03.08.2016 09:47 Uhr

Neururer: Bochum ist Dilettantismus pur

Bochum und Neururer: Für den Coach eine Herzensangelegenheit
Bochum und Neururer: Für den Coach eine Herzensangelegenheit

Als Fernsehexperte kommt Kult-Trainer Peter Neururer regelmäßig zu Wort und bezieht in seiner gewohnt unverblümten Art Stellung zu den Themen der laufenden Fußball-Debatte. Im zweiten Teil des großen weltfussball.de-Interviews erklärt Neururer, wieso es mit dem Aufstieg für seine alte Liebe Bochum schwierig wird, welche Typen er im Fußball vermisst und warum ihn der Erfolg von RB Leipzig stört.

Herr Neururer, der VfL Bochum ist ihre große Liebe, dort standen sie auch zuletzt an der Seitenlinie. Lange spielte das Team in der vergangenen Saison unter ihrem Nachfolger Gertjan Verbeek oben mit. Am Ende reichte es nicht. Woran lag es aus Ihrer Sicht?

Da müsste man die Leute fragen, die gerade in der Verantwortung stehen: Wenn ich mit fünf Siegen in Folge starte, mit einer Mannschaft, die ich selbst noch zusammengestellt habe, die in sich stimmig war, dann sollte man sich mal ein paar Gedanken machen darum, was danach passiert ist. Die Gesamtentwicklung in Bochum in den letzten vier, fünf Jahren ist aber einfach nur ganz, ganz schlimm. Da werden die Fans verarscht. Man redet vom Aufstieg, verkauft aber seinen besten Mann (Simon Terodde, d. Red.) nicht in die erste Liga, nicht ins Ausland, sondern zum Ligarivalen, dem VfB Stuttgart. Was die Bochumer Vereinsführung macht, ist oberamateurhaft zum Quadrat. Das ist traurig. Denn der Verein ist gigantisch und gehört in die erste Liga. Die Anhängerschaft ist gigantisch, auch die gehört in die erste Liga. Die erste Liga freut sich über solche Vereine wie den VfL. Aber was da in der Führungsebene, im Aufsichtsrat und im Vorstand gemacht wird, das ist Dilettantismus pur.

Das heißt, Sie haben auch keine großen Hoffnungen, dass es in der kommenden Saison klappt?

Mit dem Aufstieg? Nein. Überhaupt keine Hoffnungen. Die kann man gar nicht haben. Das wird den Fans zwar immer vorgegaukelt, aber ich kann doch nicht von Aufstieg reden, wenn ich meine besten Leute verkaufe, wenn ich nicht im Stande bin, meine gesamte Offensive zu halten; wenn ich nicht im Stande bin, Leute zu halten, die aus meinem eigenen Nachwuchs kommen, die wir mal nach oben gebracht haben. Das ist eine Katastrophe. So ist der Fußball mittlerweile geworden. Das begreift kein Mensch.

Bochum und Neururer, was gab es da für Bilder: Oberlippen-Bärte waren auf einmal trendy, Ihre Haare entweder ab oder in den Vereinsfarben gefärbt.

Ich bin authentisch. Mit allem Scheiß, den ich gemacht habe. Mit Sicherheit war nicht alles richtig, was ich getan habe. Aber jeder Fan, bei jedem Verein, in dem ich gearbeitet habe, weiß, dass ich überall authentisch geblieben bin. Das kommt dann hoffentlich so rüber, dass ich glaubhaft und glaubwürdig bleibe, oder bin oder war. Und da werde ich auch nichts dran ändern.

Vermissen Sie solche außergewöhnlichen Typen in den höchsten deutschen Ligen? Egal, ob an der Linie oder auf dem Feld?

Der ein oder andere Fußballfan vermisst solche Typen mit Sicherheit. Denn die werden immer weniger. Die werden gar nicht mehr gestattet. Heute werden alle eingepflanzt und eingebettet in irgendwelche Sprachhülsen. Und ich bin derjenige, der sagt: Bevor ich da so eingebettet werde, werde ich eben mal rausgeschmissen, zum Beispiel bei meinem Herzensverein, dem VfL Bochum, wegen vereinsschädigenden Verhaltens. Aber ich bleibe, wie ich bin. Ich lasse mich nicht verbiegen. Das ist keine Kritik an jüngeren Trainern, die es sich leider nicht erlauben können, so zu sein. Aber bevor ich das mache, höre ich lieber ganz auf. Noch ist es aber nicht so weit!

Haben Sie Ihren Spielern mal eine Medienschulung auferlegt, wie sie heute ja obligatorisch ist?

Nein, mit Sicherheit nicht. Aber ich habe meinen Spielern ein paar Ratschläge gegeben diesbezüglich.

Es gibt große Umwälzungen im Fußball in den letzten Jahren, zusammengefasst unter dem Stichwort "Kommerzialisierung". Wie bewerten Sie beispielsweise den Aufstieg von RB und wie schätzen Sie das Projekt in Leipzig ein?

Wer da nicht aufsteigt, muss ganz blind sein. Die werden mit Sicherheit in diesem Jahr keine Probleme haben, die Liga zu halten. Sie werden dann weiter investieren - ist ja schön, dass man das darf, da spricht ja oft viel Neid mit, keine Frage. Leipzig wird auf Dauer die einzige Mannschaft sein, neben Borussia Dortmund, die in der Bundesligaspitze bei den Bayern zu finden sein wird. Und da interessiert es irgendwann kein Schwein mehr, welche Tradition dahintersteckt, oder wo das Geld herkommt. Für mich als Traditionalist ist das traurig.

Auf der Plus-Seite haben Sie in Leipzig immerhin Leute am Ruder, die tatsächlich sportlichen Sachverstand haben.

Aber was nützt mir der sportliche Sachverstand, wenn ich die finanziellen Möglichkeiten nicht habe? Wenn mich ein Verein fragt, ob ich mal mein Konzept vorstellen kann, sage ich: Klar, kann ich machen. Nur mein Konzept und die Voraussetzungen dafür, wie ich Fußball spielen möchte – ich bin seit über 30 Jahren im Profigeschäft – habe ich noch nie irgendwo vorgefunden. Bei Leipzig kann ich das machen. Herr Mateschitz zahlt das und ich kann mir eine Mannschaft zusammenstellen, wie ich mir das vorstelle. Das ist recht einfach.

Wäre dann nicht ein Engagement bei RB etwas für Sie?

Mit Sicherheit nicht. In meinem Alter nicht mehr. Mit 30 hätte ich an dem Projekt mitgearbeitet. Aber in meinem Alter möchte ich mit Traditionsvereinen meine letzten fußballerischen Tage bestreiten, aber nicht mit Leipzig.

Das Interview führte Chris Rohdenburg

 

>> zum ersten Teil unseres Interviews