03.07.2016 18:47 Uhr

Paul Pogba und das Warten auf die Explosion

Die EM von Paul Pogba ist es bislang noch nicht
Die EM von Paul Pogba ist es bislang noch nicht

Paul Pogba hebt den Kopf, seine Augen blitzen auf. Sein rechter Oberschenkel, der mühelos den Umfang eines kleineren Eichenstammes hat, schnellt nach vorn, perfekter Treffpunkt mit dem Vollspann, der Ball schlägt krachend im Winkel ein. Pogba tanzt, er zuckt im Dab-Jubel. Zumindest im Trailer zum Videospiel "FIFA 17" ist der Superstar der Franzosen noch ganz der Alte.

Bei der EM hingegen, deren unverkennbares Gesicht er werden sollte, war Paul Pogba bis zum Achtelfinale weitgehend unsichtbar - auf dem Platz und daneben. "Das Phantom", so nennt ihn die französische Nachrichtenagentur "AFP" inzwischen. Sie stellt fest: "Am 17. Mai hat sich die Nationalmannschaft versammelt. Seitdem war er auf keinem Pressetermin."

Im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz (0:0), da war Paul Pogba kurz präsent. Der 23-Jährige, der so wunderbar kraftvoll antreiben kann, wollte es allen zeigen. Er spielte wahnsinnig gute erste 20 Minuten. Ein Schuss tropfte auf die Querlatte, der Torhüter musste kurz danach grandios gegen ihn retten, dann ließ Pogba mit einem Gewaltschuss erneut die Latte erzittern.

Helden sind andere

Aber: Das war's. Die Helden der Franzosen sind Dimitri Payet und Antoine Griezmann, und ein Land fragt sich: Was hat Pogba vom Weg abgebracht? Die Diskussion über eine obszöne Geste während des EM-Spiels gegen Albanien (2:0), Höhepunkt einer Fehde mit der Sporttageszeitung L'Equipe? Die Transfergerüchte über Unsummen, mit denen Real Madrid wedelt? Die gewaltige Erwartung? Man weiß es nicht so recht: Paul Pogba redet ja nicht.

Dafür redet sein Vater. Fassou Antoine Pogba, bei der EM auch schon mit Lederhut im Stadion gesichtet, macht Druck. Sein Sohn wachse aus der italienischen Serie A heraus, Juventus Turin werde ihm zu klein, sagte er: "Er will in einer besseren Liga spielen."

Der Champions-League-Sieger Real soll dafür 120 Millionen Euro bieten, im Gespräch sind auch kuriose Verrechnungsgeschäfte, in denen der deutsche Weltmeister Toni Kroos eine Rolle spielen soll. Um etwas Aufklärung zu bieten, was ein Interesse von Manchester United angeht, zitierte eine englische Zeitung zuletzt Pogbas ehemaligen Tischtennis-Trainer (!).

Ansage an die Kritiker

Paul Pogba, so viel ist gewiss, achtet sehr genau darauf, was über ihn geredet wird. Passt es ihm nicht, lässt er Mino Raiola los. Der Spielerberater mit zweifelhaftem Ruf zerrte im Fall Henrikh Mkhitaryan gewaltig an den Nerven von Borussia Dortmund und ist auch sonst kein Kind von Traurigkeit.

Als die englische Fußball-Ikone Gary Lineker per Tweet fragte, ob Pogba der "weltweit meistüberschätzte Fußballer" sei, setzte es einen deftigen Konter. "Lineker hat nicht den Hauch einer Ahnung, wovon er redet", sagte Raiola giftig. "Er wollte nach der Meisterschaft von Leicester City seine Sendung in Unterhosen moderieren - das sagt alles über ihn." Sein Klient? Sei eher noch unterbezahlt.

Minimale Kritikfähigkeit bei überschaubarer Leistung ist allerdings eine Mischung, die der französische Fußball-Fan nicht so gerne hat. So warten alle Spiel für Spiel auf die Explosion eines Mannes, der bei der EURO der neue Zinédine Zidane werden sollte - auch vor dem Viertelfinale gegen Island am Sonntag in St. Denis. Bisher war Paul Pogba eine Enttäuschung. Weit entfernt von seinem Auftritt in Videospielen.