Freunde". "Es kam auch mal vor, dass wir abends mit einem Journalisten am Pool ein Glas Gin Tonic tranken." Das tat der Leistung der Derwall-Schützlinge aber keinen Abbruch.

Trotz der Unterschiede, dürfte sich im Falle eines erneuten EM-Triumphes eine weitere Geschichte wiederholen: Anno 1980 jubilierte die heimische Presselandschaft nach dem Turniersieg und feierte die deutsche Auswahl als ein Versprechen für die Zukunft. Auch jetzt ist es nicht schwer vorauszusagen, dass die Lobeshymnen kaum abreißen werden, sollte DFB-Kapitän Bastian Schweinsteiger am 10. Juli den Pokal in den Pariser Himmel stemmen. Sané, Kimmich und Co. dürften spätestens dann als Versprechen für eine goldene Zukunft gelten. So wie damals Allofs, Matthäus und ihre Mannschaftskameraden.

Falk Velten