28.06.2016 11:35 Uhr

Mehr als Bale: Wales setzt auf Ramsey-Effekt

Blondschopf Ramsey ist der heimliche Star der Waliser
Blondschopf Ramsey ist der heimliche Star der Waliser

Über die "Todesliste" lächelt Aaron Ramsey nur müde. Er habe Steve Jobs auf dem Gewissen, Whitney Houston, zuletzt auch David Bowie - das glauben zumindest manche Verschwörungstheoretiker. "Ramsey-Effekt" heißt jene seltsame, wirre Geschichte, derzufolge nach einem Tor des Walisers regelmäßig Berühmtheiten das Zeitliche segnen. Ramsey nennt das gelangweilt "lächerlich".

Zumal der 25-Jährige bei der EM längst bewiesen hat, dass der wahre Ramsey-Effekt ein ganz anderer ist. Erstens, weil nach seinem Tor gegen Russland (3:0) der Boulevard vergeblich auf prominente Opfer wartete. Zweitens, weil der Arsenal-Star in Frankreich statt tödlicher Tore den tödlichen Pass bevorzugt - im Idealfall auch am Freitag im Viertelfinale gegen Belgien.

Zwei Assists hat Ramsey bei der EM bereits gesammelt. Der Denker und Lenker hat allen Kritikern gezeigt, dass Wales eben nicht nur aus Weltstar Gareth Bale besteht. Ramsey zieht im Mittelfeld gekonnt die Fäden, er tritt körperlich robust auf und strahlt Torgefahr aus. Schwedens Zlatan Ibrahimović, der andere "einsame Weltstar" der EM, konnte bei Schweden von solch einem Mitspieler nur träumen.

Ramsey ist nur ein Jahr jünger als Bale, ein wenig stand er immer im Schatten des Weltstars. Dabei hat "Rambo", wie er seit einer Rangelei zu Schulzeiten genannt wird, einen ähnlich eindrucksvollen Weg genommen. Mit nur 16 Jahren und 124 Tagen debütierte er für Cardiff City, mit 17 für Wales, ManUnited und Everton lockten früh mit Geld, Arsenal machte das Rennen.

Eine echte Kämpfernatur

"Aaron ist ein kompletter Mittelfeldspieler. Er kann verteidigen, er kann angreifen, er kann Tore schießen", sagt Gunners-Teammanager Arsène Wenger. Immerhin 187 Spiele hat Ramsey inzwischen für Arsenal absolviert, nach einem brutalen Foul von Stoke-Verteidiger Ryan Shawcross fiel er einst mit einem Schien- und Wadenbeinbruch für neun Monate aus, kam zurück und setzte sich durch.

Ramsey ist eine Kämpfernatur, als Jugendlicher spielte er erfolgreich Rugby. In Kombination mit dem genialen Gareth Bale macht das die walisischen Drachen so gefährlich. "Gareth kann in jedem Team der Welt den Unterschied ausmachen - aber für Aaron gilt das auch. Gegen Russland hatten wir eine Chance nach der anderen, und viel lief über Aaron", betont Teammanager Chris Coleman.

Privat ist Ramsey ein äußerst ruhiger Zeitgenosse, der sich für Tierschutz einsetzt und die Zeit lieber mit Jugendliebe Colleen Rowlands auf der Couch statt auf Partys verbringt. Umso größer war die Überraschung, als er zur EM-Vorbereitung mit blond gefärbten Haaren anreiste. "Mit Justin Bieber fahren wir ins Trainingslager", schrieb Rechtsverteidiger Chris Gunter auf Twitter. Immerhin: Auf dem Rasen fällt Ramsey nun erst recht auf. Nötig hätte er das aber nicht.

Häme für den großen Nachbarn

Derweil zeigten Ramsey und Co. wenig Mitleid mit den benachbarten Engländern. Im Gegenteil: Mit Jubelschreien und Freudentänzen haben die Waliser die Niederlage der Three Lions gegen Island gefeiert. Wie Videoaufnahmen zeigen, gab es für Spieler und Betreuer im Mannschaftsquartier mit dem Schlusspfiff kein Halten mehr. Die Roten Drachen freuten sich, als hätten sie gerade eben den EM-Titel gewonnen, ihre Schadenfreude konnten sie dabei nicht verhehlen. Kein Wunder: Wales ist nun der letzte verbliebene Vertreter von der britischen Insel.