24.09.2016 15:41 Uhr

Istanbul: Nachbarschaftskrieg reloaded

Das
Das "europäische" Derby elektrisiert seit Jahren die Fans

Es ist Derby-Zeit in Istanbul. Die Begegnung Beşiktaş gegen Galatasaray (ab 19:00 Uhr im weltfussball-liveticker) steht dem großen Bruder - dem "interkontinentalen" Derby zwischen Galatasaray und Fenerbahçe - in Sachen Brisanz und Rivalität in nichts nach.

Da beide Mannschaften aus benachbarten Vierteln des europäischen Teils von Istanbul stammen, konkurrieren die Vereine seit Jahren um die Vorherrschaft auf "ihrer" Seite der Stadt. Die 41.903 Plätze der Vodafone-Arena werden am Samstag restlos ausverkauft sein und das Spiel zum Spießrutenlauf für die Gäste werden lassen. Aufgrund diverser Ausschreitungen ist es seit Jahren üblich, die Duelle der Spitzenklubs ohne Gästefans auszutragen. Diese Maßnahme reicht jedoch nicht immer aus.

Das Spiel fällt nämlich fast auf den Jahrestag der letzten schweren Ausschreitungen im "europäischen" Duell. Am 22. September 2013 führte Galatasaray auswärts mit 2:1, ehe Felipe Melo in der Nachspielzeit des Feldes verwiesen wurde. Auf dem Weg in die Kabine provozierte er die Fans der "Adler", die anschließend zu Hunderten das Feld stürmten, mit Sitzschalen um sich warfen und einen Spielabbruch provozierten.

Später sollte sich herausstellen, dass sich es vor allem die Beşiktaş-Anhänger waren, die sich untereinander bekriegten. Unterschiedliche Ansichten im Fanlager über die regierungsfeindlichen Unruhen im Gazi-Park sorgten für den zusätzlichen Zündstoff in Istanbul. Während sich der berühmte Fanklub "Carsi" mit den Protestierenden solidarisierte, stellen sich andere Gruppen dagegen. Die Bilanz der chaotischen Nacht: 67 Verhaftungen, ein demoliertes Olympiastadion und eine 3:0-Spielwertung für Galatasaray.

Bundesliga-Akteure im Fokus

Die Brisanz der politischen Situation sowie der Bedeutung des Derbys haben seitdem in keiner Weise abgenommen, sodass das Spiel zu einem echten Gradmesser für die Türkei werden könnte. Einige Bundesliga-Akteure werden diesen Nervenkitzel hautnah mitverfolgen. Auf Seiten der Gastgeber stehen mit dem ehemaligen Duisburger Olcay Şahan, dem Ex-Hannoveraner Marcelo, dem früheren Nationalspieler Andreas Beck und Tolgay Arslan, ehemaliger Spieler des HSV, gleich vier Spieler mit Bundesligaerfahrung im Aufgebot. Şahan und Marcelo haben gute Chancen auf einem Startelfeinsatz.

Star der Beşiktaş-Mannschaft ist nach dem Abgang vom heißgeliebten Mario Gomez der Europameister Ricardo Quaresma, der im Trikot der Schwarz-Weißen jedoch oftmals Licht und Schatten darstellt. Senol Günes, der Übungsleiter der "Adler", kann indes im Derby aus dem Vollen schöpfen: Kein Spieler fällt wegen einer Verletzung aus. Außerdem ist sein Team gut in die Saison gestartet: Nach vier Spieltagen hat man zehn Punkte auf dem Konto und liegt damit auf Rang zwei, punktgleich mit dem Rivalen Galatasaray.

Mit Joker Poldi zum Erfolg?

Die "Löwen" müssen vor dem Duell jedoch einige Verletzte beklagen: Mit Serdar Aziz und Koray Günter fallen gleich zwei Innenverteidiger aus, der Finne Kolbeinn Sigþórsson muss wegen eines Meniskuseinrisses noch wochenlang pausieren. Herzstück der Mannschaft ist die Verteidigung: Mit Fernando Muslera, Aurélien Chedjou und Hakan Balta haben die Rot-Gelben ein Trio vor dem eigenen Tor, das für Zuverlässigkeit und Stabilität sorgt. In dieser Saison ließ die Hintermannschaft immerhin erst zwei Gegentore zu.

Vorne setzt Übungsleiter Kann Olde Riekerink auf individuelle Klasse. Altmeister Wesley Sneijder und Flügelflitzer Bruma sollen die entscheidenden Akzente setzen, hinter ihnen zieht der Ex-Berliner Tolga Ciğerci die Fäden. Komplettiert wird der Sturm von Eren Derdiyok. Der vielgeschasste Stürmer findet langsam zu alter Form zurück und konnte bereits vier Mal in der SüperLig einnetzen. Als Joker kommt unter anderem Hamit Altintop in Frage, ebenso wie Lukas Podolski. Der Stürmer schielt allerdings auf einen Startelf-Einsatz.

Das letzte Aufeinandertreffen der beiden Klubs gab es bereits im August: Im Supercup unterlag der Meister Beşiktaş dem Pokalsieger Galatasaray mit 0:3 im Elfmeterschießen, nach der Verlängerung hatte es 1:1 gestanden. Damals ging die Partie sogar ohne Polizeieinsatz und Gewalt im Stadion über die Bühne. Es sei zu hoffen, dass sich alle Beteiligten auf das Wesentliche besinnen und ein Derby der Extraklasse abliefern – auf dem Platz.

Sebastian Rotter