28.09.2016 09:00 Uhr

Matip: Der Hexenmeister als Königstransfer

Joel Matip feierte in Liverpool einen starken Einstand
Joel Matip feierte in Liverpool einen starken Einstand

Innenverteidiger Joel Matip ist nach schwierigem Start dank starker Leistungen inzwischen angekommen beim FC Liverpool. Die Öffentlichkeit schwärmt in den höchsten Tönen vom Ex-Schalker. Für Teammanager Jürgen Klopp ist Matip schon jetzt der Königstransfer seiner Amtszeit bei den Reds.

Es läuft die 61. Spielminute im Topspiel der Premier League Mitte September zwischen Chelsea und Liverpool. 2:0 führen die Gäste seit fast einer halben Stunde. Doch dann geht Joel Matip halbrechts im eigenen Strafraum beim Zweikampf mit Chelseas Nemanja Matić zu früh zu Boden.

Der Serbe hat freie Bahn, legt den Ball von der Grundlinie zurück in den Fünfer. Dort muss Diego Costa nur noch vollstrecken. Der Anschluss macht den Blues noch einmal Hoffnung, doch die Gäste bringen die knappe Führung über die Zeit.

Die Szene vor dem Anschlusstreffer war Matips einziger Wackler im Duell mit den Londonern. Ansonsten legte der 25-Jährige an der Stamford Bridge einen blitzsauberen Auftritt hin. Vier Klärungsaktionen, drei erfolgreiche Grätschen sowie zwei geblockte Schüsse verzeichneten die Statistiker für ihn, starke 95 Prozent seiner Pässe brachte Matip an den Mitspieler. Zudem gewann er alle seine Kopfballduelle. Nach dem 4:1 gegen Meister Leicester City war der Sieg bei den Blues der zweite wichtige Erfolg des Klopp-Teams binnen einer Woche.

Erinnerungen an Sami Hyypiä

Im Anschluss an die Partie ergingen sich die Experten auf der Insel in Lobeshymnen auf den kamerunischen Nationalspieler. "Der erste Eindruck ist wichtig und meiner ist, dass er groß, physisch stark und gut am Ball ist", schrieb der frühere walisische Abwehrhaudegen Robbie Savage in seiner Kolumne im "Mirror".

"Er war brillant, er ist ein echter 'Man Mountain'. Er erinnert mich an Sami Hyypiä. Er hat alle Fähigkeiten. Wenn er in der Viererkette spielt, habe ich ein sichereres Gefühl", schwärmte Reds-Legende John Aldridge im "Liverpool Echo", das Matip kurzerhand zum "Hexenmeister" ernannte.

Von der Bank zur festen Größe

Besonders erstaunlich in den Augen des Klub-Umfelds: Klopp hatte den neuen Mann für die defensive Zentrale ablösefrei an den River Mersey gelotst. Schon im Februar, als ersten personellen Vorgriff auf die neue Spielzeit, tütete Liverpools Manager den Deal mit seinem Wunschspieler ein. Ein Indiz, wie zentral Matip für Klopps Planungen ist.

Sofort helfen konnte der Neuzugang seinem neuen Team und dem von ihm bereits zu dessen Dortmunder Zeiten hochgeschätzten Klopp zu Saisonbeginn jedoch nicht. Eine Knöchelblessur stoppte den Abwehrmann in der Vorbereitung, in den ersten Pflichtspielen saß er nur auf der Bank.

Erst in der League-Cup-Partie bei Burton Albion Ende August schlug die Stunde des 1,93-Meter-Mannes. Eine knappe Woche später gab er beim 1:1 in Tottenham sein Debüt in der Premier League. Seitdem verpasste Matip keine Minute mehr.

"War klar, dass seine Verpflichtung Sinn ergeben würde"

Seine starken Leistungen in den ersten Einsätzen machten die anfängliche Skepsis der englischen Öffentlichkeit gegenüber dem zuvor im Fußball-Mutterland vollkommen unbekannten 194-fachen Bundesligaspielers zunichte – zur Genugtuung Klopps.

"Es war ziemlich klar, dass seine Verpflichtung Sinn ergeben würde. Wenn ihr in Deutschland gelebt oder gearbeitet hättet, wüsstet ihr auch mehr über ihn", diktierte der 49 Jahre alte Fußballlehrer den Journalisten vor dem Ligapokalspiel bei Zweitligist Derby County süffisant in die Blöcke.

"In den ersten Spielen konnte jeder sehen, dass er physisch noch nicht ganz auf der Höhe ist. Besonders große Spieler wie er müssen topfit sein, aber das war aufgrund seiner Verletzungspause nicht möglich. An seiner Qualität gab es nie Zweifel", so Klopp weiter.

Klopp-Philosophie schon verinnerlicht

Zusammen mit dem arrivierten Dejan Lovren bildet Matip nun das Herzstück der erstarkten Liverpooler Hintermannschaft. Fünf ihrer neun Gegentreffer kassierten die Reds in den beiden Ligaspielen ohne Matip, nur die restlichen vier in ebenso vielen Partien mit ihm.

Die Klopp-Philosophie – Teamgeist über allem, aggressives Pressing, Umschaltspiel – hat Matip "sehr schnell verinnerlicht", lobt Lovren seinen Nebenmann in einem Interview auf der Klubhomepage. "Wir wollen die Gegner jagen, sodass sie keine Ruhe am Ball haben. Sie sollen Angst vor uns haben", fasst Matip das Kloppsche Defensiv-Credo zusammen.

Teil der "deutschen" Achse

Bei der Jagd des Erfolgstrainers nach seinem ersten Titel auf der Insel ist der Abwehrmann ein wichtiger Baustein. Zu anfällig präsentierte sich die Defensive der Reds in der vergangenen Saison, als überwiegend der inzwischen beim Coach in Ungnade gefallene Mamadou Sakho neben Lovren verteidigte. 50 Gegentore bedeuteten damals den viertschlechtesten Wert der Premier-League-Top-10.

Trotz der teuren Verpflichtungen der Offensivspieler Sadio Mané (für umgerechnet 41 Millionen Euro vom FC Southampton) und Georginio Wijnaldum (27,5 Millionen/Newcastle United) gilt Matip im Umfeld des Klubs bereits als Königstransfer der Ära Klopp. Zusammen mit dem ebenfalls neu geholten Torhüter Loris Karius sowie Mittelfeldmann und Führungsspieler Emre Can bildet der gebürtige Bochumer die "deutsche" Achse beim LFC.

Und ganz schlecht lässt sich schwierige Mission Meisterschaft für den ehemaligen Rekordchampion bislang nicht an. In der Premier League liegt Liverpool aktuell immerhin auf Rang vier, fünf Zähler hinter Spitzenreiter Manchester City. Und mit dem "Hexenmeister" in der Abwehr könnten die Reds noch weiter klettern.

Tobias Knoop