27.08.2016 15:08 Uhr

Exklusiv: Ex-BVB-Coach über "zu viel Fußball"

Alte Weggefährten aus Dortmunder Zeiten: David Wagner (r.) und Jürgen Klopp (l.)
Alte Weggefährten aus Dortmunder Zeiten: David Wagner (r.) und Jürgen Klopp (l.)

Ebenso wie Klopp, den Wagner bereits seit über 20 Jahren kennt, wechselte auch David Wagner im letzten Jahr auf die Insel, um dort als Cheftrainer zu arbeiten. Mit Huddersfield Town hat der 44-Jährige in der zweitklassigen englischen Championship einen Saisonstart nach Maß hingelegt: Zehn Punkte aus vier Spielen bedeuten Platz eins der XXL-Liga mit 24 Mannschaften. Seine Handschrift ist dabei ebenso unverkennbar wie auch der Einfluss deutscher Kicker auf dem Rasen; denn mit Michael Hefele, Chris Löwe, Christopher Schindler und Elias Kachunga hat der Ex-Borusse gleich vier ehemalige Bundesligaspieler mit zu den Terriers holen.

Im zweiten Teil des exklusiven weltfussball.de-Interviews spricht er über seine Zeit beim BVB, Jürgen Klopp und seine Wünsche für die Zukunft.

Herr Wagner, kommen wir nun zu Ihrer Zeit beim BVB. Könnten Sie die Fankultur zwischen den beiden Vereinen vergleichen?

David Wagner: Erstmal muss man sagen, dass die Unterstützung der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund herausragend und einzigartig in Deutschland für eine zweite Mannschaft ist. Darüber hinaus ist die Fankultur hier in England etwas anders. In Deutschland ist das vielleicht nur in ein paar Städten so, aber hier ist jeder Mensch mit seinem Heimatverein extrem emotional verbunden. Wenn eine Familie sich aussuchen kann, einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren oder eine Dauerkarte zu kaufen, dann kauft die Familie die Dauerkarte. Wenn die Nationalmannschaft spielt und dein Heimatverein hat zeitgleich ein Testspiel gegen einen unterklassigen Verein, dann gehst du zu diesem Testspiel. Dementsprechend sind die emotionalen Ausschläge nach oben und unten relativ extrem. In England hat Fußball noch einen anderen kulturellen Stellenwert. Wenn in Deutschland gesagt wird, dass zu viel Fußball im Fernsehen gezeigt wird, dann sollte man mal zum Vergleich hier in England den Fernseher einschalten. Hier gibt es Comedyshows über Fußball. Hier wird Fußball in den verschiedenen Sparten aufgearbeitet und gezeigt. In der medialen Aufarbeitung ist das nochmal ein anderes Kaliber als in Deutschland.

Es ist hinlänglich bekannt, dass sie ein gutes Verhältnis zu Jürgen Klopp haben. Hat Sie sein Weggang vom BVB in der Entscheidung beeinflusst, auch nach England zu gehen?

David Wagner: Nein, überhaupt nicht. Dass wir unabhängig voneinander unsere Arbeit fortführen, war im Grunde schon klar, als ich in Dortmund unterschrieben habe. Fakt ist: Ich hatte eine herausragende Zeit in Dortmund und wir sind in der Saison vor meinem Wechsel wegen einem Punkt aus der dritten Liga abgestiegen. Wir hatten einen tollen Austausch mit der ersten Mannschaft. Das hat sich dann aber etwas verändert. Die U19 hat einen viel höheren Stellenwert als die U23 bekommen. Das war in den ganzen Jahren zuvor anders, aber auch nachvollziehbar. Die Chance, hierher zu kommen, war wahrscheinlich einmalig und ich bin den Verantwortlichen von Borussia Dortmund sehr dankbar, dass sie mir keine Steine in den Weg gelegt haben. Der Schritt ist mir schwer gefallen, weil meine Familie nach wie vor in Dortmund lebt. Meine Tochter macht dort nächstes Jahr Abitur, deswegen konnten sie nicht mitkommen. Ich habe aber als Spieler nie im Ausland gelebt, aber jetzt habe ich als Trainer sogar die Chance, gerade in England zu arbeiten. Deshalb gab es keinen Zweifel, dass ich es versuchen möchte.

Sie sind ungefähr seit neun Monaten bei den Terriers. Könnten Sie zum Abschluss des Interviews ein persönliches Fazit ziehen?

David Wagner: Die ganze Herangehensweise hier in England ist anders. Die Mentalität der Spieler ist herausragend gut. Sie sind sehr tough und rough, kennen kein Gejammer und keine Schmerzen. Sie haben aber für manche Sachen einen anderen Zugang. Der Engländer trainiert jeden Tag um elf Uhr, hat aber zwei Tage die Woche frei. Das Thema Ernährung kommt hier erst so langsam auf. Es ist extrem spannend, die englische Mentalität und die deutsche Professionalität zusammen zu bringen. Ich kann für mich rein beruflich sagen, dass ich alles richtig gemacht habe. Familiär bin ich froh, wenn meine Tochter nächstes Jahr die Schule abgeschlossen hat und wir wieder zusammenkommen können.

Im ersten Teil des exklusiven weltfussball.de-Interviews sprach David Wagner über die Euphorie in der Stadt und die Leistungen seiner deutschen Spieler.

 

Das Interview führte Lionard Tampier