01.08.2016 10:00 Uhr

Hecking beklagt fehlende Wertschätzung

Dieter Hecking möchte den Wert eines Trainers wieder mehr gewürdigt sehen
Dieter Hecking möchte den Wert eines Trainers wieder mehr gewürdigt sehen

Wolfsburgs Coach Dieter Hecking macht sich Gedanken über den Fußball: Haben die Spieler zu viel Macht und Mitsprache? Welchen Wert hat ein Trainer noch? Und wohin führt ihn der Weg mit dem VfL? 

Mit einem Augenzwinkern gibt Hecking im Interview im "kicker" zu, dass es ihn freut, dass mit Norbert Meier und Carlo Ancelotti zwei Trainer in die Bundesliga gekommen sind, die noch älter sind als er. Gerade von Top-Trainern, wie Bayerns Neuem, profitiere die Liga. "Ich bin jetzt elf Jahre in der Bundesliga dabei, lange Zeit gehörte ich zu den jüngsten. Das zeigt auch, welch rasante Entwicklung der Trainermarkt genommen hat."

Obwohl der Trend zu jungen Trainern gehe, glaubt der 51-Jährige, dass Erfahrung und Alter immer wichtig bleiben werden. Vom 29-jährigen Hoffenheim-Coach, Julian Nagelsmann, habe er sehr viele gute Dinge gehört. Dass sich bei diesem - laut eigener Aussage - vielleicht sechs Trainingsübungen im Jahr wiederholen, stört Hecking nicht: "Jeder hat seinen Weg, jeder Trainer tickt irgendwo anders. Wenn man erfolgreich ist, hinterfragt man seine Methoden automatisch seltener. Was man als Trainer verändert, hängt auch immer von der Mannschaft ab" Der Wolfsburg-Coach hält trainingstechnisch gerne an Bewährtem fest. "Ich bin aber auch immer offen für neue Dinge und verändere in Absprache mit meinem Trainerteam Abläufe, wenn wir davon überzeugt sind." 

Hecking warnt im "kicker" davor, dass der Fußball insgesamt große Gefahr laufe, sich zum Negativen zu verändern: "Die Entwicklung geht dahin, dass Spieler zu viel Macht bekommen. Das liegt unter anderem daran, dass die Berater zunehmend größeren Einfluss nehmen, diese Entwicklung halte ich für bedenklich."

Der Wert des Trainers

Dass es bei den Abgängen von Ivan Perišić und Kevin De Bruyne jedoch zu schlechter Stimmung in der Mannschaft gekommen wäre, wenn man dem Wechselwunsch der beiden nicht entsprochen hätte, verneint der Coach: "Wir hatten diese Befürchtung nicht. Das war etwas, das von außen herangetragen wurde." Dem Eindruck, dass einige Spieler beim VfL zur Zeit ihre Macht ausloten, widerspricht der Trainer: "Vielmehr scheint es, dass es zum Taktieren im Transfergeschäft mittlerweile dazugehört. Das muss man nicht zwingend gut finden."

Beim mittlerweile zum BVB abgewanderten André Schürrle führte die öffentliche Kritik am Spieler in der abgelaufenen Saison durch Dieter Hecking - unterstützt von Klaus Allofs - zu Dissonanzen. Für den VfL-Coach kein Problem: "Verpasst ein Verein seine Ziele, wird die sportliche Leitung kritisiert, das ist ganz normal. Auch ein Spieler der heutigen Zeit muss damit leben, dass er mal öffentlich kritisiert wird. Unsere Kritik war immer sachlich bezogen." 

Daraus leitet der 50-Jährige im Umkehrschluss auch die Wichtigkeit seiner eigenen Rolle ab. "Deswegen sehe ich es weiterhin so, dass der Trainer bei einem Klub eine ganz entscheidende Rolle spielen muss. Er steht wöchentlich in der Kritik und wird für Erfolg oder Misserfolg verantwortlich gemacht", sagt er und plädiert für mehr Ansehen: "Der Wert und der Einfluss des Trainers müssen wieder deutlich höhergestellt werden, als es im Moment der Fall ist."

Die Lage beim VfL

Dass es in Wolfsburg nach einem schlechten Saisonstart eine Trainerdiskussion geben könnte, lässt den ehemaligen Mittelfeldspieler kalt: "Darüber mache ich mir keine Gedanken, weil ich es nicht verhindern könnte." Lachend gibt er jedoch zu, dass ihm die Titelverteidigung als Deutschlands amtierender Trainer des Jahres wahrscheinlich nicht gelingen werde. Da gebe es mit Dirk Schuster, Thomas Tuchel oder auch Ralph Hasenhüttl ganz andere Kandidaten. 

Noch ein Monat bleibt dem VfL für Transfers auf der einen Seite und für Klarheit, wer bleibt, auf der anderen Seite. "Wenn ich sagen würde, ich wäre völlig entspannt, dann würde ich lügen", gibt Hecking zu, zumal ja auch noch einige gute Spieler für einen neuen Angriff auf die Liga verpflichtet werden sollen: "Du musst die Spieler begeistern, sie davon überzeugen, dass in Wolfsburg wieder der Weg in Richtung Europa eingeschlagen wird."

Zwar könne der 51-Jährige noch nicht sagen, welches Team nach Transferschluss auf dem Platz stehe, er hoffe aber, dass sich die Dinge nicht erst auf den letzten Drücker entscheiden. Selbst wenn keiner mehr dazukommen würde, hätte Wolfsburg eine gute Chance in der Liga: "Ich bin davon überzeugt, dass wir schon jetzt eine gute Mannschaft haben. Auch in der momentanen Zusammensetzung können wir erfolgreich sein." Die Zielvorgabe ist dabei klar: Der VfL wolle alle angreifen, "die vor uns gestanden haben. Außer Bayern vielleicht."