05.08.2016 10:44 Uhr

2. Liga startet - Neururer: VfB & 96 packen's

Peter Neururer ist Fußball-Experte und Zweitliga-Kenner
Peter Neururer ist Fußball-Experte und Zweitliga-Kenner

Der erste Spieltag der neuen Zweitliga-Saison startet. Wer sind die Favoriten? Wie machen sich die Aufsteiger? Zweitliga-Experte Peter Neururer stand im Exklusiv-Interview Rede und Antwort.

In der 2. Bundesliga kennt Neururer sich aus. Inbesondere in Bochum und bei Hannover 96 hinterließ er seine Spuren. Grund genug für weltfussball.de beim TV-Experten einmal nachzufragen, wem er die besten Chancen auf den Sprung in die 1. Bundesliga einräumt und wer es schwer haben wird. 

Lieber Herr Neururer, den Auftakt zur neuen Zweitliga-Saison machen Kaiserslautern und Hannover. Was erwarten Sie für ein Spiel?

Ich glaube, wenn 96 begreifen sollte, was abgeht, und wie es abgeht, und auf welche Art und Weise es in der zweiten Liga läuft, werden sie mit Stuttgart zusammen durchmarschieren. Begreifen sie es nicht – man sollte mal nachfragen, wie es so bei Paderborn ausgesehen hat – dann wird es schlimm. Aber sie haben mit Abstand das beste Personal, Stuttgart hat sogar einen Trainer, der zu den besten gehört, der weiß wie es geht. Aber sie müssen es annehmen.

Das heißt die Roten Teufel haben keine Chance?

Auf Dauer nicht. In dem einen Spiel mit Sicherheit. Das ist die zweite Liga. In dieser eigenartigen zweiten Liga kann fast jeder jeden schlagen. Auf die gesamte Saison bezogen muss ich aber vernünftige, realistische Zielsetzungen haben. Und wenn Hannover mit der individuellen Klasse der Spieler gegen Kaiserslautern spielt, auch auf dem Betzenberg, wo es diesen Heimnimbus von früher leider nicht mehr gibt, wird 96 von hundert Spielen neunzig gewinnen, fünf Mal Unentschieden spielen und fünf Mal verlieren. Das hat was mit Einstellung zu tun. So stellt es sich mittlerweile da. Es sollte normalerweise nichts schiefgehen für 96, wenn die Einstellung stimmt.

Wäre Kaiserslautern vom Klubcharakter her nicht ein Verein für Sie?

Ja, klar. Absolut. Aber da gehören Leute dazu, mit denen man richtig sprechen kann. Ehemalige Innenverteidiger, wie (Matthias) Abel zum Beispiel, die da ohne irgendwann mal irgendwo irgendwas gemacht zu haben, Aufsichtsratsvorsitzende werden, die werden mit Sicherheit nicht diesen Verein in normale Bahnen führen. Das geht nicht. Da fehlt Erfahrung, Klasse und Know-How. Ich hab mit den Herrschaften gesprochen, aber die haben die einfachsten Regeln des Profifußballs nicht begriffen. Da darf man sich nicht wundern, dass die mit so einem Traditionsverein in solch eigenartige Gefilde geraten. Das ist der Wahnsinn.

Die Leidtragen sind immer die Fans, die Zuschauer. Trainer gehen, Sportdirektoren gehen, teilweise gehen Vorstände. Bleiben tun immer die Fans, ein Leben lang.

Glauben Sie, dass eine Geschichte, wie mit Otto-Rehhagel damals, nochmal möglich wäre, also ein Durchmarsch von der zweiten Liga bis zum direkt darauffolgenden Meistertitel in der 1. Bundesliga?

Nein. Nicht mehr! Die Ligen liegen so weit auseinander, das sind zwei verschiedene Sportarten zwischen erster und zweiter Liga. Und Rehhagel hatte damals eine Truppe in der zweiten Liga, die in der 1. Liga eigentlich unter die ersten Acht hätte kommen müssen. Die sind dann in der 2. Bundesliga zusammen geblieben und haben auch nach dem Aufstieg das allerhöchste Niveau gehalten. Das war einmalig. So etwas wird es nie wieder geben.

Hannover 96 haben Sie selbst ja zwei Mal trainiert. Wie tief steckt man da noch drin?

Sehr tief. Weil ich ja Verbindungen zu diesem Verein habe, weil ich den Verein toll finde, weil ich weiß, wie der Präsident, Martin Kind, funktioniert. Das ist ein Mann, dem man nur sämtliche Unterstützung geben muss. Der ist einzigartig und eine Ausnahmeperson im deutschen Fußball. Es tut mir in der Seele weh, wenn Hannover seine Ziele nicht erreicht. Es tut mir weh, wenn Schwachomaten, die null Kenntnis haben, Martin Kind in Frage stellen. Das macht mich wahnsinnig. Der Mann hat es verdient und der Verein hat es verdient, so schnell wie möglich wieder hoch zu kommen.

