19.09.2016 10:54 Uhr

Mkhitaryan: Mourinho, wir haben ein Problem

Henrikh Mkhitaryan (r.) kommt unter José Mourinho nicht zurecht
Henrikh Mkhitaryan (r.) kommt unter José Mourinho nicht zurecht

Der Ex-Dortmunder Henrikh Mkhitaryan ist erst wenige Wochen bei Manchester United, scheint aber bereits ein Stück weit außen vor zu sein. Sein größtes Problem ist Teammanager José Mourinho, der ihn im Sommer noch unbedingt im Team haben wollte.

Nach 45 Minuten im Derby gegen Manchester City hatte José Mourinho genug gesehen. Sein Team lag im heimischen Old Trafford nach indiskutabler Leistung 1:2 zurück, der Portugiese musste reagieren.

Er opferte seine Flügelspieler Jesse Lingard und Henrikh Mkhitaryan. Beide hatten defensiv große Probleme offenbart und waren in der Vorwärtsbewegung vor allem durch Ballverluste aufgefallen.

Stattdessen warf "The Special One" Ander Herrera sowie Marcus Rashford in die Partie und stellte das System um. Mit mäßigem Erfolg: Es blieb beim knappen Rückstand. Die Red Devils verloren das erste Stadtduell der Ära Mourinho, mehr oder weniger sang- und klanglos.

Verletzung verhindert weitere Einsätze

Im Anschluss an die Partie erklärte der Star-Trainer seine personelle Maßnahme zur Halbzeit. "Es ging nicht nur um Mkhitaryan und Lingard. Andere Spieler waren auch nicht gut", sagte der 53-Jährige und ergänzte: "Wir hatten kein taktisches Problem. Wir hatten ein Problem, weil einzelne ihre Leistung nicht gebracht haben. Wir haben den Ball viel zu leicht hergegeben."

Für Mkhitaryan war der schwache Derby-Auftritt mit der frühen Auswechslung der bislang letzte im United-Trikot. Bei den beiden anschließenden Partien gegen Feyenoord in der Europa League und in der Liga beim FC Watford stand der Offensivspieler wegen einer wieder aufgebrochenen Oberschenkelverletzung nicht im Kader.

Keine Erfahrung mit "großen Spielen"?

Thema war der 27 Jahre alte Edeltechniker dennoch in Manchester. "The Sun" berichtete, der Neuzugang sei unzufrieden mit seiner Rolle auf dem Flügel und wolle lieber Zehner spielen. TV-Experte Jamie Carragher forderte, dass Mourinho unter anderem Mkhitaryan opfern müsse, um den noch schwächelnden Rekord-Transfer Paul Pogba taktisch richtig zur Geltung zu bringen.

Mourinho selbst schließlich ließ sich auf einer Pressekonferenz dazu hinreißen, von Mkhitaryans fehlender Erfahrung mit "großen Spielen" zu fabulieren und deutete an, dieser habe sich von der Kulisse im Derby verunsichern lassen. "Du weißt nie, wie ein Spieler reagiert, wenn du ihn noch nicht so gut kennst. Es dauert ein paar Monate, um zu wissen, wie sie wirklich reagieren", so der Portugiese.

Dass der Angesprochene in Dortmund jede zweite Woche vor mehr als 80.000 Zuschauern gespielt hatte und drei DFB-Pokalfinals sowie einige Champions-League-Partien gegen europäische Schwergewichte in seiner Vita stehen hat, ließ Mourinho dabei außer Acht.

Stammspieler in der Vorbereitung

In Rekordzeit, so scheint es, ist das Verhältnis zwischen Uniteds starkem Mann und Mkhitaryan abgekühlt. Vor wenigen Wochen noch galt der laut "kicker"-Umfrage unter den Profis beste Spieler der vergangenen Bundesligasaison als ein Wunschtransfer des Portugiesen. Dieser zahlte satte 42 Millionen Euro für Mkhitaryan, obwohl dessen Vertrag bei der Borussia nur noch bis 2017 lief.

Auch in den Testspielen vor Saisonbeginn setzte Mourinho fast ausnahmslos auf den Mittelfeldmann. Mkhitaryan machte im Gegenzug mit ansprechenden Leistungen auf sich aufmerksam. Ausgerechnet im Duell mit dem BVB auf der China-Reise erzielte er sein erstes und bislang einziges Tor für United. 

"Das Beste für das Team"

Doch schon pünktlich zu Pflichtspielbeginn bot sich ein anderes Bild: Mourinho brachte Mkhitaryan nur noch von der Bank. "Er wollte ihm zuerst Zeit geben, sich an die Mannschaft und die englische Liga zu gewöhnen", erläutert Andreas Cina, United-Experte und Mitglied im offiziellen deutschen ManUnited-Fanclub "United Devils", im Gespräch mit weltfussball.de.

Im Vorfeld des Manchester-Derbys bekam Mkhitaryan drei Kurzeinsätze: 15 Minuten in Bournemouth, 30 bei Hull City, 14 gegen Southampton. "Einige Trainer lassen ihre Neuzugänge alle spielen, um sich selber und ihre Entscheidung zu schützen. Die neuen Spieler müssen bei ihnen alle spielen. Ich bin aber nicht so. Ich mache das, was aus meiner Sicht das Beste für das Team ist", begründete Mourinho seine Entscheidungen. Erst im Duell mit dem hellblauen Erzrivalen sollte Mkhitaryans große Stunde schlagen - mit dem bekannten Ausgang.

Weiter von der Startelf weg als je zuvor

Die aus seiner Dortmunder Zeit bekannte Tatsache, dass der extrem stimmungsabhängige Kopfmensch sein riesiges Potenzial nur bei hundertprozentiger Rückendeckung durch den Coach ausschöpfen kann, könnte ihm bei United nun zum Verhängnis werden.

"Mourinho ist dafür bekannt gnadenlos mit Spielern umzugehen, mit denen er unzufrieden ist. Ein starker Spieler kann zurückschlagen. Ein sensibler Spieler wie Mkhitaryan wird da mehr Mühe haben", sagt Cina.

Momentan ist Mkhitaryan unabhängig von seiner Blessur, die in einigen Tagen ausgeheilt sein soll, jedenfalls weiter von der Startelf weg als je zuvor. "Mourinho wird ihn wohl wieder langsam heranführen wollen und vielleicht nicht gerade gegen Topmannschaften wie City", meint Cina. 

Einen Silberstreif am Horizont gibt es allerdings für Mkhitaryan: Auch ohne ihn läuft es bei United nicht. Die Spiele in Rotterdam und Watford gingen verloren.

Tobias Knoop