30.09.2016 11:19 Uhr

West Ham: Blowing Bubbles mit Payet

Dimitri Payets Träume von Europa zerplatzen wie Seifenblasen
Dimitri Payets Träume von Europa zerplatzen wie Seifenblasen

"I’m forever blowing Bubbles", heißt es in der Vereinshymne von West Ham United, die vor jedem Spiel durch das heimische Stadion des Arbeiterklubs tönt. Die Träume in Form von Seifenblasen steigen auf – um dann doch zu zerplatzen. Ein treffendes Bild, vor allem in der neuen Saison. Die Verantwortlichen wollen West Ham in die Champions League führen – doch die Realität ist aktuell eine ganz andere.

Das Glück – wo ist es hin? Das fragten sich am 25. August knapp 56.000 West-Ham-Fans im London Stadium als ihre Mannschaft mit 0:1 gegen Astra Giurgiu in der Qualifikation zur Europa League verlor. Es hätte alles so schön sein können, doch der Saisonstart ging völlig daneben. Neben dem peinlichen Aus in Europa leiden die Hammers aktuell auch unter akuter Erfolglosigkeit in der Liga. Nach sechs Spielen stehen sie auf einem Abstiegsplatz. Über die Situation äußerte sich Hammers-Star Mark Noble mit viel Galgenhumor: "Optimistisch gesehen, kann es nicht schlechter werden."

Dabei war vor der Saison ein deutlicher Umbruch zu spüren. Die Verantwortlichen wollen West Ham raus aus dem Schatten der übermächtigen Londoner Nachbarn Chelsea, Arsenal und Tottenham und dauerhaft in den Europapokal führen. Dafür zog der Verein ins Londoner Olympiastadion, bekam ein neues Wappen – und neue Spieler. Angreifer André Ayew von Konkurrent Swansea wurde für 24 Millionen Euro verpflichtet, hinzu kamen die ablösefreien Verpflichtungen der Abwehrspieler Håvard Nordtveit aus Mönchengladbach und Arbeloa von Real Madrid.

Payet & Zaza

Größere internationale Aufmerksamkeit bekamen allerdings zwei andere Personalien. Leistungsträger und EM-Held Dimitri Payet, der in der vergangenen Saison noch mit neun Toren und zwölf Vorlagen geglänzt hatte, wurde zur Freude der Fans gehalten. Die zweite Personalie scheint dagegen eher aus einer tragischen Komödie zu entstammen: Simone Zaza von Juventus Turin wurde als Ersatz für den verletzten Stürmer Andy Carroll ausgeliehen. Ebenjener Pechvogel, der seinen Elfmeter im EM-Viertelfinale gegen Deutschland so lächerlich per Trippelschritt verzögert und dann auch noch verschossen hatte.

Die Leistungen der beiden Offensivkräfte Payet und Zaza wirken symptomatisch für die Krise am East End, das mit dem peinlichen Europa-League-Aus in die Saison startete und in der Premier League nach sechs Spieltagen auf dem 18. Platz steht. Mickrige drei Punkte holten die Hammers bisher dank des einzigen Saisonsiegs. Dieser datiert vom zweiten Spieltag, als man Abstiegskandidat AFC Bournemouth knapp mit 1:0 schlug. Danach folgten in der Liga vier Niederlagen in Serie gegen Manchester City, Watford, West Bromwich und zuletzt gegen Southampton - Mannschaften eben, die man sehnlichst hinter sich lassen wollte.

Alleinunterhalter & Totalausfall

Payet steuerte in der laufenden Spielzeit drei Vorlagen in der Liga bei und bildet mit Stürmer Michail Antonio, der fünf Treffern in sechs Spielen erzielte, das Alleinunterhalterpärchen der Mannschaft. Zudem konnte sich West Ham bei Payet für dessen Tor im Pokal bedanken. Durch seinen direktverwandelten Freistoß zog man ansonsten glanzlos gegen Accrington ins Achtelfinale des League Cups ein.

Simone Zaza ist dagegen ein Totalausfall. Der Stürmer stand in drei Ligaspielen von Beginn an auf dem Rasen, sorgte aber für nichts Zählbares – außer zwei Gelbe Karten steht ihm nichts zu Buche. Natürlich ist Zaza nicht alleine für die Krise verantwortlich, bemerkenswert sind seine Leistungen aber allemal.

Hinzu kommt die Abwehrschwäche der Londoner: In den letzten vier Spielen fingen sie sich 14 Gegentreffer. Die Verantwortlichen sind sich den Problemen bewusst und veröffentlichten unlängst eine Stellungnahme: "Wir wissen, wir lassen zu viele Tore zu und treffen selbst nicht häufig genug, aber seid versichert, wir werden die Probleme beseitigen", hieß es in der messerscharfen Analyse auf der Vereinshomepage.

Fußballverrückt: Slaven Bilić

Die Krise geht allerdings nicht nur den Spielern und Verantwortlichen nahe, sondern vor allem dem fußballverrückten Trainer Slaven Bilić, der das Team in der vergangenen Saison noch an der Green Street auf den siebten Platz geführt hatte. Der Kroate wurde kürzlich Vater, doch aufgrund der Umstände in London hat er noch keinen Namen für seine Tochter. "Als sie mich gefragt haben, ob ich ihr schon einen Namen gegeben habe, habe ich geantwortet: 'Nein, das habe ich noch nicht'", erklärte der 48-Jährige und gab zu: "Ich fühle mich sehr komisch, da ich eine junge Tochter habe, aber permanent nur an Fußball denken muss."

Seine Mannschaft trifft als nächstes am Samstag auf den Aufsteiger aus Middlesborough und kann mit der Aufholjagd zu den Europapokalplätzen beginnen. Vielleicht werden dann die Seifenblasen-Träume doch noch zur Realität. Sollte Zaza West Ham mit seinem ersten Treffer auf die Erfolgsspur bringen, wird Slaven Bilić aber vielleicht erst einmal darüber nachdenken, seine Tochter Simone zu nennen.

Florian Pütz