02.07.2016 11:09 Uhr

Italien: Unter Conte zurück zu alter Stärke

Antonio Conte (m.) führte Italien zurück in die Weltspitze
Antonio Conte (m.) führte Italien zurück in die Weltspitze

Jetzt wartet der ultimative deutsche Angstgegner Italien. Vor dem Turnier noch als Außenseiter gehandelt, formte Trainer Antonio Conte seine Oldie-Trupppe zu einem der Top-Favoriten. Dabei überzeugt die Squadra Azzurra schon traditionell mit perfekter taktischer Ausrichtung und Organisation. weltfussball.de nimmt den Viertelfinalgegner des DFB-Teams unter die Lupe.

Formkurve:

Der 2:0-Sieg gegen Noch-Europameister Spanien sendete ein klares Signal an die Konkurrenz: Mit Italien ist wieder zu rechnen. Waren die beiden Erfolge in der Gruppenphase gegen Belgien (2:0) und Schweden (1:0) vor allem auf die starke Defensive zurückzuführen, überzeugte der viermalige Weltmeister gegen Spanien gerade in der Anfangsphase mit einer offensiveren Grundordnung, die durch ein hohes Pressing für schnelle Ballverluste in den Reihen des Gegners sorgte.

Nach den deutlichen Testspielniederlagen gegen Belgien (1:3) und Deutschland (1:4) im Vorfeld der EM galt die Squadra Azzurra noch als Außenseiter. Punktlich zum Turnierstart hat der viermalige Weltmeister allerdings zu alter Stärke zurückgefunden. Die Defensive steht wie gewohnt sicher und auf den Weg nach vorne leisten sich die Italiener kaum überhastete Ballverluste. Mit einem fortgeschrittenen Durchschnittsalter von 28,57 steht die Mannschaft von Trainer Conte sinnbildlich für Abgezocktheit und Routine.

Player to watch: 

Giorgio Chiellini ist ein Verteidiger alter italienischer Schule. Humorlose Grätschen und eisenhartes Zweikampfverhalten sind sein Markenzeichen. Viermal hat sich der Abwehrrecke, infolge seines kompromisslosen Einsatzes, bereits seine markante Nase gebrochen. "Auf dem Platz kann er ein Schwein sein", sagt Albin Ekdal, ein Ex-Mitspieler aus vergangenen Juve-Tagen, über Chiellini: "Er schauspielert und versucht, den Schiedsrichter zu beeinflussen." 

Eigenschaften, die es zusätzlich unangenehm machen, gegen den 29-Jährigen anzutreten. Neben seiner erbarmungslosen Zweikampfhärte ist der Führungsspieler aber auch vor dem gegnerischen Tor gefährlich. So rückt der Italiener bei eigenen Standards stets mit auf und sorgt so für Unruhe beim Gegner. Zuletzt eindrucksvoll gegen Spanien zur Schau gestellt, als sich Chiellini nach einem Freistoß im gegnerischen Sechzehner behauptete und zum 1:0-Führungstreffer abstaubte.

Trainer:

Antonio Conte gilt als Vater des Erfolgs, der Italien zu alter Stärke verholfen hat und dem seine Spieler fast blind vertrauen. "Er ist der ideale Trainer für uns. Er hat eine einzigartige taktische Herangehensweise", schwärmte Torwartlegenden Gianluigi Buffon nach der Gruppenphase. Auch Bundestrainer Joachim Löw fand für sein Gegenüber anerkennende Worte: "Früher war Italien vorne nicht so durchschlagskräftig. Er hat der Offensive mehr Gewicht gegeben."

Neben dem Feld lebt der Ex-Juve-Spieler dabei den absoluten Einsatz vor. Gegen Spanien tigerte der 46-Jährige unentwegt an der Seitenlinie entlang und machte mit seinen emotionalen Ausbrüchen sogar Atlético-Raubein Diego Simeone Konkurrenz. Conte selbst scherzte nach dem Achtelfinale: "Meine Spieler haben gesagt, sie wollen mir ein GPS-Gerät umhängen, um zu messen, wie viele Kilometer ich während einer Partie zurücklege."

Stärken & Schwächen:

Das eingespielte Abwehrbollwerk von Juventus Turin um Kapitän Buffon, Barzagli, Chiellini und Bonucci ist das Herzstück des italienischen Teams. Letzterer fungiert zudem oft als verkappter Libero und Aufbauspieler, der mit langen Pässen die gegnerische Mannschaft überspielt.

Zudem arbeitet der Europameister von 1968 kollektiv und diszipliniert nach hinten. Gegen die sonst so spielstarken Spanier ließen die Italiener somit nur eine echte Torchance zu.

Im Angriff mausert sich der 30-Jährige Graziano Pellè zum Hoffnungsträger. Neben zwei eigenen EM-Treffern dient der Southampton-Angreifer oft als Zielspieler für die hohen Bälle aus der eigenen Hälfte. Im Kombinationsspiel nach vorne sind Éder und Co. aber eher limitiert. Nach den Ausfällen von Claudio Marchisio und Marco Verratti fehlt es dem italienischen Spiel im Aufbau an technischer Finesse und Kreativität. Zudem fehlt Abräumer Thiago Motta gelbgesperrt. Die bisherigen Stammkräfte Daniele De Rossi und Antonio Candreva drohen außerdem auszufallen und das Mittelfeld so weiter zu schwächen. 

Prognose für das Deutschland-Spiel:

Nach einem lockeren 3:0-Sieg gegen die Slowakei wartet im Viertelfinale der bisher größte Härtetest auf die deutsche Elf. Dabei steht fest, dass eine Serie reißen wird: Entweder die DFB-Auswahl feiert ihren ersten Pflichtspielsieg gegen die Italiener oder Jogi Löw verpasst bei seinem sechsten großen Turnier zum ersten Mal den Halbfinaleinzug. 

Özil und Co. werden dabei wohl nicht den gleichen Fehler begehen wie vor vier Jahren, als sie im EM-Halbfinale gegen den Angstgegner von der eigenen Idee des Kombinationsfußballs abwichen und sogar Toni Kroos als Pirlo-Bewacher opferten. Vielmehr wird "Die Mannschaft" durch ihre variable und kreative Spielanlage das Italien-Trauma mit einem 2:1-Erfolg ad acta legen.