Schauen wir mal allgemein auf die Tabelle. Wen erwarten Sie im oberen Tabellenbereich. Wer wird lange um den Aufstieg mitspielen?

96, VfB Stuttgart, Union Berlin und St. Pauli sind Mitfavoriten um den Aufstieg. Der VfL Bochum wird von mir immer wieder gern genannt. Okay, wenn alles passen sollte mit den Neuverpflichtungen, könnten Sie oben ranrutschen. Bei 1860, wenn die Sache fruchtet, ist das der sechste Verein, der oben schnuppert.

Heidenheim wird in der neutralen Zone liegen. Karlsruhe, Greuther Führt kommen auch noch dazu. Alle anderen spielen gegen den Abstieg.

Wo wir gerade bei 1860 sind, denen sie bei gutem Verlauf eine Chance einräumen: Warum wählt ein Spieler, wie Ivica Olić die zweite Liga statt Angebote aus der Premier League anzunehmen, die es ja auch gegeben haben soll?

Die Spieler sollen nicht erzählen, dass es eine neue Herausforderung ist, dass es darum geht, eine neue Mentalität kennenzulernen, eine Aufgabe, die mit Ehren und ähnlichen Dingen versehen ist: Nein! Die werden gut bezahlt und haben woanders keine Möglichkeit mehr unterzukommen. So ist es. Und da gehe ich natürlich gerne, als Olić, der sich immer top präsentiert hat, zu einem Traditionsverein mit einem Namen und gehe nicht nach Sandhausen.

Und was soll ich im Alter von 36 Jahren zum Beispiel bei Stoke City? 1860 ist eine riesen Adresse. Wenn ich da nochmal auf einfachste Art und Weise Geld verdienen kann, möglicherweise eine gewisse Perspektive habe, ich mich in der Stadt wohlfühle, dann gehe ich da hin. Dafür habe ich volles Verständnis. Nicht verwerflich, find ich gut!

Was machen die Drittliga-Aufsteiger, Würzburg, Aue Dresden: Bleiben alle drei in der Liga?

Richtig gewachsen sind die Würzburger Kickers. Auf hervorragende Art und Weise. Sukzessive zwei mal nacheinander aufgestiegen, da passt alles von der Struktur her wunderbar. Aber: Die werden nicht mehr als das Ziel haben, die Liga zu halten.

Für Aue war es, nach dem Zweitligaabstieg eine grandiose Leistung von Pavel Dotchev, mit dieser Mannschaft in dieser 3. Liga den Aufstieg sofort wieder zu schaffen. Aber: Die werden nur ein Ziel haben, die Liga zu halten. Mehr darf auch gar nicht sein.

Bei Dynamo Dresden ist es eine andere Frage. Das ist ein Verein, der eigentlich auf Dauer, auf Mittelfristigkeit oder auf Langfristigkeit gesehen, den Osten auf wieder im Normalbereich – nicht unter Mateschitz-Sponsoring – in die erste Liga führen kann. Aber: Da muss man natürlich sehen, welche Möglichkeit habe ich im Umfeld. Dresden hat eigentlich von den ganzen Ostvereinen vom Potenzial her die meisten Möglichkeiten, sich nach oben zu entwicklen. Sie müssen aber in diesem Jahr auch erstmal ein Fundament schaffen und in der Liga bleiben. Jetzt kommt aber die große Frage: Wenn ich als Aufsteiger meinen Torjäger (Justin Eilers) abgeben muss und einen Top-Innenverteidiger (Michael Hefele), wo alles euphorisiert ist, da frage ich mich doch: Was wird da gemacht. So eine Mannschaft, die erfolgreich war, nicht zu erhalten, zu verstärken und noch einen Schritt nach vorne zu machen, ist bedenklich. Aber Dresden hat mit dem Umfeld alle Möglichkeiten. Von daher ist es eigentlich der stärkste Aufsteiger.

Wer wird es schwer haben?

Sandhausen wird wieder unten mit dabei sein. Die werden die Rolle vom FSV Frankfurt übernehmen. Und irgendwann erwischt es sie auch. Es ist tolle Arbeit, die da geleistet wird, aber mehr ist da eben nicht drin. Ich sage, die einzig neutrale Mannschaft in dieser Liga ist für mich Heidenheim, die sich toll entwickeln, aber irgendwann ist ein Punkt erreicht, da gehts nicht weiter. Aber die werden mit da unten nichts zu tun haben.

Nürnberg ist eine Nummer, die ist nicht ausrechenbar. Die verkaufen nach ihrer tollen Saison alle Leistungsträger, haben aber immer noch eine Erwartungshaltung, die riesengroß ist. Aber die werden nicht oben mitspielen, das wäre ein Wunder, ein schönes Wunder. Aber es wird nicht passieren.

Wo sehen sie langfristig das Potenzial für einen Aufstieg?

Langfristig gibt’s nicht! Im bezahlten Fußball ist die Langfristigkeit von Samstag bis Samstag.